
Liebe Leserinnen und Leser,
seit dem Wochenende bestimmt ein Thema die Nachrichten: In Syrien haben Rebellen den brutalen Machthaber Assad gestürzt. Im Thema des Tages ordnen wir ein: Warum das – trotz der Sorgen, wie es weitergeht – erst einmal eine positive Entwicklung ist. Und, was der Sturz Assads mit uns zu tun hat.
Außerdem im SPOTLIGHT: Unsere Reporterin Gabriela Keller hat vier Jahre lang in Syrien gelebt – und hatte Freunde, die in Assads Foltergefängnissen ermordet wurden. In der „Werkbank“ berichtet sie davon.
Wir sammeln heute Ihre Vorschläge für die dieswöchige „Leserfrage der Woche“: Was sollen wir in Ihrem Auftrag Behörden, Firmen oder Politiker fragen? Schreiben Sie mir: anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: Syrien, befreit
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
CORRECTIV-Werkbank: Blick zurück auf ein Land, das zum Schlachtfeld wurde
Grafik des Tages: Meinungen zur Wirtschaftslage: privat gut, im Land schlecht
Baschar al-Assad war ein Gewaltherrscher. Er zerstörte große Teile seines eigenen Landes und vertrieb viele Millionen seiner Landsleute aus ihrer Heimat – alles, um seinen Machterhalt zu sichern. In dieser TV-Doku ist das ganze Grauen noch einmal dokumentiert.
Jetzt ist er gestürzt und nach Moskau geflohen, wo er russischen Staatsmedien zufolge aus „humanitären Gründen“ Asyl bekommen soll.
Warum der Sturz Assads Grund zur Hoffnung für das Land gibt und was das alles mit uns zu tun hat:
Wer Assad gestürzt hat:
Es handelt sich um ein Bündnis verschiedener Rebellen-Gruppen, die sich zusammengetan haben. Angeführt werden sie von einer islamistischen Miliz namens „Hajat Tahrir al-Sham“. Der Gruppe wurden in der Vergangenheit Verbindungen zur Terrorgruppe Al Kaida nachgesagt, sie soll sich aber schon länger von den gewaltbereiten Fundamentalisten distanziert haben. Hier sieht man den Rebellenführer im Interview.
Was das heißt:
Es sieht erstmal nicht danach aus, dass jetzt (wie etwa in Afghanistan) Fundamentalisten das Rad der Zeit in Syrien noch weiter zurückdrehen. Vielmehr gibt die Tatsache, dass sich verschiedene Gruppen zusammengetan und den Diktator gestürzt haben, Anlass zur Hoffnung.
Warum der Sturz jetzt funktionierte:
Der Grund ist, dass Russland und der Iran – die Assad lange militärisch unterstützt hatten – jetzt von ihm abgerückt sind. Der Grund dafür wiederum ist, dass beide derzeit andere Prioritäten haben: Russland die Ukraine, der Iran den Gaza-Streifen.
Was die Entwicklungen in Syrien mit uns zu tun haben:
Das Ende des Assad-Regimes ist auch eine Niederlage für die AfD. Die nämlich hat in den letzten Jahren eine gewisse Nähe zu Syriens Diktator vertreten. AfDler bereisten das Land und priesen Assad, der dem Land Stabilität verliehen habe.
Sogar in einem uns vorliegenden Programmentwurf der AfD für die vorgezogene Bundestagswahl steht die Forderung zur „Aufnahme von Verhandlungen mit der syrischen Regierung“. Der Text stammt natürlich aus der Zeit, als Assad noch an der Macht war. Der Fall des Assadregimes in Syrien zeigt die Gefährlichkeit des AfD-Konzepts, Deutschland aus der Westbindung in eine multipolaren Weltordnung neben Russland unter Putin und dem Mullah-Regime im Iran zu führen.
Wer in Deutschland nun Morgenluft wittert:
Ein paar Politiker springen auf die Nachrichtenlage auf, um ihre Themen zu platzieren. Zum Beispiel CDU-Hardliner Jens Spahn: Er sagte heute Morgen im Frühstücksfernsehen, jetzt sei doch eine prima Gelegenheit, syrische Flüchtlinge wieder nach Hause zu schicken, die bei uns Schutz vor Assad gefunden haben. Spahn will, dass die Bundesregierung dafür Flugzeuge chartert und 1.000 Euro Startgeld für jeden spendiert, der geht.
