Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters

Diese für Audio optimierte Kompaktfassung des täglichen Spotlight-Newsletters ist von einer KI-Stimme eingelesen und von Redakteuren erstellt und geprüft.

Autor Bild Anette Dowideit

Liebe Leserinnen und Leser,

wie machen wir es jetzt mit der Verteidigungsfähigkeit unseres Landes – besser gesagt: Wer soll es machen? Junge Leute, die sich freiwillig für die Bundeswehr verpflichten? Oder kommt am Ende doch die Wehrpflicht, weil wir sonst nicht genug Soldaten haben, um uns im Ernstfall gegen Putins Russland zu verteidigen?

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte am vergangenen Wochenende in einer Talkshow: Seine Prognose sei, dass es nicht ohne Wehrpflicht gehen werde. Und: Er würde das Ganze noch größer denken – das Grundgesetz müsse geändert werden. Dann könnten sich junge Leute zwischen Wehrpflicht und sozialem Pflichtjahr entscheiden. 

Ein bisschen wie früher also, Bundeswehr oder Zivildienst. Nun diesmal auch für junge Frauen.

Wir haben diese Aussage zum Anlass genommen, mal bei den Wohlfahrtsverbänden reinzubohren. Also Caritas, Diakonie, Arbeiterwohlfahrt und so weiter: Wollen sie überhaupt, dass demnächst Hunderttausende junge Leute Dienste für sie schieben? 

Unser neuer Kollege Ulrich Kraetzer, der jetzt bei CORRECTIV die Berichterstattung über das Nachrichtengeschehen verantwortet, hat nachgeforscht. Das überraschende Ergebnis hat er heute im Thema des Tages zusammengefasst.

An dieser Stelle noch ein Update zur politischen Diskussion, die unsere Berichterstattung zu Queerfeindlichkeit an der Berliner Rütli-Schule ausgelöst hat: Im Berliner Abgeordnetenhaus musste sich Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch heute kritischen Fragen zu ihrem Umgang mit dem Thema stellen. Sie zog sich darauf zurück, sie habe erst durch unsere Presseanfrage von dem ganzen Thema erfahren – also brauche sie noch Zeit, den Komplex aufzuarbeiten.

Dann noch ein anderes Thema, das uns in der Redaktion heute umtreibt: Veggiewurst. Das EU-Parlament hat dafür gestimmt, dass Fleischersatzprodukte nicht mehr Soja-„Wurst“ oder Tofu-„Schnitzel“ heißen dürfen.

Hier stimmt noch alles mit der Wurst: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bei einem bayerischen Herbstfest im September. Quelle: picture alliance / Wolfgang Maria Weber | R7172

Wie finden Sie das? Und: Haben Sie kreative Ideen, wie man künftig sonst dazu sagen sollte? Ich sammle Ihre besten Vorschläge: anette.dowideit@correctiv.org.

Thema des Tages: Pflichtjahr oder Frustjahr?

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

Zwischenruf: Wie wir mit Druck umgehen – und warum das zählt

Faktencheck: Härte statt Hilfe: Wie die Politik Sozialleistungen zum Problem erklärt

Gute Sache(n): Erstes Aufatmen für Endometriose-Patientinnen • Die erste abfallfreie Insel der Welt • Ü-75-Fußballer holen bei Veteranen WM-Gold

CORRECTIV-Werkbank: Wie eine Idee den Journalismus veränderte – die CORRECTIV-Story

Grafik des Tages: In diesen Regionen erzählen Betroffene von Gewalterfahrungen in Vereinen

Was die Verbände sagen:
Dort ist man überwiegend skeptisch. Mehrere der Verbände lehnten Merz’ Idee sogar in aller Deutlichkeit ab. 

„Aus unserer Sicht ist ein Pflichtdienst die falsche Antwort.“
Sprecher
Arbeiterwohlfahrt (AWO)

„Der Paritätische lehnt einen verpflichtenden Gesellschaftsdienst grundsätzlich ab.“
Sprecher
Paritätischer Wohlfahrtsverband

„Die Diakonie Deutschland spricht sich gegen ein Pflichtjahr aus.“
Sprecher
Diakonie


Skeptisch bis zurückhaltend äußerten sich auch das Deutsche Rote Kreuz und der Malteser Hilfsdienst.

