
Liebe Leserinnen und Leser,
am Wochenende war ich in Berlin unterwegs, in Parks und auf öffentlichen Plätzen. Dabei fielen mir zwei Dinge auf: In den Parks lag ziemlich viel Müll – und es gab fast nirgendwo Wasserspender oder auch öffentliche Toiletten.
Klar, die Kommunen müssen sparen. Demnächst dürfte sich dieser Zustand noch einmal verschärfen – denn das „Investitionsprogramm für die Wirtschaft“ wird wohl dazu führen, dass den Städten und Gemeinden Steuereinnahmen wegbrechen. Mehr dazu im Thema des Tages.
Außerdem geht es im SPOTLIGHT heute um den Krieg zwischen Iran und Israel: In der Grafik des Tages zeigt Sebastian Haupt, welche Mächte im Nahen Osten die Verbündeten des Iran sind. Und in der „Werkbank“ schreibt Fatima Karimova über ein Thema, das auf den ersten Blick speziell zu sein scheint, auf den zweiten Blick aber sehr relevant ist: Karimova kommt aus Aserbaidschan und arbeitet erst seit ein paar Wochen bei unserer Sparte CORRECTIV.Exile. Sie erklärt, warum ihr Land – und der Kaukasus insgesamt – eine Schlüsselrolle in diesem Krieg spielen.
Schicken Sie mir heute gern wieder Ihre Vorschläge für die „Leserfrage der Woche“, die wir immer freitags beantworten – eine einfache Frage an eine Behörde, eine Firma oder einen Politiker: anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: Wo sollen denn die Städte noch sparen?
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
CORRECTIV.Faktenforum: Keine neue Steuer für Migration: Virale Beiträge sind falsch
CORRECTIV-Werkbank: Wie Aserbaidschan seine Position im Iran-Israel-Krieg definiert
Im Berliner Regierungsviertel wird seit ein paar Tagen hitzig über das geplante Investitionsprogramm für die Wirtschaft diskutiert; heute Abend gehen die Auseinandersetzungen dazu weiter. Am Donnerstag soll dann der Bundestag darüber entscheiden.
Zwar sind sich Bund und Länder einig, dass es Steuerentlastungen für Unternehmen brauche, damit diese wieder mehr investieren und sich wieder mehr Firmen aus dem Ausland bei uns ansiedeln. Aber in einem entscheidenden Punkt liegen ihre Positionen weit auseinander.
Worüber streiten Bund und Länder?
Sie sind sich uneinig, wie die Löcher durch die Steuerausfälle gestopft werden sollen, vor allem bei Städten und Gemeinden. Die Vertreterinnen und Vertreter der Bundesländer fordern einen finanziellen Ausgleich vom Bund.

Um wie viel Geld geht es?
Offenbar um 48 Milliarden Euro innerhalb der nächsten drei Jahre, das zumindest besagen Hochrechnungen. Diese Mindereinnahmen kommen zustande, weil Firmen künftig schneller ihre Anschaffungen (neue Maschinen etc.) abschreiben sollen dürfen. Zudem sollen sie weniger Körperschaftssteuer bezahlen und die Anschaffung von E-Autos als Dienstwagen steuerlich begünstigt bekommen.
Wie stark sind die Kommunen betroffen?
Ihnen werden den offiziellen Schätzungen zufolge von den 48 Milliarden rund 13,5 Milliarden Euro fehlen. Das ist zwar in absoluten Zahlen weniger als das Geld, das Bund und Ländern durch die Lappen geht – aber: Sie stehen eben schon jetzt finanziell deutlich schlechter dar.
Woran liegt das?
Das erklärt unser neuer Reporter Jann-Luca Künßberg, der sich zuvor als Politikredakteur beim Südkurier in Baden-Württemberg ausführlich mit diesem Thema beschäftigt hat. Er sagt:
„Gemeinden haben hauptsächlich zwei eigene Einnahmequellen: die Grund- und die Gewerbesteuer. Durch die Corona-Pandemie bekamen zunächst die steuerstarken Gemeinden Probleme – also die Gemeinden mit viel Gewerbe: Weil die Läden lange schließen mussten, fielen dort verhältnismäßig viele Steuereinnahmen weg, mit denen sie gerechnet hatten.
Mit etwas Verzögerung schlug dieser Effekt dann auf die steuerschwächeren Gemeinden durch. Die profitieren nämlich von den Umverteilungen des kommunalen Finanzausgleichs. Wenn aber die Steuerkraft gerade der reicheren Kommunen sinkt, landet in diesem Topf weniger Geld, das verteilt werden kann.“
Jann-Luca Künßberg
Redakteur
Was heißt das für die Gemeinden?
Sie müssen jetzt noch mehr sparen als bisher schon: an laufenden Kosten wie der Reinigung von Straßen und Parks, aber auch an Investitionen in Dinge wie neue Kitas, Brücken oder öffentliche Toiletten.