Merz wiederholt „Taurus“-Versprechen
Der CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz ist in Kiew. Im Gespräch mit Präsident Selenskyj sichert er erneut „Taurus“-Marschflugkörper zu.
tagesschau.de
China bereitet weitere Militärübung vor Taiwan vor
Eine kürzliche Reise von Taiwans Präsident in die USA hat dem chinesischen Regime offenbar nicht gefallen. Es reagiert mit Provokation.
spiegel.de
Staatsschutz ermittelt: Mann mit syrischer Fahne in Berlin bewusstlos geprügelt
Am Sonntag feierten Menschen in Berlin den Sieg der Aufständischen in Syrien. Am Abend wurde ein Mann mit einer Fahne brutal angegriffen.
tagesspiegel.de
Könnte Maximilian Krah für einen CDU-Mann zum Problem werden?
Wolfgang Dahler wurde in Biberach in Baden-Württemberg zum CDU-Direktkandidaten gewählt. Dahler arbeitet als Anwalt in der Kanzlei Schneider Solutio, die 2023 dem AfD-Politiker Krah Unterschlupf gewährte.
correctiv.org

Online wird behauptet: Friedrich Merz habe gesagt, er habe keine Angst vor einem Atomkrieg mit Russland. Stimmt das? Die Aussage ist aus dem Kontext gerissen. Mehr im heutigen Text unserer Faktencheck-Redaktion.
CORRECTIV.Faktencheck
Endlich verständlich
Die AfD fällt immer wieder mit rassistischen und antidemokratischen Aussagen auf. Dabei stellt die Partei sich selbst als Retter der Demokratie dar. Irgendwie ironisch, oder? Aber was ist jetzt eigentlich genau demokratiefeindlich an der Partei? Im Reel unserer Jugendredaktion Salon5 erfahren Sie mehr darüber.
Salon 5 (Instragram)
So geht’s auch
Moderne Architektur setzt auf viel Glas – mit fatalen Folgen für Vögel. Ein Forschungsteam aus Dresden und Wien hat nun eine Folie entwickelt, die Vögel davor bewahren soll, gegen die Fensterfronten zu fliegen. Für den Menschen ist sie unsichtbar.
mdr.de
Fundstück
Lavalampen gibt es seit den sechziger Jahren. Während sie nur noch in wenigen Haushalten zu finden sind, sorgen sie weltweit dafür, das Internet sicherer zu machen:
chip.de
Als sich gestern die Nachrichten vom Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad verbreiteten, musste ich wieder an Obaida denken. Wir lernten uns Jahre vor Beginn des Aufstandes gegen Assad kennen. Ich war gerade als freie Journalistin in Damaskus gezogen und war froh, jemanden zu kennen, dem ich alle meine Fragen offen stellen konnte. Wir saßen oft bis spät in die Nacht im sogenannten „Journalists’ Club“, wo man staatlich bezuschusstes, spottbilliges Bier trinken konnte, denn, klar, Journalisten waren in al-Assads post-sozialistischer Diktatur Staatsbeschäftigte.
Obaida mochte Heavy Metal und Gedichte von Khalil Gibran. Als ich Syrien verließ, verloren wir den Kontakt. Ich hörte erst 2013 wieder von ihm, über einen gemeinsamen Freund: Obaida ist gestorben, im Bürgerkrieg. Zunächst nahm ich an, er habe sich einer Miliz angeschlossen und sei im Kampf gefallen. Das hätte zu ihm gepasst, aufbrausend und kompromisslos wie er war. Aber so war es nicht.
Obaida wurde verhaftet, als er Brot in das Viertel Yarmouk schmuggeln wollte. Der Stadtteil in Damaskus wurde von al-Assads Militär belagert. Hunger wurde als Waffe gegen die Menschen eingesetzt. Drinnen aßen die Menschen Blätter. Kinder starben. Obaida wollte helfen, und das hat ihn das Leben gekostet. Er starb in einem Gefängnis, wie genau, weiß ich nicht.
Nun habe ich am Sonntag in Videoclips gesehen, wie die Rebellen das Foltergefängnis in Sednaya stürmten und vorzeitig rapide gealterte Häftlinge aus ihren Zellen befreiten. Viele Menschen fragen sich jetzt, ob Syrien nun im Chaos versinkt. Mir gehen andere Dinge durch den Kopf. Ich denke an meine Freunde in Syrien, an die, die flohen, an die, die starben. Und ich denke an all die Menschen, die getötet wurden, weil sie etwas Gutes und Selbstloses taten.

Die Wirtschaft in Deutschland stockt. Auch im Wahlkampf ist dieses Thema längst angekommen. Aber: Obwohl viele verhalten oder negativ auf die ökonomische Lage im Land blicken, bewertet die Mehrheit die eigene Situation weiterhin als gut.
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert und Sebastian Haupt.
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