Warum die Zurückhaltung?
Der Vorschlag wirkt auf den ersten Blick doch charmant: Die Deutschen werden immer älter. Der Pflege- und der Gesundheitssektor ächzen unter einer immer höheren Arbeitsbelastung, und der Branche fehlen die Arbeitskräfte.

Aber – das sagt zum Beispiel der Sprecher der Arbeiterwohlfahrt – es gebe einen Denkfehler: „Es ist eine hartnäckige Fehleinschätzung, dass junge Menschen zu Engagement gezwungen werden müssten.“ Solidarität lasse sich nicht verordnen. „Die Praxis und Untersuchungen belegen vielmehr, dass junge Menschen sich einbringen wollen – es muss ihnen nur ermöglicht werden.“ 

Statt Zwang brauche es unter anderem ein Freiwilligengeld auf BAföG-Niveau. Dann nämlich bekämen „alle, die wollen, auch tatsächlich die Möglichkeit, einen Freiwilligendienst zu machen – unabhängig vom Geldbeutel der Eltern“.

Ähnlich sieht man es beim Deutschen Roten Kreuz (DRK), bei den Maltesern und beim Paritätischen Wohlfahrtsverband: Attraktivitätssteigerungen und eine gezielte Ansprache seien der Schlüssel, um mehr junge Leute für freiwillige soziale Dienste zu gewinnen. 

Wie handfest ist die Debatte überhaupt?
Ob der Vorschlag für ein allgemeines gesellschaftliches Pflichtjahr Erfolg hat, ist ohnehin ungewiss.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte gerade in einem Interview: Er habe Sympathie für den Vorschlag. Aber er sprach sich dafür aus, die Debatte jetzt nicht zu führen, um das derzeit Notwendige – also mehr Soldaten für die Bundeswehr zu gewinnen – nicht zu verzögern. 

Und der Parlamentsgeschäftsführer der SPD, Dirk Wiese, sagte: Die Einführung eines gesellschaftlichen Pflichtjahres müsse im Bundestag mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden. Diese sei jedoch „absehbar nicht erkennbar“.

Damit dürfte Wiese Recht haben. Denn selbst wenn die Unionsparteien sich mit der SPD auf die Einführung eines Pflichtjahres einigen sollten, wären sie nicht nur auf die Zustimmung der Grünen, sondern auch auf die der AfD oder der Linken angewiesen. Eine Kooperation mit der AfD erscheint ausgeschlossen. Und die Linke machte bereits deutlich, dass sie einen Pflichtdienst ohne Wenn und Aber ablehnt. 

Bürgergeld-Streichung: Schwarz-rote Regierung beschließt radikale Änderungen
Die schwarz-rote Koalition hat sich auf eine Änderung des Bürgergelds geeinigt. Demnach sollen etwa Leistungen komplett gestrichen werden, wenn Arbeitssuchende zum dritten Mal ihren Termin im Jobcenter versäumen. 
fr.de

Lokal: Afghanische Botschaft in Berlin hisst Taliban-Flagge 
An der afghanischen Botschaft in Grunewald in Berlin soll die Flagge der Taliban gehisst werden. Derzeit hängt dort noch die Flagge der „Islamischen Republik Afghanistan“, die international anerkannt ist. Die Bundesregierung hält sich bisweilen zurück, da sie etwa mit den Taliban weiterhin über die Abschiebung straffälliger afghanischer Staatsangehöriger verhandeln muss. 
morgenpost.de 

Recherche: Ausspähen unter Freunden – Wie Viktor Orbán Grenzen überschreitet 
Eine Recherche des Standard zeigt, wie die ungarische Regierung unter Viktor Orbán Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausspäht. Ungarns Geheimdienst betreibt demnach jahrelang ein Spionagenetzwerk in Brüssel. 
derstandard.at


In dieser Woche gerät einer meiner Reporter der Allgemeinen Zeitung in Mainz in einen Shitstorm der AfD nach unseren Berichten über einen öffentlichen Eklat und Einschüchterungen von Anwohnern in einem kleinen Ort. Im Anschluss ruft ein AfD-Bundestagsabgeordneter in den Sozialen Medien dazu auf, Abos der Allgemeine Zeitung zu kündigen, um uns „in die Pleite“ zu treiben.

