Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters

Diese für Audio optimierte Kompaktfassung des täglichen Spotlight-Newsletters ist von einer KI-Stimme eingelesen und von Redakteuren erstellt und geprüft.

Autor Bild Anette Dowideit

Liebe Leserinnen und Leser,

schon seit zweieinhalb Jahren befindet sich der Sudan in einem Krieg – der sich nach und nach zu einer der schlimmsten humanitären Krisen der Welt entwickelt hat. In unseren Nachrichten taucht das Thema eher am Rande auf, dabei geschehen dort empörende Dinge: Ende Oktober zum Beispiel fielen Kämpfer der paramilitärischen Miliz Rapid Support Forces (RSF) in die Stadt Al-Faschir ein, massakrierten die Einwohner – und sollen unter anderem in einer Geburtsklinik 460 Frauen und ihre Begleiter umgebracht haben.

Wir bei CORRECTIV versuchen, die Katastrophe zu beschreiben, so gut wir es eben von hier aus können. Heute bilden wir sie im Thema des Tages ab: Eine der bekanntesten sudanesischen Autorinnen hat einen Gastbeitrag für uns geschrieben. Sie beschreibt darin, was Europas Politiker tun könnten, um zu helfen. 

Was es sonst heute von uns gibt: Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass wir nun alle zwei Wochen prominente, kluge Köpfe in unserem kleinen TV-Studio interviewen. Heute ist das nächste Gespräch in dieser Reihe erschienen. Mein Co-Chefredakteur Justus von Daniels hat Michel Friedman eingeladen. Die beiden diskutieren über die Kunst des Streitens. 

Dann noch eine kleine Neuerung hier im SPOTLIGHT: Wir sind auf Ihr Leser-Feedback eingegangen und haben die Rubrik „Werkbank“ etwas anders ausgerichtet und umbenannt: in „CORRECTIV ganz persönlich“. So wollen wir noch klarer machen, dass wir Ihnen hiermit einen Einblick in unsere Arbeit geben wollen.

Und zuletzt: Unsere Jugendredaktion Salon5 wurde von der Initiative „Digital für alle“ für den Publikumspreis in der Kategorie „Digitale Demokratie“ nominiert. Wenn Sie uns unterstützen mögen, können Sie hier bis morgen abstimmen.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend, und schreiben Sie mir gern: anette.dowideit@correctiv.org.

Thema des Tages: Sudan: betrifft auch uns

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

Neueste CORRECTIV-Recherche: Ungesehen – ungeschützt: Frauenhäuser sind nicht für alle zugänglich

Faktencheck: Berlin: Wahlwerbung auf gewerblichen Flächen ist ohne Frist erlaubt

Gute Sache(n): EU-Staaten müssen gleichgeschlechtliche Ehen anerkennen • Kneipe statt digitaler Isolation • Verzicht auf Soziale Netzwerke gut für Psyche – Meta soll die Studie dazu vertuscht haben

CORRECTIV ganz persönlich: Was die Arbeit mit Journalistinnen und Journalisten im Exil mit mir macht

Grafik des Tages: So klickt Bundestagspräsidentin Julia Klöckner

Von Europa aus ist es schwer, den Überblick zu behalten: Was ist da überhaupt los, was können wir (beziehungsweise unsere Politiker) tun, um zu helfen, und wo betrifft die Krise auch uns? Deshalb haben wir heute ein Paket geschnürt – mit dem Ziel, dies alles besser zu verstehen.

Aufgenommen vor zehn Tagen in einem Geflüchteten-Camp im Norden Sudans: Eine Schlange, in der Vertriebene für Essen anstehen. Quelle: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Marwan Ali

Die Hintergründe des Kriegs einfach erklärt:
Unsere Jugendredaktion Salon5 hat das Wichtigste zusammengestellt, das man als Grundlage wissen sollte – nachzulesen in diesem Beitrag. Kurz zusammengefasst:

  • Es kam zum Konflikt, weil das Land schon seit Langem durch eine Diktatur beherrscht wurde. 
  • Dagegen gab es einen Militärputsch, der die Lage aber nicht verbesserte, sondern eher verschlimmerte. Seither bekämpfen sich die beiden Gruppen. Dabei geht es auch um den Zugriff auf Bodenschätze.
  • Seit 2023 kämpfen die beiden verfeindeten Gruppen offen gegeneinander – zum Leid der Bevölkerung.

Es kursieren auch einige Falschmeldungen über den Krieg. Unser Faktencheck-Team hat sie unter die Lupe genommen. Zum Beispiel die Behauptung, dort finde ein gezielter Völkermord an Christen statt. Hier erklären wir, weshalb das so nicht stimmt und warum dieses Narrativ aber besonders von Politikern und Accounts aus dem Rechtsaußen-Milieu verbreitet wird.

Welche Auswirkungen der Krieg auf uns hat:
Abgesehen von unserer humanitären Verantwortung gibt es auch wirtschaftliche Auswirkungen auf Europa – die wir hier im Wissen erwähnen, dass das im Vergleich zum Leid und Sterben der Menschen im Sudan lächerlich wirkt:

Um den Krieg zu finanzieren, wird derzeit in großem Stil ein wichtiger Rohstoff aus dem Land geschmuggelt: Gummi Arabicum. Dieser Stoff steckt in Gummibärchen, Cola und auch Make-Up. Die paramilitärische Gruppe RSF kontrolliert diese wichtige Einnahmequelle – das heißt, sie verlangt von den Abnehmern (unter anderem aus Europa und den USA) eine Art Schutzgeld. 

Das bedeutet für uns Konsumentinnen und Konsumenten: Die Produkte werden teurer, weil die Firmen aus Europa mehr für das Gummi Arabicum zahlen – und: Die Firmen finanzieren mit hoher Wahrscheinlichkeit den Krieg mit, weil sie die RSF ja finanziell unterstützen.

