
Liebe Leserinnen und Leser,
Friedrich Merz und die Union wollen eine restriktive Migrationspolitik. Das will auch die AfD. Es gibt aber einen gewaltigen Unterschied: Für viele AfD-Funktionäre steckt dahinter das Ziel einer vermeintlich homogenen Gemeinschaft. Das ist ein gefährliches Trugbild und widerspricht der liberalen Demokratie.
Damit kurz vor der Bundestagswahl wirklich niemand sagen kann, sie oder er habe das nicht gewusst, haben wir noch einmal Aussagen führender Köpfe der Partei zusammengetragen – die genau dieses Denken deutlich zeigen. Heute unser Thema des Tages.
Außerdem im SPOTLIGHT: Was geschieht durch Trumps Intervention gerade in der Ukraine? Wer versucht gerade – und wie – am Lieferkettengesetz zu sägen? Und im Faktencheck des Tages: In München ist heute ein Auto in eine Menschenmenge gefahren. Die Hintergründe sind noch unklar – aber die Künstliche Intelligenz auf der Plattform X verbreitete schon gleich falsche Informationen.
Schicken Sie mir gern Ihre Anregungen für den SPOTLIGHT: anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: Wer ist deutsch?
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Bundestagswahl-Spezial: Alice Weidel im Kandidaten-Check von Salon5
Faktencheck: Auto fuhr in München in Menschenmenge: Chatbot Grok verbreitet falsche Informationen
CORRECTIV-Werkbank: Elon Musk und die Regulierung Sozialer Netzwerke
Grafik des Tages: Neuer Rekord bei rechtsextremen Straftaten
Unser AfD-Reporterteam Marie Bröckling und Marcus Bensmann hat zusammengetragen, wer aus Sicht führender Köpfe der AfD zu Deutschland gehört – und wer nicht. Warum? Wir zeigen so, auf welcher grundlegenden Geisteshaltung ihre politischen Forderungen aufbauen.
Auch im Gutachten des Verfassungsschutzes von 2021, das Netzpolitik.org kürzlich veröffentlichte, spielte genau diese Frage eine zentrale Rolle: Wie verankert ist das völkische Gedankengut in der Partei? Die Aussagen von Parteimitgliedern spielten damals eine wichtige Rolle für die Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall.
Wir zeigen Ihnen hier ein paar Beispiele:
Der Bundestagsabgeordnete und die „Passdeutschen“:
Marc Jongen, heute Bundestagsabgeordneter für die AfD, sagte schon 2016 in einem Interview mit der Zeit: „Der Pass alleine macht noch keinen Deutschen“. Dahinter steht die Annahme, man könne nicht wirklich „deutsch“ werden, wenn man nicht über die passende Herkunft und den dazugehörigen kulturellen Hintergrund verfüge.
Übrigens: Unser Grundgesetz stellt klar: Wer einen deutschen Pass hat, ist deutsch.

Gauland und der Fußball:
Der aktuelle AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland sorgte ebenfalls 2016 für Empörung, als er im Spiegel-Interview sagte, eine „deutsche oder englische Nationalmannschaft“ sei „schon lange nicht mehr deutsch oder englisch im klassischen Sinne“. Im „klassischen Sinne“, Chiffre für „biodeutsch“.

Tillschneider und das „völkische Licht“:
Für den AfD-Landtagsabgeordneten von Sachsen-Anhalt Hans-Thomas Tillschneider ist das „Deutschsein“ „das besondere Licht, das unsere gesamte deutsche Welt einhüllt“. In einer Rede auf dem Kyffhäuser von 2018 zeigt der AfD-Politiker die mystisch-romantischen Abgründe der völkischen Ideologie.

Die Ableitung: „Remigration“
Björn Höcke, einflussreicher Rechtsaußen der Rechtsaußen-Partei, machte schon 2018 in einem Buch klar, es brauche ein „großangelegtes Remigrationsprojekt“ – mit dem Ziel, das vermeintlich echte deutsche Volk zu schützen.

Wir haben noch weitere ähnliche Aussagen zusammengetragen und heute auf unserem Instagram-Kanal veröffentlicht. Wir sammeln nun weiter vergleichbare Äußerungen aus der Partei, um ihr Wirken zu dokumentieren.
Sind Ihnen Aussagen von AfD-Politikerinnen und -politikern begegnet, in denen völkisches Denken sichtbar wird? Dann schicken Sie sie uns – an marie.broeckling@correctiv.org und marcus.bensmann@correctiv.org.
CORRECTIV: EU-Lieferketten-Richtlinie ist Ziel von Lobbyattacken
Der Europäische Green Deal sollte Europa klimaneutral machen – jetzt aber fühlt sich die Wirtschaftslobby ermutigt, gegen einige der geplanten Richtlinien Sturm zu laufen, wie Recherchen von CORRECTIV zeigen. Gerade deutsche Verbände, BDI und BDA, wollen missliebige Vorschriften verschwinden lassen, bevor sie überhaupt umgesetzt werden.
correctiv.org
Trump will mit Putin über Frieden sprechen – ohne die Ukraine und Europa
Nach ihrem gestrigen Telefonat wollen sich der US-Präsident und das russische Staatsoberhaupt bald in Saudi-Arabien treffen. Dann soll ein Ende des russischen Angriffskriegs verhandelt werden – allerdings ohne die Ukraine oder Europa an dem Gespräch zu beteiligen. SRF hat analysiert, warum das einen Sieg Putins bedeuten könnte.
srf.ch (Analyse) / rnd.de (Liveblog)
München: Auto rast in Menschenmenge – Söder geht von Anschlag aus
In der bayerischen Landeshauptstadt sind mindestens 28 Menschen teilweise schwer verletzt worden, nachdem ein Mann mit einem Mini in eine Verdi-Demonstration gefahren war. Der Tatverdächtige soll ein 24-jähriger Asylbewerber aus Afghanistan sein.
sueddeutsche.de (Liveblog)
Jede zweite erwerbstätige Frau kommt nicht über die Runden
Zu dieser Erkenntnis kam eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Demnach haben 53 Prozent der arbeitenden Frauen keine langfristige Existenzsicherung – sie verdienen also nicht genug, um damit Lebensphasen ohne Arbeit zu stemmen. Ein Grund sei unter anderem die traditionelle Rollenverteilung.
spiegel.de

