
Liebe Leserinnen und Leser,
heute haben die „Wirtschaftsweisen“ ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum bis zum Ende dieses Jahres vorgestellt – und sie fällt deutlich schlechter aus als bisher erwartet: Die Weisen erwarten 0,0 Prozent Wachstum, also gar keines. Wie schlimm ist das? Darum geht es im heutigen Thema des Tages.
Außerdem im SPOTLIGHT: Warum bleiben im Bundestag so viele Stühle von Abgeordneten frei – arbeiten die alle gar nicht wirklich? Diese Frage treibt derzeit viele Leute in Sozialen Netzwerken um. Reporterin Samira Joy Frauwallner beantwortet die Frage in der heutigen „Werkbank“.
Zum Thema Wirtschaftswachstum: Macht Ihnen die zurückhaltende Konjunkturprognose Sorgen? Warum genau? Schreiben Sie unserer Leserreporterin: jule.scharun@correctiv.org.
Thema des Tages: Wachstum: 0,0 Prozent
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
CORRECTIV-Werkbank: Werden im Bundestag Reden bis aufs WC übertragen?
Grafik des Tages: Chance auf Teilhabe: Hier gibt es besonders viele Schulabbrecher
Das „wirtschaftliche Beratungsgremium der Bundesregierung“, wie die Gruppe aus fünf Professorinnen und Professoren offiziell heißt, hat seine Wachstumsprognose für dieses Jahr heruntergeschraubt. Im Herbst erwarteten die Mitglieder noch, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um 0,4 Prozent wachsen werde. Jetzt gehen sie davon aus, dass es kein Wachstum gibt.

Stecken wir mitten in einer Schrumpfungsphase?
Die Prognose klingt auf den ersten Blick schlimmer, als sie es eigentlich ist. Denn für das nächste Jahr, 2026, erwartet das Gremium wieder ein Wachstum von einem Prozent. Was bedeutet, dass wir dann als Land insgesamt wieder mehr Geld erwirtschaften und es somit auch wieder mehr zu verteilen gibt.
Warum die Hoffnung?
Eine wichtige Rolle bei den Erwartungen für das nächste Jahr spielt das Infrastruktur-Sondervermögen. Also die halbe Billion Euro, die unsere Bundesregierung in die Infrastruktur (Brücken, Straßen, Schienen etc.) stecken will.
Das ist auch der Grund, warum wir bei CORRECTIV dieses Thema enorm wichtig finden und es gemeinsam mit Ihnen in unserer Serie „Gemeinsam aufgedeckt“ verfolgen. Dort wollen wir uns in den kommenden Monaten und Jahren anschauen: Wo kommt das Geld tatsächlich an, und wird es wirklich in Investitionen gesteckt?
Wie schlimm ist es, wenn die Wirtschaft in diesem Jahr nicht wächst?
Auch mit dieser Frage beschäftigen wir uns im SPOTLIGHT immer wieder. Einer der „Wirtschaftsweisen“, der Ökonomieprofessor Achim Truger, ist regelmäßiger Gastautor bei uns und ordnet Zusammenhänge ein.
Ich habe heute kurz mit ihm gesprochen und ihn um eine Einschätzung gebeten. Er sagt:
„Das ist wirklich eine schwere Krise: Erst Corona, dann die Energiekrise, jetzt Trumps Zölle. Aber das Finanzpaket, vor allem für die Infrastruktur, ist eine Riesenchance zur Modernisierung und für den Aufschwung.“
Achim Truger
Wirtschaftsweiser
Wenn das Geld aus dem Sondervermögen klug verwendet werde, sagte er weiter, sei die deutsche Wirtschaft bald wieder auf einem guten Wachstumspfad.
Was über die Geldverwendung bislang bekannt ist:
Ein am Montag geleaktes Papier aus dem Finanzministerium wirft die Frage auf, ob die Sondervermögen-Milliarden nicht doch genutzt werden könnten, um Haushaltslöcher zu stopfen.
In dem Papier steht: Haushaltspläne könnten um Beträge gekürzt werden, die künftig aus dem Sondervermögen fließen. Zudem plant das Finanzministerium demnach, die Entlastung der Energiepreise mit den Klima-Milliarden zu finanzieren. Wir haben das Ministerium jetzt einfach mal gefragt, wie sich diese Pläne mit der Vorgabe „zusätzliche Investitionen“ vereinbaren lassen. Über die Antworten informieren wir Sie in den nächsten Tagen.
Müssen wir mehr arbeiten, um die Wirtschaft anzukurbeln?
Diese Frage wird momentan – mal wieder – heiß diskutiert. Grund ist eine Aussage von Friedrich Merz vor ein paar Tagen:
„Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten.“
Friedrich Merz
Bundeskanzler
Im vergangenen Herbst schrieb der Wirtschaftsweise Truger im SPOTLIGHT genau hierzu eine Einordnung – weil Merz auch da schon mal gesagt hatte, wir Deutschen wären zu arbeitsscheu. Truger kam zum Ergebnis: Wer von den Menschen fordert, immer mehr zu arbeiten, denkt nicht liberal. Schließlich soll jede/r selbst entscheiden dürfen, wie viel sie oder er arbeitet.
Abgesehen davon: Wir von CORRECTIV haben mal nachgeforscht – und gesehen: Es stimmt überhaupt nicht, dass die Deutschen heute weniger arbeiten als früher.
Was aber stimmt: Während die Wirtschaft zuletzt nicht wuchs, stiegen die Lebenshaltungskosten – und das macht vielen Menschen im Land Sorge, wie unsere SPOTLIGHT-Grafik im Februar zeigte:

