Liebe Leserinnen und Leser,
wir starten heute ein umfangreiches Rechercheprojekt, das jeden Menschen im Land betrifft. Es geht darum: Wie stark wird demnächst der Immobilienbesitz besteuert? Wir recherchieren dazu gemeinsam mit der Redaktion Finanztip und mit Lokalredaktionen aus dem ganzen Land – und wir brauchen Ihre Mitwirkung. Mehr dazu im Thema des Tages und unserer heutigen Grafik.
Außerdem im Spotlight: In einer heute veröffentlichten Story erzählen wir die Geschichte eines AfD-Politikers, der sogar für seine eigene Partei zu russlandnah ist. Und in der „Leserfrage der Woche“ beantwortet unsere Klimareporterin Annika Joeres: Stimmt es, dass Deutschland dafür bezahlen muss, wenn andere Länder unseren überschüssigen Strom aus nachhaltigen Energiequellen abnehmen?
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende! Schreiben Sie mir gern, was Sie gerade besonders umtreibt: anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: Wird das Wohnen noch teurer?
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Grafik des Tages: Wann Sie mit den Grundsteuerbescheiden rechnen können
Ab dem kommenden Jahr gelten deutschlandweit neue Regeln dafür, wie viel Steuern Besitzer von Grundstücken und Immobilien zahlen müssen. Grund: Schon 2018 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das derzeitige System verfassungswidrig sei – genauer erklärt hier beim Bundesfinanzministerium.
Seither wurde an einer Reform der sogenannten Grundsteuer gewerkelt, jetzt werden die Auswirkungen spürbar. Sie betreffen alle Menschen im Land: Erst bekommen jetzt nach und nach alle, die Immobilien besitzen, ihre neuen Grundsteuerbescheide. Später wird dann für alle Mieter sichtbar, ob sie deshalb deutlich mehr zahlen müssen – denn die Steuer darf (und wird) auf die Mieter umgelegt werden.
Deshalb gehen wir bei CORRECTIV fest davon aus, dass die abstrakt klingende Grundsteuer-Reform ein enorm wichtiges Thema im Bundestagswahlkampf sein wird.
Wir brauchen nun Ihre Unterstützung, um dazu umfassend recherchieren zu können.
Was wir mit Ihrer Hilfe tun wollen:
Mein Kollege Sebastian Haupt hat in den vergangenen Wochen ein Umfrage-Tool gebaut – unterstützt von den Experten der Redaktion Finanztip, die gemeinsam mit uns recherchieren, und vom Immobilienbesitzerverband Haus und Grund.
Jetzt wollen wir in diesem Crowd Newsroom Ihre Eingaben sammeln: Wenn Sie Immobilienbesitzerin oder -besitzer sind, teilen Sie uns mit, ob sich Ihre Grundsteuer erhöht oder gesenkt hat – laut dem Bescheid, den Sie vielleicht schon bekommen haben oder den Sie in den nächsten Wochen erhalten. Wann Sie in den größeren Städten mit diesem Bescheid rechnen können, sehen Sie in der Grafik des Tages.
Warum machen wir das?
Wir wollen ein Bild von ganz Deutschland bekommen. Im ersten Schritt wollen wir herausfinden, welche Städte und Gemeinden ihre Steuersätze für die Immobilien (die sogenannten Hebesätze) wie verändert haben – nutzen einige die Reform, um stärker hinzulangen? Darüber nämlich gibt es bisher zwar einige Hinweise, aber noch keine festen Belege.
Wenn Sie uns helfen, diese Datenerhebung weiterzuverteilen und Immobilienbesitzer aus dem ganzen Land zur Teilnahme zu bewegen, können wir uns gemeinsam ein möglichst vollständiges Bild verschaffen.
Was soll herauskommen?
Wir hoffen, auf diese Weise eine Reihe wichtiger Fragen beantworten zu können: Wo steigen die Steuern, wo sinken sie? Welche Kommunen verdienen kräftig an der Reform? Später dann, wenn dies sichtbar wird: Wo müssen Mieter mehr bezahlen? Und bei Gewerbeimmobilien: Führt die Reform dazu, dass noch mehr Geschäfte in Innenstädten schließen müssen, weil es zu teuer wird?
