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Haft für Reporterin: Aserbaidschan macht sich unbeliebt

von David Schraven

Aserbaidschan ist ein Land am Rande Europas. Ein Land, das viel Öl hat. Ein Land, in dem der Diktator Ilham Aliyev herrscht. Früher gehörte Aserbaidschan zur Sowjetunion. Seit dem Zusammenbruch dieser Herrschaft ist das Land unabhängig. Es sucht seither den Anschluss an Europa, um dem Zugriff Russlands zu entgehen. Dafür gab der Diktator Aliyev Millionen von Euro aus, dafür bezahlte er die Public Relation Agentur Consultum Communications mit ihrem Ehrenvorsitzenden des Beirats, Ex-Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher. Und dafür will er im kommenden Jahr die ersten Europaspiele ausrichten. Die Europameisterschaften der Olympischen Spiele.

Doch all diese Mühen kann sich Diktator Aliyev bald in die Haare schmieren, denn er ließ vor wenigen Tagen die aserbaidschanische Enthüllungsjournalistin Khadija Ismajilowa festnehmen. Ein Gericht in Baku hat angeordnet, die Reporterin für zwei Monate in Untersuchungshaft zu nehmen. Hintergrund ist der Vorwurf eines freien Journalisten, die Reporterin habe ihn in einen Selbstmordversuch getrieben.

Ismajilowa ist für ihre Recherchen über Korruption und Vetternwirtschaft bekannt. So hat sie über die Offshore-Aktivitäten der kleptomanischen Diktatorenfamilie berichtet. Ein Thema, dem sich nur wenige Journalisten in dem Kaukasusland zu nähern wagen. Ismajilowa arbeitet unter anderem als Reporterin für den US-Auslandssender Radio Free Europe/Radio Liberty sowie für das Organized Crime and Corruption Reporting Project.

Ismajilowa soll nach den Vorwürfen einen Reporter daran gehindert haben, weiter für das aserbaidschanische Programm von Radio Free Europe zu arbeiten. Deswegen habe der Reporter versucht, sich umzubringen. Und deswegen hat das Gericht die Untersuchungshaft angeordnet. Im Fall einer Verurteilung drohen ihr laut einem Medienbericht drei bis sieben Jahre Haft. Einen Tag vorher hatte der Chef des aserbaidschanischen Präsidialamts die Journalistin in einer Rede beschuldigt, sie verbreite hasserfüllte Phantastereien über Aserbaidschan, um ihren ausländischen „Förderern“ einen Gefallen zu tun.

Für Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen in Deutschland, ist der Fall klar: „Die aserbaidschanischen Behörden versuchen offensichtlich mit allen Mitteln, eine weitere führende Kritikerin ihres autoritären Regimes zum Schweigen zu bringen.“ Der Fall reihe sich „nahtlos“ in die Repressionswelle Aliyevs ein und müsse „spürbare“ diplomatische Folgen haben.

Aserbaidschan steht auf Platz 160 von 180 Staaten auf der Rangliste der Pressefreiheit. Derzeit sitzen in dem Land mindestens 13 Journalisten und Blogger wegen ihrer Arbeit in Haft.

Wir haben an die Botschaft von Aserbaidschan geschrieben und würden uns freuen, wenn möglichst viele Leute ähnliche Briefe an die Botschaft schreiben:

Botschaft der
Republik von Aserbaidschan
Hubertusallee 43
14193 Berlin

Tel: + 49 (030) 219161452
Fax: +49 (030) 21916152
Email-Adressen:
r_salayev@mfa.gov.az
v_gafarov@mfa.gov.az
berlin@mission.mfa.gov.az

Twitter-Account: @AzEmbGermany

Deutschland

Berlin, den 6. Dezmeber 2014

Sehr geehrter Herr Botschafter Parviz Shahbazov,

bitte gestatten Sie mir, dass ich mich vorstelle.

Mein Name ist David Schraven. Ich bin Chefredakteur des ersten gemeinnützigen Recherchebüros im deutschsprachigen Raums, CORRECTIV. Zuvor habe ich das investigative Rechercheressort der Funke Mediengruppe geleitet.

Ich hatte das Glück, Ihr Land und dessen Hauptstadt Baku vor einigen, wenigen Jahren auf Einladung Ihrer Regierung besuchen zu dürfen. Ich war beeindruckt von der Vielfalt und dem Wohlstand Ihrer Heimat.

Umso erschütterter bin ich über den Umstand, dass in Ihrem Land die renommierte Journalistin Khadija Ismayilova festgenommen wurde.

Wir sind überzeugt, dass die Anklage gegen Frau Ismayilova gefälscht ist und nur dem Zweck dient, sie zu diskreditieren und zum Schweigen zu bringen. Frau Ismayilova hat einige sehr bedeutende Korruptions-Recherchen anstossen und erfolgreich durchführen können. Gerade ihre Recherchen zum Offshore-Geschäft und Offshore-Wohlstand der Familie des Präsidenten Aliyev sind sehr bedeutend.

Bitte seien Sie versichert, das die Festnahme von Frau Ismayilova große Aufmerksamkeit auf ihr Land, ihren Präsidenten und die vielfältigen Geschäfte seiner Familie lenken wird. Aufmerksamkeit, die Sie sicher nicht wüschen werden.

Frau Ismayilova ist nicht alleine. Sie gehört zu einem großen Team von Journalisten rund um den Globus, die sich alle mit ihr solidarisieren. Meine Organisation in Deutschland wird sich bemühen, möglichst viel über ihren Fall in Erfahrung zu bringen. Aus persönlicher Erfahrung kenne ich die Public Relation Strukturen der Republik Azerbaijan. Ich kenne die persönlichen Verflechtungen von Bundesminister a.D. Dietrich Genscher und die geschäftlichen Beziehungen seiner Firmen zu Ihrem Land. Ich kenne die Hintergründe der 1st European Games in Baku.

Und ich versichere Ihnen, dass wir Ihr Land, Ihren Präsidenten und alle seine Geschäftspartner gerade im Zusammenhang mit der Inhaftierung von Frau Ismayilova im Rahmen der 1st European Games aufmerksam beobachten und begleiten werden.

Ich freue mich auf Ihre Nachricht, dass Frau Ismayilova freigelassen wurde.

[Foto im Header via ifex.org]