Razzia gegen rechtsextremistische Terrorgruppe „Letzte Verteidigungswelle“
Über 200 Polizeikräfte waren bei der Razzia in fünf unterschiedlichen Bundesländern im Einsatz. Es kam zu Durchsuchungen und Festnahmen von Mitgliedern der rechtsextremistischen Gruppe. Die Verdächtigen sind zum Teil noch minderjährig.
sueddeutsche.de
Ausschussvorsitzende im Bundestag: Erste AfD-Abgeordnete gescheitert
Die AfD hat ein Vorschlagsrecht auf sechs der 24 Posten, doch die ersten Kandidierenden der Partei sind bereits gescheitert. SPD und Union haben beschlossen, keine AfD-Abgeordneten in einen Ausschussvorsitz zu wählen.
tagesspiegel.de
Gießen: Antisemitisches Abi-Motto
Aufgrund eines Vorschlages für ein Abi-Motto wurden an einer Gießener Schule polizeiliche Ermittlungen eingeleitet. In einer anonymen Umfrage, um das Motto für ihr Abi zu finden, gab es offenbar antisemitische, rassistische und diskriminierende Vorschläge. Die meisten Stimmen erhielt der Vorschlag „NSDABI“. Die Oberstufenleitung der Schule spricht von einem „Schock“.
giessener-allgemeine.de
Recherche: Heimliche Helfer russischer Geheimdienste
Agenten bei Bedarf: Russische Geheimdienste unterhalten ein weltweites Netzwerk an treuen Zuarbeitern – auch in Deutschland. Einer von ihnen ist Yury E., der aufgrund von E-Mails verdächtigt wird, im direkten Austausch mit dem russischen Militärgeheimdienst GRU zu stehen.
spiegel.de / zdf.de

