Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters
Autor Bild Justus von Daniels

In dieser Woche ging es im Bundestag darum, wie Ausschüsse reguliert sein müssen, die keinen Vorsitzenden haben, weil die AfD-Kandidaten abgelehnt wurden. Schon länger geht es auch um Fragen, mit welchen Tricks die Gewaltenteilung ausgehebelt werden könnte und wie das zu verhindern ist. 

Exekutiver Ungehorsam“: Haben Sie diesen Ausdruck schon mal gehört? Ich bis vor ein paar Wochen jedenfalls nicht (und dass, obwohl ich viele Jahre Jura studiert habe). Wir mussten ihn auch nicht kennen, denn bisher konnten wir davon ausgehen, dass Behörden tun, was sie tun müssen. Was aber, wenn eine Regierung oder Beamte eine Gerichtsentscheidung plötzlich nicht mehr befolgen und eine eigene politische Agenda durchsetzen wollen? Die Gerichte können noch so oft ihren Hammer schwingen, aber sie können eine Behörde nicht zwingen.

In den USA ist zu beobachten, wie Trump teilweise erfolgreich Gerichte degradiert und den Staat für seine Zwecke instrumentalisiert. In Deutschland gab es auch schon solche Fälle, und zwar aus verschiedenen politischen Motiven (hierzu ein spannender Deutschlandfunk-Beitrag). Das allein sollte alarmierend sein.

Es ist Zeit zu diskutieren, was es braucht, damit Gerichtsurteile auch in Zukunft befolgt werden und damit demokratische Institutionen nicht von innen lahmgelegt werden. Erst neulich wurde das Bundesverfassungsgericht im Grundgesetz verankert, damit es nicht missbraucht werden kann, wie in Ungarn.

Ganz praktisch betrifft das aber auch unser tägliches Leben: Vereine, ehrenamtliche Organisationen, die Feuerwehr. Wie sollen sie umgehen mit Mitgliedern, die in einer Partei sind, die als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft wird und die versuchen, einen ganz neuen Ton zu etablieren? Wie auf Mitglieder reagieren, die beim gemütlichen Vereinsabend auf einmal mit menschenfeindlichen Sprüchen auffallen? Sind das Ausfälle oder ein Grund zum Rauswurf? Was wollen wir aushalten, wo müssen Grenzen gelten? 

Haben Sie dazu Erfahrungen in Ihrem Verein und wenn ja, wie gehen Sie damit um? Schreiben Sie mir, wir wollen diese Debatte führen. Gerade, weil sie so sehr in unseren Alltag hineinragt.

Ein Mini-Beispiel, das die Politik mit dem Vereinsleben verbindet: Neulich wollte die Fußballmannschaft des Bundestages, der FC Bundestag, ausschließen, dass AfD-Abgeordnete Teil der Mannschaft sein können. Ein Gericht hat das nun abgelehnt, die Satzung des Vereins dazu müsse klarer sein. Auch da: viele offene Fragen, denen wir uns als Gesellschaft – konkreter als vielleicht vor ein paar Jahren gedacht – stellen müssen.

Ihnen wünsche ich ein erholsames Wochenende, auch mit unseren Empfehlungen der Woche! 

Herzlich,

Ihr 

Trump gegen Harvard
Das US-Ministerium für Heimatschutz hat der Universität Harvard untersagt, internationale Studierende aufzunehmen (dazu auch unsere Werkbank im letzten Spotlight). Die Eliteuniversität hatte seit Trumps Wiederwahl seine Äußerungen und Pläne mehrfach öffentlich kritisiert. Johanna Roth von der Zeit beleuchtet in ihrem Artikel die Folgen dieses Schritts der US-Regierung.
Im Würgegriff (zeit.de, €)

Der Ursprung des Döner-Logos
Wer hat das legendäre Döner-Logo gezeichnet? Es ist eine ikonische Grafik: der Mann mit Schnurrbart, Kochmütze am Spieß in roter Farbe. Podcast-Host Aylin Doğan geht auf Spurensuche. In sechs Folgen trifft sie Größen der Dönerbranche, Sammler, Grafiknerds und stößt auf bewegte Geschichten aus der Gastarbeiterzeit. Dabei stellt sich eine Frage: Wer steckt wirklich hinter dem bekanntesten Gesicht der deutschen Imbisslandschaft?
OBSESSED – Döner Papers (ardaudiothek.de, Audio)