Das geplante Infrastruktur-Sondervermögen (über das wir im SPOTLIGHT schwerpunktmäßig recherchieren) kann hier nur bedingt helfen. Denn es wird wahrscheinlich Jahre dauern, bis Geld in den Kommunen ankommt. Und außerdem läuft gerade noch die Diskussion, ob das Geld aus dem Sondermögen einfach für alles genutzt werden darf, was die Kommunen brauchen – oder ob es nur für „zusätzliche“ Dinge ausgegeben werden darf.
Was sagen die Vertreter der Kommunen?
Wir haben heute den Deutschen Städte- und Gemeindebund und den Deutschen Städtetag gefragt, die zwei Interessenverbände der Kommunen: Was sagen Sie zu den Plänen für das Investitionsprogramm in die Wirtschaft? Deren Antworten:
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund verweist auf eine Pressemitteilung, die er heute veröffentlicht hat. Darin fordert er, die Kommunen müssten in Zukunft mehr von den sogenannten Gemeinschaftssteuern abbekommen – dazu gehören zum Beispiel die Lohn- und die Einkommenssteuern.
Und der Präsident des Deutschen Städtetags, Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, sagte uns: Die Kommunen müssten entlastet werden, indem sie in den nächsten drei Jahren (also während des Investitionsprogramms für die Wirtschaft) vorübergehend weniger Gewerbesteuerumlage an die Länder zahlen. Die Kommunen geben nämlich einen Teil dieser Einnahmen an die Länder ab.
Nato-Ausgabeziel steigt auf fünf Prozent des BIP
Rund zweiunddreißig Mitgliedstaaten der Nato haben sich auf ein neues Ziel der Verteidigungsausgaben geeinigt. Bis 2035 sollen fünf Prozent des BIP für Verteidigungsausgaben verwendet werden. Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez lehnt dieses Ziel ab. Auch für zahlreiche andere Nato-Staaten ist dieses Ziel schwer realisierbar.
tagesspiegel.de
Gesetz gegen Greenwashing soll gekippt werden
Die EU-Kommission hat einen Gesetzesvorschlag zum Verbraucherschutz vor „Greenwashing“ zurückgezogen. Eine genaue Begründung dafür gibt es nicht. Das Gesetz sollte Umweltversprechen von Produkten und deren Unternehmen überprüfbarer machen und den Verbraucher vor Falschaussagen schützen.
taz.de
Berlin: Festnahmen bei propalestinänsischer Demo
Zunächst verlief die Demonstration friedlich, zwölf- bis fünfzehntausend Menschen sollen an der Demonstration teilgenommen haben. Zum Abend hin soll es dann zu mehreren Gewalttaten gekommen sein. Laut polizeilichen Aufgaben soll es fünfzig Festnahmen gegeben haben. Später wurde die Demonstration aufgelöst.
suedeutsche.de/morgenpost.de
Wie viel Energie verbraucht KI ?
Der CEO Sam Altman von Open AI schrieb eine Blogpost darüber, wie viel Energie eine Chat-GPT Abfrage verbraucht. Laut Altman sind es 0,34 Wattstunden Energie. Experten hinterfragen diese Aussage, es habe zu wenig öffentlicher Kontext gegeben. Forschende wollen nun herausfinden, wie viel Emissionen tatsächlich mit unserer KI-Nutzung erzeugt werden.
wired.com

