Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters
Autor Bild Anette Dowideit

Liebe Leserinnen und Leser,

am Wochenende war ich in Berlin unterwegs, in Parks und auf öffentlichen Plätzen. Dabei fielen mir zwei Dinge auf: In den Parks lag ziemlich viel Müll – und es gab fast nirgendwo Wasserspender oder auch öffentliche Toiletten.

Klar, die Kommunen müssen sparen. Demnächst dürfte sich dieser Zustand noch einmal verschärfen – denn das „Investitionsprogramm für die Wirtschaft“ wird wohl dazu führen, dass den Städten und Gemeinden Steuereinnahmen wegbrechen. Mehr dazu im Thema des Tages.

Außerdem geht es im SPOTLIGHT heute um den Krieg zwischen Iran und Israel: In der Grafik des Tages zeigt Sebastian Haupt, welche Mächte im Nahen Osten die Verbündeten des Iran sind. Und in der „Werkbank“ schreibt Fatima Karimova über ein Thema, das auf den ersten Blick speziell zu sein scheint, auf den zweiten Blick aber sehr relevant ist: Karimova kommt aus Aserbaidschan und arbeitet erst seit ein paar Wochen bei unserer Sparte CORRECTIV.Exile. Sie erklärt, warum ihr Land – und der Kaukasus insgesamt – eine Schlüsselrolle in diesem Krieg spielen.

Schicken Sie mir heute gern wieder Ihre Vorschläge für die „Leserfrage der Woche“, die wir immer freitags beantworten – eine einfache Frage an eine Behörde, eine Firma oder einen Politiker: anette.dowideit@correctiv.org.

Thema des Tages: Wo sollen denn die Städte noch sparen?

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

CORRECTIV.Faktenforum: Keine neue Steuer für Migration: Virale Beiträge sind falsch

Gute Sache(n): Bürgergeld: So geht es den Leuten wirklich • Was ein Verbot von Plastiktüten bringt • Trumps Vorhersage zur Iran-Attacke

CORRECTIV-Werkbank: Wie Aserbaidschan seine Position im Iran-Israel-Krieg definiert

Grafik des Tages: Nahost: Die Verbündeten des Iran

Zwar sind sich Bund und Länder einig, dass es Steuerentlastungen für Unternehmen brauche, damit diese wieder mehr investieren und sich wieder mehr Firmen aus dem Ausland bei uns ansiedeln. Aber in einem entscheidenden Punkt liegen ihre Positionen weit auseinander.

Worüber streiten Bund und Länder?
Sie sind sich uneinig, wie die Löcher durch die Steuerausfälle gestopft werden sollen, vor allem bei Städten und Gemeinden. Die Vertreterinnen und Vertreter der Bundesländer fordern einen finanziellen Ausgleich vom Bund.

Görlitzer Park in Berlin: zu viel Müll, zu wenig Müllabfuhr. Quelle: picture alliance/dpa | Jörg Carstensen

Um wie viel Geld geht es?
Offenbar um 48 Milliarden Euro innerhalb der nächsten drei Jahre, das zumindest besagen Hochrechnungen. Diese Mindereinnahmen kommen zustande, weil Firmen künftig schneller ihre Anschaffungen (neue Maschinen etc.) abschreiben sollen dürfen. Zudem sollen sie weniger Körperschaftssteuer bezahlen und die Anschaffung von E-Autos als Dienstwagen steuerlich begünstigt bekommen.

Wie stark sind die Kommunen betroffen?
Ihnen werden den offiziellen Schätzungen zufolge von den 48 Milliarden rund 13,5 Milliarden Euro fehlen. Das ist zwar in absoluten Zahlen weniger als das Geld, das Bund und Ländern durch die Lappen geht – aber: Sie stehen eben schon jetzt finanziell deutlich schlechter dar.

Woran liegt das?
Das erklärt unser neuer Reporter Jann-Luca Künßberg, der sich zuvor als Politikredakteur beim Südkurier in Baden-Württemberg ausführlich mit diesem Thema beschäftigt hat. Er sagt:

„Gemeinden haben hauptsächlich zwei eigene Einnahmequellen: die Grund- und die Gewerbesteuer. Durch die Corona-Pandemie bekamen zunächst die steuerstarken Gemeinden Probleme – also die Gemeinden mit viel Gewerbe: Weil die Läden lange schließen mussten, fielen dort verhältnismäßig viele Steuereinnahmen weg, mit denen sie gerechnet hatten. 