Studie: Welche Regionen würden unter Trumps Zöllen leiden?
Eine neue Studie, geleitet vom Wiener Wirtschaftsprofessor Gabriel Felbermayr, untersucht, wie Donald Trumps geplante Zollpolitik die deutsche Wirtschaft regional beeinflussen könnte. Besonders hart träfe es exportstarke Städte wie Hamburg und Köln, die mit deutlichen Einbußen rechnen müssten. Die Analyse zeigt, wie protektionistische Maßnahmen nicht nur nationale, sondern auch lokale Ökonomien belasten können.
So schaden Trumps Zölle Ihrer Region (spiegel.de, €)

Ungarn geht gegen die freie Presse vor
Ein Gesetzentwurf der ungarischen Regierungspartei Fidesz gefährdet unabhängige Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen. Unter dem Deckmantel der Transparenz will die Regierung künftig alle Gruppen überwachen und öffentlich anprangern, die Gelder aus dem Ausland – auch aus der EU – erhalten. Dafür soll ein eigens geschaffenes „Amt zum Schutz der Souveränität“ zuständig sein. Kritiker warnen: Ungarn nähert sich russischen Verhältnissen. Mehrere europäische Redaktionen protestieren dagegen in einem gemeinsamen Aufruf – darunter auch wir.
Ungarn geht gegen die freie Presse vor – die EU muss jetzt handeln (falter.at)

Marsalek auch China-Agent?
Der frühere Wirecard-Vorstand Marsalek soll offenbar Geschäfte mit weiteren Staaten eingefädelt haben. Chat-Auswertungen legen nahe, dass er über einen Mittelsmann China angeboten hat, Uiguren in München auszuspionieren.
Jan Marsalek, Agent für Russland – und für China? (tagesschau.de)


Vor zwei Wochen fragten wir Sie hier, was Sie sich vom Lokaljournalismus Ihrer Region wünschen. Über 250 Antworten erreichten uns. Etwa die Hälfte von Ihnen hat ein Abo bei einem Lokalmedium. Die meisten sind mit dem Angebot zufrieden oder finden es zumindest in Ordnung. Wir haben auch gefragt, welche Themen Sie lesen wollen.

Zunächst, was Sie nicht wollen: Überregionale Nachrichten, die Sie überall lesen können. Ein Leser bringt das Lokale auf Punkt: Er möchte am nächsten Tag wissen, was passiert ist, wenn die Freiwillige Feuerwehr im Ort ausrückt. Doch auch bei lokalen Themen erwarten Sie Hintergründe und gründliche Recherchen. „Lieber weniger Artikel, aber die gut recherchiert“, schreibt ein Leser. Dass das möglich ist, zeigen Redaktionen wie die der Nürnberger Nachrichten, des Mindener Tageblatts oder der Augsburger Allgemeine. Aber ist der klassische Artikel dafür noch das richtige Format?

Viele von Ihnen wünschen sich, dass Lokalmedien ihre Inhalte in neue Formate bringen. Texte gibt es online überall. Auch auf Social Media erreichen Lokalmedien viele Menschen – doch ob das mit den wirtschaftlichen Interessen der Lokalzeitungen vereinbar ist, hinterfragt ein Leser. Im letzten Newsletter skizzierte mein Kollege Justus von Daniels ein Austauschformat, das auf Ihren Antworten basiert. Ein Wunsch sticht dabei hervor: mehr Dialog. Sie möchten den Austausch – mit Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und mit anderen Lesern. Der Lokaljournalismus der Zukunft könnte so Themen intensiver und lebendiger behandeln.

Ein roter Bagger steht auf einem abgeholzten Waldstück. Daneben eine Bilanzkurzve, die steil nach oben geht und im Hintergund intakte Bäume.

Genfer Pensionskasse: Lücken in ambitionierter Klimastrategie
Die Genfer Pensionskasse investiert Millionen in grosse Kohleunternehmen und Amazonas-Abholzer. Trotzdem geht sie in ihrer Klimastrategie weiter als viele. Dazu geführt haben nicht Anreize und Freiwilligkeit, wie es Behörden und Finanzindustrie propagieren, sondern klare Gesetze.
correctiv.org

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Finn Schöneck.