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Liebe Leserinnen und Leser,
wenn Sie Söhne im Teenager-Alter haben, dann lag bei Ihnen – wie bei mir – vor ein paar Wochen vermutlich eine Postkarte im Briefkasten. Darauf gedruckt: Ihr Nachname auf Tarnfleck-Muster – ganz so, als wäre Ihr Sprössling jetzt schon Soldat bei der Bundeswehr.
Das Bundesverteidigungsministerium hatte die Postkarten damals verschickt, um abzufragen: Wie viele junge Männer im Land melden sich zurück? Wie viele haben Interesse, Berufssoldat zu werden? Wir berichteten darüber in unserer „Leserfrage der Woche“ – hier im SPOTLIGHT-Archiv nachzulesen. Wie viele sich zurückgemeldet haben, konnte uns das Verteidigungsministerium nicht sagen.
Jetzt hat Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) seine Pläne für den neuen Wehrdienst vorgestellt. Und darin sieht es nicht mehr ganz so nach Freiwilligkeit aus. Mehr dazu im Thema des Tages.
Wir wollen auch von Ihnen wissen, was Sie von den Plänen halten: Sind Sie dafür, dass Ihr Kind im Ernstfall das Land verteidigt – und dafür, dass es jetzt schon für einen solchen Ernstfall ausgebildet wird? Diskutieren Sie am Abendbrottisch darüber? Machen Sie bei unserer Umfrage mit – per Klick hier oder aufs Bild:

Passend dazu lesen Sie in der heutigen „Werkbank“ eine Analyse unseres Rüstungsreporters Till Eckert: Warum das mit dem deutschen Atomschutzschirm gar nicht so leicht ist, wie sich das manch ein CDU-Fraktionschef vorstellen mag.
Thema des Tages: Wird der Wehrdienst doch zur Pflicht?
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
CORRECTIV-Werkbank: Die Debatte um den deutschen Atomschutzschirm ist eine Nebelkerze
Als erstes berichtete gestern Abend der Spiegel über Pistorius’ neuen Gesetzentwurf. Darin steht unter anderem dies:
- Ab 2027 soll es wieder eine verpflichtende Musterung geben.
- Unter bestimmten Voraussetzungen soll es künftig wieder möglich sein, Wehrpflichtige einzuberufen.

Welche Voraussetzungen sind das?
Laut Gesetzentwurf soll künftig zwangsrekrutiert werden, wenn ein „kurzfristiger Aufwuchs der Streitkräfte zwingend erfordert wird, der auf freiwilliger Grundlage nicht erreichbar ist“.
In Nicht-Behördensprache heißt das: Wenn sich nicht genügend freiwillige Berufssoldaten und Wehrpflichtige melden, dann gibt es demnächst wieder unfreiwillige Einberufungen.
Was bedeutet denn „zwingend erfordert“?
Genau das ist der Knackpunkt. Bisher nämlich gilt bei uns per Gesetz: Es darf nur dann verpflichtende Einberufungen geben, wenn der Spannungs- oder Verteidigungsfall ausgerufen wird. Was das bedeutet, können Sie hier nachlesen.
Kurz zusammengefasst: Spannungsfall bedeutet, dass wir von außerhalb des Landes so bedroht werden, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem bewaffneten Angriff auf unser Land kommt.
Künftig ist ein solcher Spannungsfall aber dem Gesetzentwurf zufolge gar nicht mehr nötig, um junge Menschen einzuziehen. Sondern die Politiker entscheiden. Auf welchen Grundlagen genau, ist noch nicht klar.
Wie wahrscheinlich ist es, dass es zu den verpflichtenden Einberufungen kommt?
Schon länger ist bekannt, dass die Bundeswehr personell erheblich aufgestockt werden soll. Derzeit gibt es rund 181.000 Soldatinnen und Soldaten, es sollen aber 203.000 werden. Laut Pistorius würden eigentlich 60.000 neue Leute mehr gebraucht – aber die rund 20.000 sind nun erst einmal das offizielle Ziel.
