Nein, das World Economic Forum fordert von den USA keine „Ein-Kind-Politik für weiße Familien“
Im Netz heißt es, das World Economic Forum habe gesagt, die USA müssten eine „Ein-Kind-Politik für weiße Familien“ umsetzen. Doch es finden sich keinerlei Belege für eine solche Forderung des WEF. Ein Sprecher der Organisation dementiert die Behauptung.
Um das Weltwirtschaftsforum (WEF) und seinen Gründer Klaus Schwab ranken sich seit Jahren Falschbehauptungen und Verschwörungstheorien. Aktuell kursieren in Sozialen Netzwerken Beiträge, in denen es um die sogenannte Ein-Kind-Politik geht. Der Begriff geht auf die staatliche Geburtenkontrolle in China zurück, die dort von 1979 bis 2015 herrschte. Laut den Beiträgen soll das WEF beziehungsweise Schwab nun gefordert haben, dass die USA eine solche Politik für weiße Familien umsetzen müssten.
Die Behauptung findet sich etwa auf Twitter oder Telegram, und kursiert international. Viele Beiträge verweisen auf den englischsprachigen Blog Newspunch, der immer wieder Falschbehauptungen verbreitet. Jüngst veröffentlichte der Blog die falsche Behauptung, dass es auf den Philippinen einen Haftbefehl gegen Bill Gates gebe. Auch die Behauptung rund um die angebliche Ein-Kind-Politik ist erfunden. Weder im Newspunch-Artikel noch irgendwo anders finden sich Belege dafür; ein WEF-Sprecher dementierte sie.
Newspunch liefert keine glaubwürdigen Belege für die Behauptung
Zusätzlich zum Artikeltext gibt es auf Newspunch auch ein Video. Darin liest ein Moderator Teile des Artikels vor, zusätzlich sind mehrere Videos eingeblendet. Wir schauten uns Video und Text genauer an, um nach möglichen Belegen für die Behauptung zu suchen.
Als einen angeblichen Hinweis auf die Forderung zeigt Newspunch im Video ein Interview des chinesischen Fernsehsenders CGTN mit Schwab. Newspunch schreibt dazu: „Der WEF-Chef trat kürzlich im chinesischen Fernsehen auf und lobte die Sozialpolitik der Kommunistischen Partei Chinas, während er argumentierte, dass weiße Menschen in Amerika für die Pläne des WEF für einen globalen progressiven Wandel nicht mehr ‚relevant‘ seien.“
Das Interview findet sich in voller Länge auf der Seite von CGTN, es erschien dort am 19. November 2022. Weder dort, noch in dem Ausschnitt, den Newspunch einblendet, sagt Schwab etwas über weiße Menschen in den USA oder eine Ein-Kind-Politik. Er lobt auch nicht explizit die Sozialpolitik der Kommunistischen Partei. Schwab sagte im Bezug auf das politische System der Volksrepublik Folgendes: „Ich respektiere Chinas Errungenschaften, die in den letzten über 40 Jahren seit der Öffnung und der Umsetzung der Reformpolitik enorm sind. Ich denke, China ist ein Vorbild für viele Länder, aber ich denke auch, dass wir es jedem Land überlassen sollten, selbst zu entscheiden, welches System es übernehmen möchte.“
Ein angeblicher Twitter-Beitrag des WEF soll die Behauptung stützen – doch er lässt sich nicht finden
Ein weiterer angeblicher Beleg soll ein Twitter-Beitrag des WEF sein. Newspunch erwähnt ihn weder im Text noch im Video, zeigt ihn aber in der Video-Vorschau. Der Tweet soll lauten: „Amerika muss seine kaukasische [Anm. d. Red.: hellhäutige] Bevölkerung reduzieren.“
Mit einer Suche auf Twitter lässt sich der vermeintliche WEF-Beitrag jedoch nicht finden. Auch in archivierten Versionen des Twitter-Profils vom Februar und März 2023 finden wir ihn nicht. Ein WEF-Sprecher sagte Reuters, dass die Organisation nie einen solchen Twitter-Beitrag veröffentlicht habe. Er dementierte zudem die Behauptung, dass das WEF eine solche Forderung an die USA gerichtet habe.
Angebliche Forderung nach „Ein-Kind-Politik“ findet sich weder in seriösen Medienberichten noch auf der WEF-Seite
Wir suchten zusätzlich auf Google in verschiedenen Sprachen nach möglichen Belegen für die Behauptung. Wir fanden weder Medienberichte noch andere Hinweise darauf, dass es eine solche Forderung je gegeben hätte.
Eine Suche auf der Webseite des WEF mit dem englischen Begriff für „Ein-Kind-Politik“ und „USA“ führt zu mehreren Artikeln zum Thema. Die Artikel beschäftigen sich jedoch mit Chinas Wirtschaft oder Bevölkerung, in einem Beitrag bezeichnet ein Ökonom die „Ein-Kind-Politik“ als „historischen Irrweg, der die demographische Alterung des Landes um Jahrzehnte beschleunigt hat“. In keinem der Texte wird eine Ein-Kind-Politik für die USA diskutiert oder gefordert.
Redigatur: Gabriele Scherndl, Uschi Jonas