
Diese für Audio optimierte Kompaktfassung des täglichen Spotlight-Newsletters ist von einer KI-Stimme eingelesen und von Redakteuren erstellt und geprüft.
Liebe Leserinnen und Leser,
unsere Bundesregierung hat sich geeinigt: Das Bürgergeld, das ein würdiges Leben für jene ohne Arbeit gewährleisten sollte, wird es in dieser Form nicht mehr geben. Stattdessen heißt die Leistung demnächst: Grundsicherung.
Sprache ist mächtig. Sie kann Fakten schaffen und die Realität verändern. Denn Worte erzeugen Bilder in den Köpfen der Menschen – die ihre Einstellungen beeinflussen können. Das Wort „Bürgergeld“ sagt zumindest aus meiner Sicht aus: Wer arm ist, ist trotzdem ein ebenso gleichwertiger Bürger wie jemand, der reich ist. „Grundsicherung“ dagegen signalisiert für mich: Hier gibt es Almosen für jene, die ihr Leben nicht eigenständig auf die Reihe bekommen. Und davon kann man einen Teil wegnehmen. Genau das passiert gerade. Mehr dazu im Thema des Tages.
Die Macht der Sprache ist übrigens auch der Grund, weshalb seit ein paar Tagen so kontrovers über einen anderen Sachverhalt diskutiert wird: Unser Staatsminister für Kultur und Medien, Wolfram Weimer, hat den Rundfunkbeitrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als „Zwangsbeitrag“ bezeichnet. Ich war am Mittwochabend bei einer Podiumsdiskussion zwischen ihm und Comedian Jan Böhmermann. Weimer blieb beim Streitgespräch vehement dabei: Zwangsbeitrag sei kein Kampfbegriff, der dazu beiträgt, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu delegitimieren.
Und auch ein drittes Beispiel zeigt die Macht der Sprache: die Debatte über die Veggie-Wurst. Das EU-Parlament diskutiert darüber, ob Veggie-Produkte nicht mehr Wurst oder Schnitzel heißen dürfen. Ich hatte Sie gestern nach Ihrer Meinung dazu gefragt – und viele von Ihnen schreiben, das klinge nach rechtspopulistischer Ideologie. Ich habe Sie auch gefragt, welche besseren Namen Ihnen einfallen. Die besten Ihrer Ideen hat unser Social-Media-Team zusammengefasst: Hier ansehen.
Morgen, im Wochenend-SPOTLIGHT mit Justus von Daniels, geht es um den Friedensnobelpreis – den nicht Donald Trump bekommen hat, sondern die venezuelanische Oppositionelle María Corina Machado. Von meiner Seite aus ein schönes Wochenende! Feedback bitte hierhin: anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: Wurst und Grundsicherung
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Faktencheck: Das Bürgergeld – Die hartnäckigsten Behauptungen im Faktencheck
CORRECTIV-Werkbank: CORRECTIV.Starthub: Wie steht’s um den Lokaljournalismus bei Ihnen vor Ort?
Grafik des Tages: So setzt sich die Gruppe der Bürgergeldbeziehenden zusammen
„Grundsicherung für Arbeitssuchende“ anstatt Bürgergeld – das ist nicht die einzige Neuerung, auf die sich der Koalitionsausschuss (also die Spitzen von Union und SPD) geeinigt hat. Es gibt auch inhaltliche Änderungen. Sie betreffen 5,5 Millionen Menschen im Land – so viele Bürgergeld-Empfänger gibt es derzeit.
Eine Übersicht:
Der Einigung zufolge gibt es demnächst härtere Sanktionen, wenn ein Empfänger gegen Regeln verstößt. Konkret:
- Wer einen ersten Termin im Jobcenter versäumt, wird sofort zu einem zweiten Termin eingeladen – und wer auch den versäumt, dem soll die monatliche Zahlung um 30 Prozent gekürzt werden.
- Wird auch ein dritter Termin nicht wahrgenommen, wird das Geld komplett gestrichen.
- Das Vermögen der Betroffenen soll weniger geschont bleiben als bisher. Wie stark darauf zugegriffen werden kann, soll an die „Lebensleistung“ geknüpft werden. Also: Wer schon viel gearbeitet hat, darf mehr von seinem Vermögen behalten.
Darf der Staat das überhaupt, die Leistung komplett streichen?
Eigentlich nicht. Das Bundesverfassungsgericht entschied 2019 in einem Grundsatzurteil (hier nachzulesen):
Unser Grundgesetz sieht vor, dass wir jedem Bürger ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleisten müssen – auch unabhängig von vermeintlich „unwürdigem“ Verhalten des Betroffenen. Der vollständige Entzug geht demnach nicht.
Wir haben einen Verfassungsrechtler dazu befragt: Joachim Wieland, einst Rektor der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Er sagt:
„Die in dem Beschluss der Koalition vorgesehene vollständige Streichung für Arbeitsverweigerer würde das Bundesverfassungsgericht aber aller Voraussicht nach mit Verweis auf die Menschenwürde erneut für verfassungswidrig erklären.“
Joachim Wieland
Verfassungsrechtler
Es kann also gut sein, dass es nicht ganz so kommt, wie jetzt vom Koalitionsausschuss vorgestellt.
Wie die Koalition die Pläne erklärt:
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann verspricht, durch die Pläne ließen sich „viele Milliarden“ Euro sparen. Bundeskanzler Friedrich Merz sagt etwas vorsichtiger, erwartbar seien Einsparungen von bis zu 1,5 Milliarden Euro.