Mit etwas Verzögerung schlug dieser Effekt dann auf die steuerschwächeren Gemeinden durch. Die profitieren nämlich von den Umverteilungen des kommunalen Finanzausgleichs. Wenn aber die Steuerkraft gerade der reicheren Kommunen sinkt, landet in diesem Topf weniger Geld, das verteilt werden kann.“
Jann-Luca Künßberg
Redakteur

Was heißt das für die Gemeinden?
Sie müssen jetzt noch mehr sparen als bisher schon: an laufenden Kosten wie der Reinigung von Straßen und Parks, aber auch an Investitionen in Dinge wie neue Kitas, Brücken oder öffentliche Toiletten. 

Marodes Schwimmbäder werden nicht mehr saniert – eine der spürbarsten Auswirkungen der leeren Kassen der Kommunen. Quelle: picture alliance / onw-images | Philipp André

Das geplante Infrastruktur-Sondervermögen (über das wir im SPOTLIGHT schwerpunktmäßig recherchieren) kann hier nur bedingt helfen. Denn es wird wahrscheinlich Jahre dauern, bis Geld in den Kommunen ankommt. Und außerdem läuft gerade noch die Diskussion, ob das Geld aus dem Sondermögen einfach für alles genutzt werden darf, was die Kommunen brauchen – oder ob es nur für „zusätzliche“ Dinge ausgegeben werden darf.

Was sagen die Vertreter der Kommunen?
Wir haben heute den Deutschen Städte- und Gemeindebund und den Deutschen Städtetag gefragt, die zwei Interessenverbände der Kommunen: Was sagen Sie zu den Plänen für das Investitionsprogramm in die Wirtschaft? Deren Antworten:

Gesetz gegen Greenwashing soll gekippt werden 
Die EU-Kommission hat einen Gesetzesvorschlag zum Verbraucherschutz vor „Greenwashing“ zurückgezogen. Eine genaue Begründung dafür gibt es nicht. Das Gesetz sollte Umweltversprechen von Produkten und deren Unternehmen überprüfbarer machen und den Verbraucher vor Falschaussagen schützen. 
taz.de

Berlin: Festnahmen bei propalestinänsischer Demo 
Zunächst verlief die Demonstration friedlich, zwölf- bis fünfzehntausend Menschen sollen an der Demonstration teilgenommen haben. Zum Abend hin soll es dann zu mehreren Gewalttaten gekommen sein. Laut polizeilichen Aufgaben soll es fünfzig  Festnahmen gegeben haben. Später wurde die Demonstration aufgelöst.
suedeutsche.de/morgenpost.de 

Wie viel Energie verbraucht KI ?
Der CEO Sam Altman von Open AI schrieb eine Blogpost darüber, wie viel Energie eine Chat-GPT Abfrage verbraucht. Laut Altman sind es 0,34 Wattstunden Energie. Experten hinterfragen diese Aussage, es habe zu wenig öffentlicher Kontext gegeben. Forschende wollen nun herausfinden, wie viel Emissionen tatsächlich mit unserer KI-Nutzung erzeugt werden. 
wired.com

So geht’s auch
Über 100 Länder verfügen über Gesetze, die zu weniger Plastiktüten führen sollen. Was bringen sie wirklich? Eine US-Studie, die auf Daten von rund 45.000 Strandreinigungsaktionen zurückgreift, zeigt: viel. Werden sie verboten oder zumindest nicht kostenfrei ausgegeben, führt das zu bis zu 47 Prozent weniger Plastiktüten als Müll am Strand. 
science.org / science.org

Fundstück
Vor knapp zwölf Jahren machte Donald Trump eine Vorhersage, die den damaligen US-Präsidenten in ein schlechtes Licht rücken sollte: Barack Obama werde eines Tages den Iran attackieren, um zu zeigen, wie stark er sei. Es kam bekanntlich anders. 
x.com


Obwohl die Regierung keine offene Unterstützung für eine der Seiten zeigt, ist das Land zu einer Evakuierungsbrücke für mehr als 600 ausländische Staatsbürger aus dem Iran geworden. Die Evakuierung über die Landesgrenzen Aserbaidschans kam für die Bevölkerung unerwartet, da die Grenzen des Landes vor fünf Jahren geschlossen wurden. Ursprünglich im Zusammenhang mit präventiven Maßnahmen gegen die Pandemie eingeführt; später wurden sie als „wichtige Maßnahme für die Staatssicherheit“ bezeichnet.

Mit dem Sturz Baschar al-Assads ist einer der wichtigsten Partner des Mullah-Regimes weggebrochen, über dessen Territorium zuvor auch die Hisbollah-Miliz im Libanon versorgt wurde. Die Hisbollah-Miliz selbst ist nach den jüngsten Auseinandersetzungen mit Israel und dem Tod ihres Anführers Hassan Nasrallah ebenfalls extrem geschwächt. Trotzdem fürchten die Menschen vor Ort, dass eine Konfrontation auch den Libanon in den Konflikt hineinziehen könnte. 

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Samira Joy Frauwallner, Sebastian Haupt und Jule Scharun.