Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters

Ich vertrete unseren Chefredakteur Justus, der hoffentlich eher an den nächsten italienischen Cappuccino als an das arktische Treffen denkt. Als Klima- und Energiejournalistin sehe ich den unausgesprochenen Grund, warum die Welt so gebannt auf diese beiden Männer, schaut: Unsere Gesellschaft hängt an fossilen Energien. Putin liefert der Welt Gas und Öl, Trump Öl und Gas. Ohne die konventionellen Brennstoffe in ihrem Boden wären ihre Länder nicht bedeutender als viele andere. Der eine wäre ein Cowboy mit stechendem Blick, der andere ein alternder Sitcom-Star. 

Denn, sorry für die schlechte Nachricht an einem schönen Augustwochenende (am Ende wird es wieder optimistischer, also lesen Sie unbesorgt weiter). Wer nicht sonderlich öko lebt, beginnt den Tag schon mit Kohle- oder Erdgasstrom: beim Einschalten der Nachttischlampe oder dem Weckerklingeln. Womöglich schlüpfen wir in Funktionskleidung – aus Erdöl.
Das Frühstück? Zwei Scheiben Brot, gebacken in Gasöfen. Mit Wurst belegt aus Schweinen, gemästet mit südamerikanischem Futter, transportiert mit Schweröl.
Der Weg zur Arbeit? Das Auto fährt mit Mineralöl, die Straße besteht wahrscheinlich aus erdölhaltigem Asphalt. Im Winter heizt Erdgas Büros, Fabriken und Krankenhausflure.
Zur Mittagspause ein Salat mit Lachs? Der Dünger für das Gemüse wird mit Erdgas hergestellt, der Lachs reist mit Schweröl. Die Baustelle auf dem Heimweg lärmt mit einem Presslufthammer – betrieben mit Mineralöl. Zuhause entspannen wir auf der Couch, gepolstert mit erdölbasiertem Schaumstoff. Danach eine Dusche mit Durchlauferhitzer – Erdgas.
Die Börsennachrichten? Fast alle Dax-Konzerne hängen an fossilen Energien.
Und die Pizza am Abend? Der Lieferant bringt sie mit einem Benzinroller. Die beruhigende Nachtcreme enthält Paraffine aus Erdöl. Ja, gute Nacht.

Oder besser: Guten Morgen! Denn es geht auch anders, mit weniger Trump und Putin im Bett und Magen. Und hier kommt nun die optimistische Klima- und Energiejournalistin in mir durch: Wir könnten uns befreien. Deutschland hat kein eigenes Öl und Gas, aber Wind und Sonne. FDP-Chef Christian Lindner bezeichnete Wind- und Solarkraft in einer seiner hellsten Stunden mal als „Freiheitsenergien, die uns aus der Abhängigkeit lösen“.

Bislang aber verschärft die Merz-Regierung unsere Abhängigkeit. Warum? 

Regierungsentscheidungen folgen nicht immer sachlichen, triftigen Gründen. Manchmal spielen, wie wir es bei unserer Recherche zu Wirtschaftsministerin Katherina Reiche recherchiert haben, ideologische Gründe eine Rolle für ihre übermäßige Gasliebe, die sich – siehe oben – bis nach Alaska auswirkt.

Manchmal auch Buddys, Netzwerke, und auch Interessenkonflikte. Jens Spahn, CDU-Fraktionsvorsitzender und Meister der Netzwerke, liefert ein Paradebeispiel. Unsere Artikelserie über ihn liest sich wie ein Krimi. Nach dem Finale –  in wenigen Wochen –  wird  ein großartiges Schaubild stehen, unser Designer Anwar arbeitet daran. Unsere Chefredakteurin Anette veröffentlichte diese Woche einen knackigen Artikel zu Spahns Boys-Club.

Das hoffnungsvolle Ende sollte jetzt eigentlich die UN-Konferenz für ein weltweites Abkommen gegen Plastikmüll liefern, schließlich ist Plastik aus Erdöl und insofern schon wieder mit dem Putin-Trumpschen Alaskatreffen verknüpft. Werde nie den entsetzten Blick meines kleinen Sohnes vergessen, als er erfuhr, dass die geliebten Legozüge noch größtenteils aus Erdöl bestehen. Aber leider ist das Abkommen vorerst an der Lobby der Erdölstaaten gescheitert. Die positive Rolle spielt nun in dieser Woche CORRECTIV, wie hoffentlich häufig in Ihrem Leben: Wir bleiben dran. An diesen Lobbys, an Merz, Putin und Trump, selbst an Alaska: Diese Woche begrüßten wir unsere Kollegin Jenna aus Alaska in der Redaktion. Unser Medienhaus wird immer größer, internationaler und energiegeladener

Und das ist eine sehr gute Nachricht.

Herzlich,
Ihre
Annika Joeres


Kalbitz und Hohloch begegnete ich zufällig im Sommer 2019. Damals 21 und gerade für ein Praktikum in Berlin, saß ich im Flugzeug – komplett nichtsahnend – neben zwei der wichtigsten Größen der rechtsextremen Szene. 

Der Flug ist mir bis heute gut in Erinnerung. Nicht nur, weil mir Kalbitz aus Versehen seinen Wein über den Schoß schüttete. In Brandenburg war damals Wahlkampf und die beiden bereiteten Hohlochs Kampagne vor. Was mich daran entsetzte: Hohloch, damals noch Lehrer, sprach darüber, wie er seine Schülerinnen und Schüler einbinden könne. Und auch wenn die AfD 2019 noch nicht in Gänze so radikal auftrat, wie sie es heute tut: Den Gedanken, dass Minderjährige für ihre Politik instrumentalisiert werden, fand ich schon damals schlimm. 

Ein Blick in das Gutachten zeigt, dass mich mein Bauchgefühl bei Hohloch nicht getäuscht hat. So sprach er 2024 davon, dass Kinder namens Mohammed und Ali „gewalttätig“ seien und andere Kinder „erpressen“ und „bedrohen“ würden. Und er versprach: Unter einem AfD-Bildungsminister würde diesen Kindern „das Recht auf Bildung“ entzogen werden.

Jens Spahn und sein Netzwerk

Milliardenschäden durch Hacker – und Deutschland ist schlecht vorbereitet
Die Zahl der Hackerangriffe steigt seit Jahren – ebenso die dadurch verursachten Schäden. Der Bundesrechnungshof warnt: Die Bundesregierung muss Cybersicherheit endlich zentral steuern und ausreichend finanzieren. Doch auf CORRECTIV-Nachfrage zeigt sich: Die Koalition verfügt über keine klare Strategie.
correctiv.org

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Finn Schöneck.