Es geht aber auch um die Akzeptanz im Volk: Sowohl Union als auch SPD sehen sich als Parteien der „kleinen Leute“; jener, die für vergleichsweise niedrige Löhne oder Gehälter arbeiten. Und ihre Theorie ist – wie CDU-Politiker Karl-Josef Laumann kürzlich im Interview bei uns erklärte – sie würden wieder mehr Akzeptanz bei Wählerinnen und Wählern erreichen, wenn sie den Abstand zwischen Grundsicherung und Niedriglöhnen erhöhen.
Was die Opposition dazu sagt:
Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek griff genau diesen Gedanken auf: Die neue Grundsicherung sei am Ende ein Angriff auch auf eben diese kleinen Leute, die Niedriglöhner:
„Für sie ist das Signal klar: Fordert keine besseren Arbeitsbedingungen, nehmt jede Überstunde hin, auch wenn ihr sicher seid, dass sie am Ende unbezahlt bleibt, fordert keinen besseren Lohn – denn im Bürgergeld wird es noch wesentlich schlimmer.“
Heidi Reichinnek
Fraktionschefin der Linken
Venezolanische Oppositionelle erhält den Friedensnobelpreis
Die venezolanische Politikerin María Corina Machado erhält in diesem Jahr den Friedensnobelpreis für ihren Einsatz für die demokratischen Rechte der Bevölkerung in Venezuela. In ihrer Heimat war Machado immer wieder Einschüchterungsversuchen und Repression ausgesetzt.
spiegel.de
Israels Kabinett stimmt dem Gaza-Abkommen zu
Das israelische Kabinett hat dem Gaza-Abkommen mit der Terrormiliz Hamas zugestimmt. Laut einem Militärsprecher haben die israelischen Truppen bereits mit dem Rückzug aus Gaza begonnen. Dies ist der erste Schritt in Richtung Frieden seit Kriegsbeginn.
sueddeutsche.de
Lokal: Ermittlungen gegen 17 Polizisten aus Frankfurt
17 Frankfurter Polizeibeamte stehen unter schwerem Verdacht. Sie sollen Unschuldige verfolgt und Straftaten vereitelt haben. Im Zuge der Ermittlungen wurden Wohnungen und mehrere Polizeidienststellen durchsucht. Bereits 2021 hatte eine rechte Chatgruppe bei der Frankfurter Polizei für Ermittlungen gesorgt.
fr.de
CORRECTIV: Verwaltungsdigitalisierung droht zu scheitern – Ministerium wiegelt ab
Ein Milliardenprojekt unter Druck: Für die Modernisierung von staatlichen Datenbanken fehlen hunderte Millionen Euro, Zeitpläne wackeln, und die EU droht mit dem Entzug von Fördergeldern. Der Bundesrechnungshof sieht die Registermodernisierung in Gefahr – das Ministerium gibt sich gelassen.
correctiv.org