Was tun bei Problemen mit der Grundsteuer?
Wenn Sie eine Immobilie besitzen und verwirrt sind, was es mit den neuen Bescheiden auf sich hat und wie man sie prüfen kann: Unser Recherchepartner Finanztip gibt hier konkrete Hilfe.
Pistori-raus
Verteidigungsminister Boris Pistorius schließt eine Kanzlerkandidatur aus und unterstützt Olaf Scholz. Dabei lobt er dessen Ukraine-Politik.
t-online.de
Aktuelle Umfrage zur Bundestagswahl
Die Union liegt vorne, die Grünen holen auf. Die FDP könnte an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.
dawum.de
Nahost
Die israelische Armee hat im Gazastreifen zwei hochrangige Hamas-Kommandeure getötet. Bei dem Einsatz kamen laut Palästinenserangaben auch zahlreiche Zivilisten ums Leben.
tagesschau.de
Krankenhausreform passiert Bundesrat
Die umstrittene Krankenhausreform wurde im Bundesrat beschlossen. Sie soll finanzielle Entlastung bringen und spezialisierte Behandlungen fördern. Alles Wichtige zur Debatte haben wir gestern im Thema des Tages aufgeschrieben.
morgenpost.de
Investigativ
Der AfD-Mann Eugen Schmidt ist selbst seiner eigenen Partei zu russlandnah. Bis 2021 besaß er unseren Nachforschungen zufolge sogar einen russischen Pass, mit dem er mehrmals in die besetzte Krim einreiste. Eine CORRECTIV-Recherche:
correctiv.org
Leserfrage der Woche
Leserin Petra N. hat uns gefragt:
Stimmt es, dass Deutschland Geld dafür bezahlt, damit andere Länder den überschüssigen Strom aus den nachhaltigen Energiequellen Wind und Solar abnehmen?
Die Antwort ist: nein. Der Handel mit Strom funktioniert grundsätzlich nur über den Preis.
Alle europäischen Länder sind über den europäischen Stromhandel miteinander verbunden: Stromversorger kaufen an der Europäischen Strombörse (EEX) ihre Energie bei den Produzenten ein. Wichtig ist: Das günstigste Angebot wird als erstes eingekauft. Das kann, je nach Wetter und Angebotslage, mal Windkraft aus Dänemark, mal Atomkraft aus Frankreich und mal Solarstrom aus Deutschland sein.
Zunehmend sind Erneuerbare Energien die günstigste Quelle. Das Fraunhofer Institut belegt diesen wilden Handel auf seinen Energy-Charts. Ein Kreisdiagramm zum schwindelig werden. Aber es zeigt, wie sehr der Strom hin -und hergedealt wird, zu jeder Zeit, und zwischen allen EU-Ländern und Energieformen.
Deswegen fällt die Bilanz auch jedes Jahr anders aus: 2023 hat Deutschland fast keinen Strom zugekauft, im ersten Halbjahr 2024 waren es wenige Prozent. Der eingekaufte Strom kam interessanterweise vor allem von Wind- und Solarkraft aus Skandinavien. Deutscher Braun-und Steinkohlestrom hingegen ist auf der EEX meist sehr viel teurer als die nachhaltigen Quellen.
Dass sich in vielen politischen und Online-Diskussionen hartnäckig das Vorurteil hält, Deutschland müsse ständig französischen Atomstrom nutzen, hat einen Grund: Das statistische Bundesamt und auch statista.de legen in ihren Graphen eine falsche Lesart nahe. Diese zeigen häufig Stromflüsse, also den Transport, der von Frankreich über Deutschland in andere Länder führen kann – nicht aber den tatsächlichen Stromeinkauf. Beispielsweise fließt der französische Strom durch deutsche Leitungen, wird aber über die Schweiz nach Italien geführt.
Der Irrtum ist so grundlegend, als würde französischer Champagner über deutsche Straßen nach Italien transportiert und in dortigen Ristoranti getrunken – und dann dem deutschen Alkoholkonsum zugerechnet.