Faktencheck

Nachdem der Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft hat, kursiert in Sozialen Netzwerken ein Video, laut dem der Verfassungsschutzchef entlassen worden sei. Doch Thomas Haldenwang schied schon vor Monaten aus dem Amt.
correctiv.org
Endlich verständlich
Wasser ist der Grund, warum Leben existiert. Und das Wasser bewegt sich in einem Kreislauf auf der Erde. Wie das funktioniert, erklärt unsere Jugendredaktion Salon5. Außerdem erfahren Sie im Podcast, in welchen Ländern das Wasser knapp wird und welche Folgen das hat.
Spotify
So geht’s auch
Meta hat angekündigt, ab dem 27. Mai 2025 öffentlich sichtbare User-Inhalte für das Training seiner KI-Modelle nutzen zu wollen. Der Konzern rund um Mark Zuckerberg will dafür Daten aus Beiträgen, Kommentaren und Reaktionen von Instagram und Facebook verwenden. Whatsapp ist davon ausgeschlossen. Datenschützer warnen vor den langfristigen Folgen und zeigen eine Anleitung zum Widerspruch – der noch bis Montag, den 26. Mai, möglich ist.
Netzpolitik.org: Widerspruch / Facebook
Fundstück
Im schweizerischen Buttes (Kanton Neuenburg) wurde erstmals eine Solaranlage auf einem Bahngleis installiert: Das Startup „Sun-Ways“ hat auf einem 100 Meter langen Streckenabschnitt 48 Solarpaneele zwischen die Schienen verlegt, um bislang ungenutzten Raum für die Stromproduktion zu nutzen. Das Projekt soll drei Jahre lang unter realen Bedingungen getestet werden. Laut Unternehmen könnten auf dem gesamten Schweizer Schienennetz bis zu 2,5 Millionen Paneele installiert werden.
Sam Bentley / SRF.ch
Kürzlich sorgten auf Instagram Videos von Reden aus dem Bundestag für Empörung. Grund war aber nicht der Redeinhalt, sondern die leuchtend blauen und somit leeren Stuhlreihen im Hintergrund. Offenbar befinden sich viele Abgeordnete während der Sitzung nicht im Plenarsaal – kommen sie ihrer Arbeit nicht nach, wie Kommentare nahelegen? Das ist zu kurz gegriffen.
Warum sind die Reihen im Plenarsaal oft leer?
Der Bundestag ist ein Arbeitsparlament. Das bedeutet, der Großteil der politischen Arbeit passiert parallel zu den Plenarsitzungen – in Ausschüssen, Fraktionen, Gesprächen mit Expertinnen oder bei der Vorbereitung eigener Reden. Im Plenum, also im großen Saal, finden vor allem die Debatten und formellen Abstimmungen statt. An den Debatten im Saal nehmen meist nur die Fachpolitikerinnen teil, die direkt am Thema arbeiten. An namentlichen Abstimmungen müssen alle teilnehmen.
Weitere Arbeit – zum Beispiel das Prüfen, Verhandeln und Überarbeiten von Gesetzentwürfen – geschieht in den Ausschüssen, also in den thematischen Arbeitsgruppen im Bundestag. Dort sind die Abgeordneten oft parallel zu den Plenarsitzungen tätig.
Streams bis aufs Klo?
Für alle Abwesenden werden Debatten live im Parlamentsfernsehen und in der Bundestags-Mediathek übertragen – abrufbar in Büros und Nebenräumen, sodass Abgeordnete jederzeit folgen können. Neulich tauchten in sozialen Netzwerken hierzu sogar Kommentare auf, wonach Bundestagsreden angeblich „bis aufs Klo“ übertragen würden. CORRECTIV hat auf Nachfrage beim Deutschen Bundestag erfahren: Ja, Reden aus dem Plenum werden im gesamten Bundestagsgebäude gestreamt, Bildschirme und Streams der Reden in den Sanitärräumen gäbe es jedoch nicht. Das „stille Örtchen“ bleibt also entgegen der Behauptungen wirklich „still“.

Bildung ist die Grundlage für gute Lebens- und Einkommensmöglichkeiten. Die Chancen sind allerdings nicht überall in Deutschland gleich verteilt. Stattdessen gibt es Regionen (etwa im Norden, Osten und Westen), in denen besonders viele ohne Abschluss von der Schule gehen. Das zeigt eine neue Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung zu den Teilhabechancen junger Menschen.
berlin-institut.org
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Samira Joy Frauwallner, Sebastian Haupt und Jule Scharun.
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