Leserfrage der Woche

SPOTLIGHT-Leser Johannes L. hat uns gefragt: Warum bezahlt die Krankenkasse medizinische Kinderwunsch-Behandlungen nicht?
Die Geburtenrate im Jahr 2024 in Deutschland ist im Vergleich zu 2023 um zwei Prozent gesunken. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung kann dies unterschiedliche Ursachen haben, eine davon ist die Unfruchtbarkeit: Viele Paare in Deutschland versuchen, trotz Unfruchtbarkeit Kinder zu bekommen. Um das zu ermöglichen, gibt es sogenannte Kinderwunschkliniken, die den Paaren mit Therapien helfen, ihren Kinderwunsch zu verwirklichen. Eine solche Behandlung kann aber mehrere tausend Euro kosten.
Hinsichtlich der immer älter werdenden deutschen Bevölkerung und ihrer Finanzierung wäre die Kostenübernahme von Kinderwunschbehandlungen durch gesetzliche Krankenkassen womöglich ein Invest in die Zukunft, meint unser Leser Johannes L.. Mehr junge Menschen könnten die Renten der älteren Bevölkerung stabilisieren.
Wir haben also bei drei verschiedenen Krankenkassen nachgefragt, ob sie eine Kostenübernahme bei Kinderwunschbehandlungen anbieten oder nicht: Die Techniker Krankenkasse, die AOK wie auch die IKK classic verweisen auf den Paragraph 27a des Fünften Sozialgesetzbuches.
Dort ist festgelegt, unter welchen Voraussetzungen gesetzliche Krankenkassen eine Teilkostenübernahme gewährleisten müssen. Zu den Voraussetzungen für Kostenübernahme zählen unter anderem eine medizinische Notwendigkeit, das heißt, ein Arzt muss feststellen, dass die Behandlung erforderlich ist. Es muss außerdem eine realistische Chance bestehen, dass die Behandlung zu einer Schwangerschaft führt; nach drei erfolglosen Versuchen entfällt diese Aussicht.
Je nachdem, ob die gesetzlichen Voraussetzungen zutreffen, werden von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) 50 Prozent der Kosten einer Kinderwunschbehandlung übernommen. Die anderen 50 Prozent muss das Ehepaar als Eigenanteil zahlen. „Die gesetzlichen Krankenkassen haben zudem die Möglichkeit, weitere Angebote in ihre Satzungsleistungen aufzunehmen“, so der Sprecher der AOK. Diese würden jedoch von Krankenkasse zu Krankenkasse variieren.

CORRECTIV Events

PopUp Studio CORRECTIV und SWR: „Druck im Kessel – Wie trifft mich die Wärmewende?“, Stuttgart
Nächste Woche startet unsere mobile Lokalredaktion in Stuttgart: Vom 14. bis 22. Oktober können Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit CORRECTIV und SWR herausfinden, wo die Wärmewende in Stuttgart steht. In unserem PopUp Studio können Sie einfach vorbeikommen, Fragen stellen und über Ihre Erfahrungen zum Heizen berichten.
Zum Event
Exile Talk: „Pressefreiheit in Europa – Fälle aus Ungarn, Serbien und der Slowakei“, Berlin
Der nächste Exile Talk am 16. Oktober in Berlin widmet sich der Pressefreiheit und Unterdrückung von unabhängingen Medien durch autoritäre Regime in Europa. Das Event findet in englischer Sprache statt.
Zur Anmeldung
CORRECTIV auf der Frankfurter Buchmesse 2025, Frankfurt am Main
Auf der Buchmesse vom 15. bis 19. Oktober machen wir Journalismus erlebbar – mit unserem breiten Buch-Portfolio, einem spannenden Veranstaltungsangebot auf verschiedenen Bühnen und am eigenen Stand.
Zum Event