Die Rolle Europas:
Wir Europäer schauen bisher vor allem fassungslos bei dem zu, was sich im Sudan abspielt – und man bekommt das Gefühl, wir könnten rein gar nichts dagegen ausrichten. Das stimmt aber nicht, schreibt Amal Habani im Gastbeitrag, den sie für uns geschrieben hat.

Habani ist Preisträgerin des Internationalen Preises der Pressefreiheit. Sie schreibt vor allem für das sudanesische Medium Al-Taghyeer und wurde bei ihrer journalistischen Arbeit mehrfach von offiziellen sudanesischen Behörden behindert. Wir haben den Kontakt zu ihr über unsere Sparte CORRECTIV.Exile aufgebaut – dort loten wir momentan auch Möglichkeiten aus, eine Exil-Redaktion für Medienschaffende aus dem Sudan und anderen afrikanischen Ländern aufzubauen.

In ihrem Beitrag schreibt sie:

„Europa muss den Sudan auf der globalen Agenda halten, der Versuchung widerstehen, sich abzuwenden, und dazu beitragen, die humanitären Folgen so weit wie möglich abzumildern.“
Amal Habani
Sudanesische Journalistin

Konkret fordert sie von Europas Diplomaten: gezielte Sanktionen gegen die Kommandeure, die für den Krieg verantwortlich sind, Reiseverbote und das Einfrieren von Vermögenswerten. Zum Teil seien solche Regeln bereits erlassen – sie würden aber nicht entschlossen genug umgesetzt.

Nigeria: Sicherheitsnotstand wegen zahlreicher Entführungen 
Wegen zahlreicher Entführungen an Schulen erklärte der nigerianische Präsident Bola Tinubu den nationalen Sicherheitsnotstand. Dadurch können Armee und Polizei zusätzliches Personal rekrutieren. Zudem ist dem Inlandsgeheimdienst die Entsendung von Spezialkräften erlaubt worden.  
deutschlandfunk.de

Zahl der Toten bei Brand in Hongkong steigt weiter 
Durch einen Brand an einem Baugerüst aus Bambus ist eine gesamte Wohnanlage in Hongkong in Brand geraten. Medien berichten von über 60 Todesopfern. Die Polizei hat mehrere Personen festgenommen. 
fr.de

Die Collage zeigt eine Frau, die die Hände vors Gesicht schlägt. Im Hintergrund sieht man eine Treppe und davor ein rotes Absperrband. Darauf sind Rollstühle abgebildet, die mit einem roten Strich durchgestrichen wurden.
Collage: Ivo Mayr / CORRECTIV, Fotos: Unsplash & KI-generiert mit DALL·E und Magnific.ai
„Wahlwerbung“ steht hinten auf einer Werbetafel an einer Straße
Dürfen Parteien in Berlin erst sieben Wochen vor der Wahl werben? Unser Faktencheck zeigt: Das kommt auf die Fläche an. (Foto: Stefan Boness / IPON / Picture Alliance)

So geht’s auch
Wie die Kneipe unsere Demokratie stärken kann – das beschreibt der Sozialpsychologe Harald Welzer mit der Idee der „dritten Orte“. Das sind Orte, die weit von Zuhause und vom Arbeitsplatz entfernt für Meinungsvielfalt sorgen. Dies können Kneipen, Bibliotheken oder auch Vereinslokale sein. Die Theorie des Sozialwissenschaftlers ist, dass dort nach wie vor Gespräche fern von Filterblasen und Konflikt-Arenen stattfinden könnten. Die digitale Isolation in Sozialen Netzwerken würde hingegen diesen Austausch gefährden, da sich so der Kontakt zur Außenwelt reduziert. 
srf.ch

Fundstück
Aus Gerichtsdokumenten geht hervor, dass Meta eine Studie mit Belegen für psychische Schäden durch seine Plattformen gestoppt haben soll. Das Forschungsprojekt „Project Mercury“ hatte herausgefunden, dass Nutzer, die eine  Woche auf Facebook und Instagram verzichten, über „geringere Gefühle von Depression, Angst, Einsamkeit und weniger sozialen Vergleichsdruck“ berichteten. Kurze Zeit später beendete Meta das Projekt offenbar – dank einer Klage und nachfolgendem Prozess ist der Vorgang nun aber öffentlich. 
derstandard.de


Bei meiner Arbeit spreche ich täglich mit diesen Menschen. Dabei wird mir die Tragweite ihrer Entscheidung fürs Exil immer wieder bewusst. Seit anderthalb Jahren bin ich Projektmanagerin bei CORRECTIV.Exile, seit einem Jahr organisiere ich öffentliche Veranstaltungen mit Exiljournalistinnen – die Exile Talks. Vieles daran ist organisatorisch, Teilnahmelisten, Absprachen, Technik. 

Das kann durchaus stressig sein, aber nach jeder Veranstaltung hallen Sätze in mir nach: „Als ich Afghanistan verlassen musste, dachte ich, ich verliere meine Heimat. Doch es ist viel mehr: ich habe meine gesamte Identität verloren. Ich war Journalist – was bin ich hier?“, sagte ein Teilnehmer kürzlich. Eine aserbaidschanische Journalistin erzählte, wie sie in einer deutschen Redaktion wochenlang für die Reinigungskraft gehalten wurde. Ein südsudanesischer Reporter berichtete, dass internationale Medien sein Land und seine Arbeit nur beachten, wenn Konflikte eskalieren.

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Maximilian Billhardt, Till Eckert, Sebastian Haupt, Ulrich Kraetzer und Jule Scharun.