Wir haben heute das Bundesverteidigungsministerium gefragt, wie es mit dem Aufbau läuft. Genauer gesagt wollten wir wissen, wie viele junge Leute sich – insbesondere nach der Postkarten-Aktion im Mai – bislang zurückgemeldet haben. Und ob diese Zahl ausreicht, um eine allgemeine Wehrpflicht zu vermeiden.
Die Antwort: Die Postkartenaktion habe mit der Wehrpflicht gar nichts zu tun. Ach so? Das Ministerium führt weiter aus: Es habe sich einfach um eine gewöhnliche „Maßnahme unserer Arbeitgebermarke Bundeswehr zur Nachwuchsgewinnung“ gehandelt. Wie viele sich zurückgemeldet haben, beantwortet das Ministerium weiterhin nicht.
Und für wen soll das gelten?
Wir haben das Haus von Pistorius auch gefragt, wer bei der geplanten verpflichtenden Musterung drankommt: nur junge Männer – oder auch Frauen? Die Antwort war auch hier ausweichend.
„Wir kommentieren Debatten im politisch-parlamentarischen Raum sowie externe Berichterstattung grundsätzlich nicht.“
Eine Sprecherin
Bundesverteidigungsministerium
Unsere Frage nach den Frauen wurde komplett ignoriert. Die genauen Details zum neuen Gesetz, schreibt die Sprecherin weiter, werde man erst nach der ersten Lesung im Bundestag bekanntgeben.
Warum braucht es den neuen Wehrdienst überhaupt?
Die Bedrohungslage insbesondere aus Russland ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Darauf reagiert die Bundesregierung – auch mit dem riesigen Schulden-Etat, den sie gleich zu Beginn ihrer Amtszeit durch den Bundestag gebracht hat.
Wir von CORRECTIV berichten kontinuierlich über die verschiedenen Facetten dieser steigenden Bedrohungslage. Zum Beispiel zuletzt:
- Russland macht wirtschaftlichen Druck auf Deutschland – über seine staatlichen Energiekonzerne.
- Bei einem großflächigen Militärmanöver im September plant Putin offenbar, in Belarus Raketen gegen Europa in Stellung zu bringen.
- Mit getarnten Kampagnen im Internet versucht Putins Regime immer wieder, Meinungen in Europa zu manipulieren. Auch das ist Teil der sogenannten „hybriden Kriegsführung“. Unser Faktencheck-Team trägt dazu unermüdlich die wichtigsten Infos zusammen.
Wie geht es mit dem Gesetzentwurf weiter?
Ende August soll der Bundestag darüber abstimmen. Wenn das passiert, soll er zum Jahreswechsel in Kraft treten.
Derweil bringen sich schon jetzt in Sozialen Netzwerken Organisationen in Stellung, die zu Kriegsdienstverweigerung beraten – zum Beispiel die Deutsche Friedensgesellschaft.
Was halten Sie davon?
Stimmen Sie ab: Sind Sie selbst Eltern oder Großeltern von jungen Männern (oder auch Frauen), die von einer neuen Wehrpflicht betroffen sein könnten? Und wenn ja: Finden Sie es vernünftig, wenn die jungen Leute an der Waffe ausgebildet werden? Würden Sie Ihr Kind im Verteidigungsfall das Land verteidigen lassen?

Auch unsere Jugendredaktion Salon5 recherchiert zum Thema. Sie hat heute eine Umfrage unter Jugendlichen gestartet, wie diese dazu stehen, das Land im Ernstfall zu verteidigen. Wir halten Sie auf dem Laufenden.
Gestern hat übrigens auch das Magazin Katapult eine Umfrage unter verschiedenen Altersgruppen veröffentlicht. Ergebnis: Jene, die es betrifft, sind deutlich häufiger dagegen als die älteren.
