Liebe Leserinnen und Leser,
seit Februar soll das Bundesamt für Verfassungsschutz an einem neuen Gutachten über die AfD gearbeitet haben. Und jetzt zieht die Nachricht Kreise, dieses Gutachten sei fertig.
Das Problem ist bloß: Die Behörde hat es bisher nicht veröffentlicht. Warum nicht? Und darf sie ein solches Dokument zurückhalten? Oder, wie Giovanni Trapattoni sagen würde: Was erlauben Verfassungsschutz? Heute unser Thema des Tages.
Was bewegt Sie? Schreiben Sie mir: anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: Was erlauben Verfassungsschutz?
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Faktencheck: Tagesschau-Beitrag mit Zitat über Verhaftung von Robert Habeck ist manipuliert
CORRECTIV-Werkbank: CO2-Zertifikate: Viele Projekte zur Emissionsminderung sind nutzlos
Grafik des Tages: Wo Rechtsextreme gegen den CSD mobilisiert haben
Beim Bundesamt für Verfassungsschutz gehen momentan wahrscheinlich eine Menge E-Mails und Anrufe von Journalistinnen ein. Wir von CORRECTIV sind jetzt sogar schon mal persönlich vorbeigegangen.
Grund: Im Politik- und Medienbetrieb wird erzählt, das neue Gutachten der Behörde über die AfD liege längst fertig in der Schublade, werde aber nicht (oder noch nicht?) veröffentlicht. Warum das passiert und weshalb es für uns relevant ist:
Was ist ein Verfassungsschutz-Gutachten?
Es geht darum, alles zusammenzutragen, was an Handlungen und Aussagen aus der Partei relevant ist. Und zwar mit Blick darauf, ob die AfD in ihrer Gesamtheit eine rechtsextremistische Partei ist.
Derzeit stuft der Verfassungsschutz sie als „Verdachtsfall“ ein. Das neue Gutachten – so es denn neue, drastischere Erkenntnisse gebracht hat – könnte theoretisch zu einer Hochstufung der Bewertung führen: als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“. Und das wiederum dürfte Einfluss auf ein mögliches Verbotsverfahren gegen die Partei haben.
Warum wird es nicht veröffentlicht, wenn es doch fertig ist?
Im Februar gibt es voraussichtlich Neuwahlen – und es gibt gewichtige Stimmen in der Politik, die sagen: Kurz vor Wahlen müssten Staatsorgane alles unterlassen, was den Ausgang der Wahlen beeinflussen könnte.
Darf die Behörde es zurückhalten?
Einige Verfassungsrechtler, die sich gerade dazu geäußert haben (zum Beispiel im Fachportal Verfassungsblog oder in beim Juristenportal LTO) veröffentlicht haben, sehen es salopp gesprochen so: Das mit der Zurückhaltung vor Wahlen sei rechtlich gesehen Quatsch.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz sei sogar dazu verpflichtet, vor der Bundestagswahl darüber zu informieren, wie rechtsextrem es die AfD einschätzt – damit die Bürgerinnen und Bürger eine informierte Wahlentscheidung treffen können.
„Riesenprovokation“
Thyssenkrupp Steel will bis 2030 Tausende Jobs streichen. Die IG Metall kündigt in einem Flugblatt Widerstand an.
spiegel.de
US-Zölle
Trump will Sonderzölle gegen China, Kanada und Mexiko einführen. Ökonomen warnen, dass das auch in Europa zur Rezession führen könnte.
zdf.de
Waffenruhe in Sicht?
Heute Abend könnte der israelische Sicherheitsrat für eine 60-tägige Waffenruhe zwischen Israel und der Terrormiliz Hisbollah stimmen. In dem einjährigen Krieg leiden vor allem Zivilisten.
sueddeutsche.de
Investigativ
Passend zum Thema das Tages empfehlen wir unsere Recherche über einen AfD-Mann, der selbst seiner eigenen Partei zu russlandnah ist:
correctiv.org
Auf Tiktok kursiert ein Bild von einem angeblichen Tagesschau-Bericht mit einem Zitat über Robert Habeck. Donald Trump soll demnach gesagt haben: „Wenn ihr Herrn Habeck nicht verhaftet, dann machen wir es.“ Doch das Bild des Berichts ist manipuliert.