CORRECTIV.Faktenforum

In einem Video heißt es, die Bundesregierung plane einen verpflichtenden Gehaltsabzug von bis zu zwei Prozent, um Migration zu finanzieren. Das stimmt nicht.
faktenforum.org
Endlich verständlich
Das Thema Bürgergeld ist ein Politikum – und eignet sich hervorragend für markige Schlagzeilen und emotionale Neiddebatten. Nur selten kommen dabei die Betroffenen selbst zu Wort. Diese Studie vom Verein sanktionsfrei will das ändern und hat gemeinsam mit dem Umfrageinstitut Verian über 1.000 Personen befragt, die auf diese Unterstützung angewiesen sind.
zeit.de
So geht’s auch
Über 100 Länder verfügen über Gesetze, die zu weniger Plastiktüten führen sollen. Was bringen sie wirklich? Eine US-Studie, die auf Daten von rund 45.000 Strandreinigungsaktionen zurückgreift, zeigt: viel. Werden sie verboten oder zumindest nicht kostenfrei ausgegeben, führt das zu bis zu 47 Prozent weniger Plastiktüten als Müll am Strand.
science.org / science.org
Fundstück
Vor knapp zwölf Jahren machte Donald Trump eine Vorhersage, die den damaligen US-Präsidenten in ein schlechtes Licht rücken sollte: Barack Obama werde eines Tages den Iran attackieren, um zu zeigen, wie stark er sei. Es kam bekanntlich anders.
x.com
Nach dem Ausbruch des Krieges zwischen Iran und Israel hat Aserbaidschan eine bemerkenswert neutrale Haltung eingenommen und vermeidet es sorgfältig, offizielle Unterstützung für eine der beiden Seiten zu äußern. Die Regierung verfolgt dieselbe Strategie wie zu Beginn der russischen Invasion in der Ukraine. Iran ist ein Nachbarland, mit dem es gelegentlich diplomatische Spannungen gibt, Israel hingegen gilt als einer der engsten Verbündeten.
Obwohl die Regierung keine offene Unterstützung für eine der Seiten zeigt, ist das Land zu einer Evakuierungsbrücke für mehr als 600 ausländische Staatsbürger aus dem Iran geworden. Die Evakuierung über die Landesgrenzen Aserbaidschans kam für die Bevölkerung unerwartet, da die Grenzen des Landes vor fünf Jahren geschlossen wurden. Ursprünglich im Zusammenhang mit präventiven Maßnahmen gegen die Pandemie eingeführt; später wurden sie als „wichtige Maßnahme für die Staatssicherheit“ bezeichnet.
Aserbaidschan äußerte die Absicht, die ethnisch aserbaidschanische Bevölkerung im Iran zu schützen, und stellte laut regierungsnahen Medien mindestens zwei Anfragen an Israel, diese bei Angriffen auf den Iran zu berücksichtigen.

Nachdem die USA in die militärische Auseinandersetzung zwischen Israel und dem Iran eingegriffen haben, ist die Sorge vor einer weiteren Eskalation im Nahen Osten groß. Doch welche Verbündeten hat der Iran, der lange versuchte, die hegemoniale Macht in der Region zu werden? Der Blick auf die Karte zeigt: Die Verbindungen sind geschwächt.
Mit dem Sturz Baschar al-Assads ist einer der wichtigsten Partner des Mullah-Regimes weggebrochen, über dessen Territorium zuvor auch die Hisbollah-Miliz im Libanon versorgt wurde. Die Hisbollah-Miliz selbst ist nach den jüngsten Auseinandersetzungen mit Israel und dem Tod ihres Anführers Hassan Nasrallah ebenfalls extrem geschwächt. Trotzdem fürchten die Menschen vor Ort, dass eine Konfrontation auch den Libanon in den Konflikt hineinziehen könnte.
Zu den schlagkräftigeren Akteuren gehört nach wie vor die Huthi-Miliz im Jemen. Auch im Irak verfügt der Iran über großen Einfluss – vor allem dank eines Netzwerkes mächtiger Milizen, die für die Regierung in Bagdad auch politisch relevant sind. Doch die Regierung des Irak versucht, sich aus dem Konflikt herauszuhalten – denn auch mit den USA gibt es enge Verbindungen. Noch immer laufen etwa gemeinsame Militäroperationen gegen den Islamischen Staat. Die große Sorge: Tausende US-Soldaten sind im Land stationiert. Ein Anschlag könnte sie zum Schauplatz von Auseinandersetzungen machen.
sky.com / br.de
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Samira Joy Frauwallner, Sebastian Haupt und Jule Scharun.
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