Neue Kommission soll Milliardenloch in der Pflegeversicherung schließen
Die Pflegekosten in Deutschland steigen weiter. Das Kernproblem besteht darin, dass die Zahl der pflegebedürftigen Menschen zunimmt. Daher droht ein Milliardenloch in der Finanzierung. Um das Problem zu lösen, tagte gestern zum ersten Mal eine neue Arbeitsgruppe von Bund und Ländern. Bereits zum Ende des Jahres soll die Kommission Reformvorschläge unterbreiten.
deutschlandfunk.de
Auch wir von CORRECTIV berichten regelmäßig über Reformbedarf im Pflegesystem, zuletzt unter anderem dazu, dass tausende zugewanderte Fachkräfte nicht ihrer Qualifikation entsprechend arbeiten dürfen.
correctiv.org
Treffen in Washington: Umstrittene Umsiedlungspläne für Palästinenser und Nobelpreisvorschlag für Trump
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist derzeit in Washington zu Gast. Er traf US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus und sprach mit ihm auch über einen umstrittenen Plan zur Umsiedlung von Palästinenserinnen und Palästinensern. Zudem verkündete Netanjahu, dass er Donald Trump für den Friedensnobelpreis vorschlagen wolle.
rp-online.de
Lokal: Feuer auf Vereinsgelände eines Demokratievereins in Meißen
Auf dem Gelände des Vereins „Buntes Meißen“ (Sachsen) hat es in der Nacht gebrannt. An einer Laterne und auf einem Plakat in der Nähe wurden zudem volksverhetzende Parolen entdeckt. Die Polizei ermittelt gegen einen Mann und prüft einen möglichen Zusammenhang.
mdr.de
Recherche: Wikipedia weiß immer weniger
Rund 1.000 zufällig ausgewählte Artikel hat ein Team der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz auf Fehler untersucht. Ihr Fazit: Jeder dritte Artikel habe ein Problem, dort seien Angaben veraltet oder falsch. Als mögliche Ursache nennt die FAS die wachsende Zahl an Artikeln, während die Zahl der Autorinnen und Autoren auf der Plattform weitgehend stagniert. Interessante Folge der Recherche: Wikipedia nahm sich viele Artikel unmittelbar vor, um sie zu korrigieren.
faz.net (€) / netzpolitik.org

CORRECTIV.Faktenforum

Ein Video soll zeigen, wie Kreuzfahrtschiffe ihren Müll direkt ins Wasser kippen. Ein Beleg für Umweltverstöße ist das nicht, das Video ist KI-generiert. Illegale Abfallentsorgung auf See gab es in der Vergangenheit dennoch.
faktenforum.org
Endlich verständlich
Die globale Ozeanzirkulation ist für das Klima auf der Erde ausschlaggebend. Die Strömungen transportieren Wärme von der Oberfläche in die Tiefe, an anderer Stelle tritt kaltes, nährstoffreiches Tiefenwasser wieder an die Oberfläche. Eine neue Auswertung hat jedoch ergeben, dass die Umwälzströme im südlichen Ozean gestört sein könnten – womöglich mit gravierenden Folgen für unser Klima.
bluewin.ch / icm.csic.es (Studie)
So geht’s auch
Wie bleibt man mental fit im Alter? Laut einer Studie der Universität Genf helfen Hunde und Katzen dabei, die kognitive Leistungsfähigkeit zu erhalten.
watson.de
Fundstück
Vor wenigen Tagen starb der Vize-Chef des russischen Ölkonzerns Transneft nach einem Sturz aus dem Fenster. Es ist nicht der erste Fall dieser Art. Seitdem Russland in die Ukraine einmarschiert ist, kamen viele Top-Manager des Landes auf ähnliche Weise zu Tode – vor allem aus der Energiebranche. Das oppositionelle russische Medium Meduza hat die wichtigsten Fälle gesammelt. Übrigens: Auch in der Russischen Botschaft in Berlin kam es 2003 und 2021 zu ähnlichen Fällen.
meduza.io / wikipedia.org
Ich beschäftige mich derzeit schwerpunktmäßig mit Verteidigungsfragen. Seit Monaten ärgert mich dabei, wie verkürzt die Debatte um mögliche deutsche oder europäische Atomwaffen geführt wird. So ist eine deutsche Beteiligung an einer Entwicklung, wie vom CDU-Fraktionschef Jens Spahn kürzlich skandiert, aktuell quasi nicht möglich.