Weshalb hat Friedrich Merz gegen einen Gesetzentwurf gestimmt, der die Vergewaltigung in der Ehe strafbar machte? Ein Blick in die Drucksachen des Bundestags zeigt, dass es ihm 1997 offenbar nicht um die Strafbarkeit an sich ging – sondern um eine Widerspruchsklausel, die die CDU/CSU und FDP damals im Gesetz haben wollten.
CORRECTIV.Faktencheck
Endlich verständlich
Wie geht es Musliminnen und Muslimen in Deutschland? Mit dieser Frage setzt sich Politologin Saba-Nur Cheema in ihrer täglichen Arbeit auseinander. Im Gespräch mit unserer Jugendredaktion Salon5 erklärt sie, warum eine Schulbuchreform notwendig ist, um antimuslimische Vorurteile abzubauen.
Salon5 (Podcast)
So geht’s auch
KI ersetzt jetzt auch die Oma – jedenfalls für Telefon-Betrüger. Die KI-Stimme einer alten Dame stellt unzählige Nachfragen, um die Betrüger im Gespräch zu halten.
derstandard.at
Fundstück
Der Winter bricht in Deutschland ein. Der Bayerische Rundfunk blickt zurück auf den Wintereinbruch in den 60er Jahren.
youtube.com (BR)
„Krisenmodus“ – so hat Heiko Klare vom Bundesverband Mobile Beratung die Lage der 50 Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus mir gegenüber beschrieben. Zusammen mit CORRECTIV.Lokal recherchiere ich gerade zum Startchancen-Programm, einer 20 Milliarden Euro schweren Bildungsoffensive von Bund und Ländern, die rund 4000 benachteiligte Schulen in ganz Deutschland unter die Arme greifen soll. Auch die Demokratieförderung ist ein Ziel der Förderung. Wofür auch die Beratungsstellen eine Rolle spielen würden. Allerdings stehen die vor Problemen.
Denn Klare hat mir erklärt, dass die Beratungsstellen sich hauptsächlich über das Bundesprogramm „Demokratie leben“ finanzieren. Die Förderung muss jedes Jahr neu beantragt und im Bundeshaushalt beschlossen werden. Nachdem die Ampel-Koalition gescheitert ist, wird wohl ab 2025 die vorläufige Haushaltsführung greifen. Dann darf der Staat Gelder nur für das Nötigste ausgeben. Die Zukunft des Programms ab Januar ist daher ungewiss. Viele Beratungsstellen hätten deshalb ihren Mitarbeitenden sogar schon vorsorglich gekündigt, so Klare.
Normalerweise überbrücken lokale Träger solche Phasen, um Arbeits- und Mietverträge zu sichern. Sie können das jedoch nicht mehr leisten, weil auch vielen Städten und Gemeinden die Mittel fehlen. Finanziell sei es bei den Kommunen „so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr“, sagt Uwe Zimmermann, stellvertretender Geschäftsführer vom Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB). Über zwei Drittel könnten ihre Haushalte nicht ausgleichen. Viele Städte gehen daher zukünftig auf Sparkurs: Unter anderem will Köln Mittel für soziale Einrichtungen kürzen und Dresden Gelder für Schulsozialarbeit. Bund und Länder sollen die Kommunen mehr unterstützen, fordert der DStGB. Etwa mit einem höheren Anteil der Steuereinnahmen – dies ist durch die aktuelle politische Situation allerdings eher unwahrscheinlich.
Den Beratungsstellen wurde zumindest eine Weiterfinanzierung über die vorläufige Haushaltsführung in Aussicht gestellt. Doch das ist nur eine Lösung bis zur Bundestagswahl, warnt Heiko Klare vom Bundesverband Mobile Beratung. Eine neue Bundesregierung könnte die Förderung komplett streichen.
Sie fragen sich, wo Ihr Grundsteuerbescheid bleibt? So geht es den meisten. Denn obwohl die Reform bereits im neuen Jahr in Kraft tritt, haben die allermeisten Kommunen noch keine Bescheide verschickt, in denen steht, wie viel Immobilienbesitzer ab dem nächsten Jahr zahlen müssen. Unser Recherchepartner Finanztip hat bei größeren Städten nachgefragt, wann sie die Bescheide versenden wollen. Das Ergebnis sehen Sie in der Grafik des Tages.
finanztip.de
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Sebastian Haupt, Elena Schipfer und Finn Schöneck.
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