Faktencheck

Es sei zu teuer, biete zu wenig Anreiz zum Arbeiten oder verleite zu Sozialbetrug – immer wieder kursieren online und in der Politik Behauptungen über das Bürgergeld. Wir haben uns die größten Narrative der letzten Jahre genauer angeschaut.
correctiv.org
Endlich verständlich
Am Wochenende haben Hamburgerinnen und Hamburger die Möglichkeit, bei gleich zwei Volksentscheiden abzustimmen. Ein gutes Beispiel für direkte Demokratie. Unsere Jugendredaktion Salon5 erklärt in ihrem Beitrag, welche Möglichkeiten Bürgerinnen und Bürger haben, um in ihrem Land mitzubestimmen.
instagram.com
So geht’s auch
Eine Gemeinde in Norwegen ergreift die Initiative: Um die Einwohnerzahl zu erhöhen, die in den letzten acht Jahren um 41 Prozent zurückgegangen ist, bietet die Gemeinde für ein Jahr zwei kostenlose Wohnungen an. Dies soll wieder Bewohner in die Gemeinde locken. Auch weitere Unterstützungsangebote sollen den Zuzug leichter machen, darunter Zuschüsse für Schul- und Kindergartenkinder.
focus.de
Fundstück
Das Stromnetz in Deutschland zählt im europäischen Vergleich zu den zuverlässigsten. Wie die Bundesnetzagentur berichtet, waren es im vergangenen Jahr durchschnittlich nur 11,7 Minuten Nichtverfügbarkeit von Strom pro Letztverbraucher. Im Vergleich: 2023 lag der gemessene Wert noch bei 12,8 Minuten.
pv-magazine.de
Meine ersten Schritte im Lokaljournalismus führten mich Ende der 90er in das Hinterzimmer eines Kiosks in Duisburg, Rheinhausen. Zwei aneinander gestellte Schreibtische, rundherum Regale voller Ordner, gerade genug Platz, sich zu setzen: Eine Niederlassung der Rheinischen Post. In Rheinhausen, mit seinen knapp 80.000 Einwohnern und Einwohnerinnen, gibt es heute keine Lokalredaktion mehr.
Dieser Rückgang des Lokaljournalismus ist überall in Deutschland zu sehen – und das ist ein Problem für unsere Demokratie. Eine aktuelle Studie der Heinrich-Böll-Stiftung zeigt: Kein Lokaljournalismus bedeutet geringeres politisches Wissen, mehr Fehlverhalten von Unternehmen, geringere Wahlbeteiligung, höhere Polarisierung.
Wie wäre es also wieder mit mehr Journalismus vor Ort? Im CORRECTIV.StartHub bringen wir all jene zusammen, die neue, demokratiestärkende Medien vor Ort aufbauen oder weiterentwickeln. Was wir erreichen möchten, haben wir in einem Leitbild festgehalten.
Wir sprechen von Community-Journalismus – einem Journalismus, der mit und für die Menschen gemacht wird. Wir unterstützen alle, die solche Medienprojekte entwickeln möchten, und erproben das Modell selbst mit Spotlight Gelsenkirchen.
Außerdem machen wir auf einer Karte sichtbar, wer bereits Lösungen umsetzt. Wir sehen: Immer mehr Menschen machen sich mit neuen Medienangeboten für die Demokratie vor Ort stark. Das macht Mut.
Kennt ihr lokale Community-zentrierte Medien-Projekte bei euch, die hier noch fehlen? Hättet ihr gern solche Initiativen? Schreibt mir: julia.hildebrand@correctiv.org. Und wenn ihr selbst neue Initiativen ins Leben gerufen habt, werdet gern Mitglied im CORRECTIV.StartHub.

Gibt es hunderttausende „Totalverweigerer“? Und was bringen Sanktionen? Das überprüfte die Faktencheck-Redaktion, mit dem Ergebnis: Beim Thema Sanktionen kursieren falsche Behauptungen. Vor allem mit Blick auf Menschen, die Jobangebote mehrfach abgelehnt haben – abwertend „Totalverweigerer“ genannt. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann behauptete etwa 2024, es gebe eine „sechsstellige Zahl“ von Menschen, die „grundsätzlich nicht bereit“ seien, „eine Arbeit anzunehmen“. Laut Informationen der Bundesagentur für Arbeit ist diese Zahl jedoch deutlich zu hoch gegriffen.
correctiv.org
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Leonie Georg, Ulrich Kraetzer, Samira Joy Frauwallner, Jule Scharun und Maximilian Billhardt.
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