Kurzes Gedankenspiel zu einer deutschen Bombe: Die zivile nukleare Infrastruktur, um das nötige Uran anzureichern, fehlt hierzulande (die wurde ja abgebaut). Unter idealen Bedingungen und ohne langwierige Genehmigungsverfahren könnte man in militärischen Kleinstreaktoren Uran brüten und in einigen Jahren eine Bombe gebaut haben. Doch selbst dann stellt sich die Frage, wie man diese testen will: Flächen für Bombenabwürfe in Europa gibt es nicht. Und Erfahrung mit weitreichenden Raketen müsste sich Deutschland erst wieder erarbeiten.
Bleibt noch der wohl wichtigste Knackpunkt: Deutschland würde international gleich mehrfach vertragsbrüchig, würde es an einem Atomwaffenbau mitwirken. Der Nichtverbreitungsvertrag (NVV) verbietet die Entwicklung von Atomwaffen. Im „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ hat sich Deutschland verpflichtet, keine Atomwaffen zu bauen. Möglicherweise würde das auch gegen das Grundgesetz verstoßen, welches eine Angriffsvorbereitung verbietet. Weiter ist das Risiko hoch, aus der NATO geschmissen zu werden, oder einen regelrechten Atombomben-Baurausch auszulösen: Warum sollten dann andere Länder wie etwa die BRICS-Staaten auf Nuklearwaffen verzichten?
Und letztlich: Warum sollte ein Wladimir Putin abwarten, bis Deutschland fertig ist mit einer eigenen nuklearen Aufrüstung?
Sie sehen: Alles nicht so einfach hinter den markigen Atombomben-Sprüchen. Richtig ist, dass die Bedrohung aus Russland real ist und die USA als wichtigster NATO-Partner derzeit unberechenbar sind. Einige fragen sich, ob die USA im Verteidigungsfall einem Einsatz von Atomwaffen zustimmen würden, die derzeit auf deutschem Boden in Büchel liegen. Aber jegliche Schritte raus aus dieser Abhängigkeit müssten sehr bedacht durchgeführt werden.
Der Experte Fabian Hoffmann bringt in diesem lesenswerten Interview mit dem BR eine Alternative ins Spiel. Er sagt, man könne Russland im Falle eines nuklearen Angriffs drohen, „konventionell zu reagieren“ – mit „Hunderten oder Tausenden Langstreckenwaffen“ auf militärische, womöglich auch zivile Ziele und Infrastruktur. So lasse sich auch auf konventioneller Ebene abschrecken.

Mehr Kohle für Kohle: Die Deutsche Bank ist weiterhin stark im fossilen Sektor aktiv – und einer der größten Kohlegeldgeber in Europa. Laut der Studie „Still Banking On Coal“ mehrerer Nichtregierungsorganisationen investierte die Bank zwischen 2022 und 2024 mehr als zwei Milliarden US-Dollar in Kohleprojekte. Auf Platz zwei und drei der europäischen Geldhäuser folgen die Schweizer UBS ($ 1,3 Mrd.) und die Commerzbank ($ 821 Mio.).
Die Deutsche Bank dementiert den Bericht und äußert gegenüber dem Spiegel, sie könne die Zahlen nicht nachvollziehen. Ein Sprecher verwies auf eigene Erhebungen – die allerdings noch höhere Kreditzusagen aufweisen. Für den gesamten Kohlebergbau lagen die Investitionen zwischen 2022 und 2024 demnach bei insgesamt fast vier Milliarden Euro.
spiegel.de
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Samira Joy Frauwallner, Sebastian Haupt.
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