Randale von „Cola trinkenden“ Schulkindern? Diese Fotos werden für Satire genutzt

Ein Loch in Form eines Herzens an der Decke, leere Bierdosen und anderer Müll am Boden. Fotos eines verwüsteten Zugs der Deutschen Bahn werden vielfach auf Twitter geteilt – mit unterschiedlichen Angaben darüber, wer das angerichtet haben soll. Mitte März heißt es auf Twitter, eine Gruppe Schulkinder, die Cola getrunken hätte, habe im Regionalzug von Dresden nach Görlitz „alles, was ihr im Weg stand“ zerschlagen. Laut einem weiteren Twitter-Beitrag – ohne genaue Ortsangabe – sei die Lehrerin im anderen Waggon gewesen. Sie habe nichts von den „gestrigen“ Randalen mitbekommen.

Randalierende Schulkinder auf Cola? Was klingt wie ein Scherz, halten jedoch manche für echt, so schrieb jemand: „Da war auch Bier dabei. Schulkinder?“ Oder: „[…] die Lehrerin stand natürlich mit ein paar anderen Kindern draußen und hat nichts kontrolliert. Wie finden wir das?“ Eine Nutzerin kommentierte hingegen: „Dieser Moment, wenn Menschen Satire nicht erkennen.“ Das stimmt, die Fotoaufnahmen werden irreführend verbreitet – und das nicht zum ersten Mal. 

Fotos des verwüsteten Zugs werden für Satire genutzt

Über eine Bilderrückwärtssuche finden wir einen Artikel des Volksverpetzer vom 7. Juni 2022. Darin steht, die Fotos seien schon damals fälschlich in Zusammenhang mit dem 9-Euro-Ticket verbreitet worden. 

Doch das ist nicht die einzige Geschichte, die Nutzerinnen und Nutzer zu den Fotos erfanden. Sie machten auf Twitter in vergangenen Monaten die verschiedensten Personengruppen für die Verwüstung des Zugs verantwortlich, darunter:

• „Theater-Chaoten“: „Mein erster Theater-Zug. So sah die Regionalbahn zum Schauspielhaus Frankfurt aus. […] Leider können sich ein paar Theater-Chaoten einfach nicht benehmen.“ Veröffentlicht am 14. März 2023, hier. 
• CDU-Anhänger: „Ich bin fassungslos und zittere noch am ganzen Körper. Ich wollte nur mit dem Regio von Berlin nach Oranienburg. Auf einmal stieg eine Gruppe CDU-Anhänger in den Zug.“ Veröffentlicht am 13. Februar 2023, hier.
• Football-Fans: „Ich wollte nur in Ruhe mit dem Regio zum Hundertwasserbahnhof Uelzen fahren, auf einmal stieg eine Horde Football-Fans ein.“ Veröffentlicht am 12. Februar 2023, hier.
• Pfadfinder: „Ich war gestern mit einer Gruppe Pfadfinder im Regio.“ Veröffentlicht am 21. Januar 2023, hier.
• RB-Leipzig-Fans: „Jetzt ist es mir also auch passiert, mein erster Fußballzug. Da wollte man nach seinem Arbeitstag in Leipzig endlich mal nachhause und die Alkoholgetriebenen-Chaoten von RB verwüsten das komplette Abteil.“ Veröffentlicht am 20. Januar 2023, hier.
• Klimaaktivisten: „Mein erster Lützi-Zug, immer diese Klimaaktivisten. Mir fehlen die Worte.“ Veröffentlicht am 11. Januar 2023, hier.

Ursprung der Fotos kann nicht eindeutig festgestellt werden

Woher die Fotos ursprünglich stammen, können wir nicht abschließend feststellen. Die ältesten Beiträge, die wir finden konnten, stammen von Mai 2022. Zu dem Twitter-Beitrag, der die Verwüstung RB-Leipzig-Fans zuschreibt, kommentierte ein Nutzer einen Twitter-Beitrag des Kreisverbands Heinsberg/Mönchengladbach/Viersen vom Verkehrsclub Deutschland e.V. In dem ist eines der Fotos zu sehen. Der Beitrag wurde am 16. Mai 2022 veröffentlicht mit der Aussage: „Wenn Fußballfans Bahn fahren.“ 

Dazu passt ein Tweet mit demselben Foto, den der Volksverpetzer zitierte und der am 15. Mai 2022 mit der Ortsangabe „Rostock Hauptbahnhof“ veröffentlicht worden sein soll. Inzwischen ist der Beitrag nicht mehr abrufbar. Ein anderer Nutzer twitterte das Foto vom herzförmigen Loch an der Decke ebenfalls am 15. Mai 2022 mit Verweis auf HSV und Hansa Rostock Fans, jedoch aus anderer Perspektive.

Deutsche Bahn gibt auf Anfrage keine Informationen zu dem Vorfall

Eine Google-Suche mit den Stichworten „Rostock“, „Fußball“ und „15. Mai 2022“ zeigt, dass an diesem Tag ein Spieltag der Zweiten Bundesliga war, an dem Hansa Rostock gegen den Hamburger SV spielte und die Partie verlor. Laut Medienberichten warfen vermummte Personen Steine auf einen ICE mit HSV-Fans, der auf dem Weg nach Rostock war. Zu den auf Twitter geteilten Fotos finden wir jedoch keine Informationen. 

Auf Anfrage schrieb uns eine Bahnsprecherin: „Zur Quelle des konkreten Fotos [mit dem herzförmigen Loch an der Decke, Anm. d. Red.] können wir nichts sagen. Hier bitten wir um Verständnis, dass auch hier eine Recherche […] weder sinnvoll noch der Aufwand gerechtfertigt wäre.“ Zum anderen Foto machte die Bahnsprecherin auch keine Aussage, betonte aber: Die meisten Reisen zu Fußballspielen würden friedlich verlaufen. Wenn die Bundespolizei Straftäterinnen oder -täter eindeutig feststelle, könnten die DB-Sicherheitskräfte an Ort und Stelle Hausverbote und Beförderungsausschlüsse aussprechen.

Fazit: Die Fotos eines verwüsteten Zugs der Deutschen Bahn kursieren seit mindestens Mai 2022 im Internet. Dass Schulkinder diesen Vandalismus kürzlich angerichtet hätten, ist deshalb frei erfunden. 

Redigatur: Gabriele Scherndl, Sophie Timmermann