Zwei Fälle, die zeigen, wie Medien und unsere Demokratie unter Druck geraten. Was wir hier aktuell erleben, kennen unsere Kolleginnen und Kollegen in Ostdeutschland leider schon seit längerer Zeit. Der Druck auf Medien, und damit auf die Meinungs- und Pressefreiheit, nimmt immer mehr zu.

Dennis Rink, Allgemeine Zeitung

Collage: Ivo Mayr/CORRECTIV (Fotos: Michael Bihlmayer,Chris Emil Janssen,Jürgen Heinrich /picture alliance & Markus Spiske/unsplash.com)

So geht’s auch
Auf der griechischen Insel Tilos gibt es keinen Abfall. Mit einer Recyclinganlage und einem modernen System gelingt es der Insel, den Müll von 800 Einwohnern zu recyceln. Tilos ist damit die erste Insel, die frei von Abfall lebt. Für die Umsetzung müssen jedoch alle Bewohner den Müll sorgfältig trennen, damit dieser richtig recycelt werden kann. 
zdfheute.de  

Fundstück
Die deutschen Ü-75-Fußballer erreichen bei der Veteranen-WM in Japan den ersten Platz. Sie besiegten im Finale den Titelverteidiger England mit einem Drei-zu-Null. Die private Initiative existiert seit 2017. Es handelt sich dabei um einen Wettbewerb für aktive Veteranen in verschiedenen Altersbereichen. 
ndr.de


Hinter CORRECTIV steckt eine Idee, die weit über uns hinausreicht. Wir verbinden investigativen Journalismus mit Medienbildung und Technologie – wir arbeiten mit Bürgern, Communities und Jugendlichen deutschlandweit zusammen, beteiligen sie an Recherchen und ermutigen sie, sich in Debatten einzubringen. Oft werden wir als linkes Medium angestrichen. Aber das sind wir nicht. Wir glauben nicht, daran, dass die Grenzen zwischen Oben und Unten verlaufen – und alle Probleme gelöst sind, wenn alle gleichgemacht sind. Wir glauben, dass die Grenzen zwischen Zugang und Stimmlosigkeit liegen, zwischen Teilhabe und Ausgeschlossensein, zwischen Transparenz und Geheimhaltung. CORRECTIV ist mehr als ein Medienhaus: Wir wollen ein Ort für Mitgestaltung sein, ein Labor für neue Erzählformen und eine Plattform für demokratische Öffentlichkeit. Wir sehen in der Kunst dabei eine Sprache der Aufklärung. Und deswegen haben wir unser Leitbild an Joseph Beuys berühmtes Zitat angelehnt und sagen: „Jeder kann Journalist sein.“

Meine Mutter hat mal gesagt: „Wir haben die Grenzen der Welt nicht gesetzt. Warum sollen wir sie halten?“ Das ist für mich ein Antrieb. 

Wichtiger als die Reinheit der Genres ist ein klarer Kern. Wir stehen für Fakten. Wir können unsere Geschichten im Theater erzählen, wir können unsere Botschaften in Steine hauen. Wir können neue Formen für unsere Recherchen finden. Wir müssen nur wahrhaftig bleiben.

Unser Ziel bei CORRECTIV ist eine redaktionelle Gesellschaft, in der jeder Mensch eigenverantwortlich seine Interessen erkennen, ausdrücken und vertreten kann. Wir glauben daran, dass in einer polarisierten Welt der Sinn in der Gemeinschaft liegt. Wir sehen in der Demokratie die einzige Form, Vielfalt zu leben.

Das Buch ist hier erhältlich: shop.correctiv.org

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Samira Joy Frauwallner, Maximilian Billhardt, Leonie Georg, Ulrich Kraetzer und Jule Scharun.