CORRECTIV.Faktencheck
Endlich verständlich
Hängen Asyl und Kriminalität wirklich zusammen? Immer wieder betonen Schlagzeilen den Migrationshintergrund von Tätern und schüren damit Ängste. Ob dies gerechtfertigt ist, erklärt Dženeta Isaković vom Verein Mosaik Deutschland im Gespräch mit unserer Jugendredaktion Salon5. Isaković beschäftigt sich mit der Prävention von Extremismus und Hassgewalt.
Salon5 (Podcast)
So geht’s auch
Erben in Deutschland ist ungerecht. Der Großteil des vererbten Vermögens geht an nur zwei Prozent der Bevölkerung. Eine Stiftung verlost zur Erforschung dreimal 20.000 Euro als Grunderbe.
fr.de
Fundstück
Seit der Machtübernahme der Taliban 2021 ist es afghanischen Frauen kaum noch möglich, öffentlich zu sprechen. Seit einigen Wochen bietet der Podcast „Qes-e Man” („Meine Geschichte”) von Laal Media afghanischen Frauen anonym eine Plattform, ihre Erlebnisse und Träume zu teilen.
laal.media (Podcast, Englisch)
Vergangene Woche erschien eine wissenschaftliche Studie, die inhaltlich an eine Recherche anknüpft, die wir im April veröffentlicht haben: Die Ökogas-Lüge. Wir konnten aufdecken, dass 116 deutsche Gasversorger fragwürdige CO2-Zertfikate nutzten, um ihre Erdgastarife angeblich klimaneutral zu stellen.
Die frisch erschienene, sehr umfangreiche Studie des Max-Planck-Instituts (und anderer) macht nun deutlich, wie wenig Emissionen insgesamt durch Zertifikate reduziert oder eingespart werden – und wie wenig das Klima am Ende profitiert.
Grundlage der Untersuchung ist eine Analyse von rund 2.300 Klimaschutz- beziehungsweise sogenannten Kohlenstoffminderungsprojekten. Insgesamt umfasst die Untersuchung rund eine Milliarde Tonnen CO2. Das Ergebnis: In weniger als 16 Prozent der untersuchten Projekte wurden tatsächlich Emissionen gemindert.
„Unsere Forschung zeigt deutlich, dass die CO2-Märkte fundamentale Reformen benötigen“, sagt Benedict Probst, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, gegenüber CORRECTIV. Für einen „sinnvollen Beitrag zum Klimaschutz müssen CO2-Märkte ihre Qualitätsstandards deutlich anheben und sich auf nachweislich wirksame Projekttypen konzentrieren.“
Brisant sind die Ergebnisse auch angesichts der Debatte um die Ausgestaltung internationaler Kohlenstoffmärkte auf der UN-Klimakonferenz (COP) in Baku: Diese sollen den Handel mit CO2-Zertifikaten zwischen Ländern regeln, Klimaschutz soll so vorangebracht werden. Die jetzt vorliegenden Studie macht nochmal deutlich, wie dringend ein funktionierendes Regelwerk gebraucht wird.
Feindbild Diversität: In dutzenden Städten haben rechtsextreme Gruppen im vergangenen Sommer gegen CSD-Veranstaltungen mobilisiert. In Bautzen beispielsweise standen den 1.000 CSD-Teilnehmern rund 700 Rechtsextreme gegenüber. Wie Neonazis mobilisieren, um queere Menschen einzuschüchtern, zeigt die aktuelle CEMAS-Studie.
cemas.io
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Sebastian Haupt, Elena Schipfer und Finn Schöneck.
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