Bundestagswahl-Spezial
Alice Weidel: Vom einfachen Mitglied zur mächtigsten Frau der AfD. Jetzt will sie als erste Kanzlerkandidatin der AfD noch höher hinaus. Lange galt Weidel als gemäßigt, doch auf dem Parteitag in Riesa zeigte sie ihre bislang radikalste Seite.
Wofür Alice Weidel genau steht, hat sich unsere Jugendredaktion Salon5 angeschaut:
instagram.com

Ein Auto fuhr in eine Menschenmenge in München, die Hintergründe sind noch unklar. Auf X gibt die KI-Grok bereits falsche Informationen zum Tathergang und Täter.
CORRECTIV.Faktencheck
Endlich verständlich
Von der Watergate-Affäre in den USA 1972 bis zum „D-Day”-Dokument der FDP 2024: Skandale können großen Einfluss auf die Politik haben. Sie schaden dem Image der involvierten Parteien oder Personen oft gravierend. Welche Auswirkungen Skandale auf die Politik haben, hat sich unsere Jugendredaktion Salon5 angeschaut.
Salon5 (Instagram)
So geht’s auch
In Hamburg verfügen inzwischen mehr Menschen über ein Deutschlandticket als über ein zugelassenes Auto. Um den ÖPNV zu erweitern, wird in der Stadt viel gebaut – ein wichtiges Thema im aktuellen Hamburger Wahlkampf.
zdf.de
Fundstück
Donald Trump will, dass Grönland Teil der USA wird. Eine dänische Petition, für die bereits 200.000 Menschen unterschrieben haben, unterbreitet ein (satirisches) Gegenangebot: Das skandinavische Land soll im Gegenzug Kalifornien kaufen.
n-tv.de
Elon Musk hofiert seit Monaten rechte Kräfte in Europa. Seine Unterstützung der AfD ist bekannt, und auch in Großbritannien attackierte er die Regierung von Keir Starmer und traf sich mit dem Rechtspopulisten Nigel Farage. Warum macht er das? Ideologie ist eine Erklärung, aber es gibt noch eine andere, und die hat mit der Regulierung von Sozialen Netzwerken wie Elon Musks X zu tun.
In der EU wird seit etwa einem Jahr der Digital Services Act (DSA) angewendet. Er verpflichtet die Betreiber großer Onlineplattformen, Maßnahmen zur Entfernung illegaler Inhalte und Minderung von gesellschaftlichen Risiken (zum Beispiel durch Desinformation) zu treffen. Darüber müssen die Plattformen Rechenschaft ablegen. Das ist unbequem.
Durch den DSA kann die EU auch Verfahren einleiten. Sie kritisierte 2024 Verstöße von Musks Plattform X, was zu Geldstrafen führen könnte. Musk kündigte einen Rechtsstreit an. Er hat als Unternehmer ein Interesse daran, die Regulierung abzuschaffen. Oder, wie er es nennt: die Meinungsfreiheit zu bewahren. Wie der Forscher Damian Tambini im Blog der London School of Economics and Political Science argumentierte, ist es für die Betreiber der Plattformen viel billiger, Inhalte nicht gründlich zu moderieren.
Das macht Musk zum Verbündeten von Parteien wie der AfD – diese schreibt in ihrem Wahlprogramm, sie lehne die Umsetzung des DSA in Deutschland ab und werde nationale Gesetze, durch die Plattformen illegale Inhalte löschen müssen, rückabwickeln. Und Großbritannien? Gehört nicht zur EU, bringt aber gerade einen ähnlichen „Online Safety Act“ auf den Weg. Die Politik von Donald Trump, Nigel Farage oder der AfD öffnet ihnen diese Tür.

Neuer Rekord bei rechtsextremen Straftaten: Nachdem bereits 2023 ein Höchststand seit Einführung der Erfassung (2001) erreicht war, ist die Zahl der Delikte noch einmal sprunghaft gewachsen. Im Schnitt kommt es demnach pro Tag zu 113 Straftaten, darunter vier Gewalttaten.
taz.de
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Robin Albers, Till Eckert und Sebastian Haupt.
CORRECTIV ist spendenfinanziert
CORRECTIV ist das erste spendenfinanzierte Medium in Deutschland. Als vielfach ausgezeichnete Redaktion stehen wir für investigativen Journalismus. Wir lösen öffentliche Debatten aus, arbeiten mit Bürgerinnen und Bürgern an unseren Recherchen und fördern die Gesellschaft mit unseren Bildungsprogrammen.