Video in Polen zeigt keine Kriegsvorbereitung, sondern Fahrzeuge der Bundeswehr für defensive Nato-Mission
Ein Autofahrer filmt einen Militärkonvoi der Bundeswehr in Polen und behauptet, die Bundeswehr würde „Krieg machen wollen“. Doch der Konvoi war im Rahmen einer Nato-Mission unterwegs, die den polnischen Luftraum schützen soll. Mit einer angeblichen Kriegsvorbereitung Deutschlands hat das nichts zu tun.
„Die wollen Krieg machen, eindeutig“, kommentierte ein Facebook-Nutzer Anfang März das, was er angeblich auf der polnischen Autobahn A2 sieht: Eine Fahrzeugkolonne der Bundeswehr. Er stellt ein Video davon auf Facebook und erntet teils heftigen Widerspruch zu seiner Aussage.
Unsere Recherche zeigt: Der Facebook-Nutzer fuhr nicht auf der A2, sondern auf der Schnellstraße S3. Laut der Bundeswehr fuhr der Militärkonvoi auf polnischer Strecke im Rahmen einer defensiv ausgelegten Nato-Mission.
Video mit Fahrzeugen der Bundeswehr im Westen Polens aufgenommen
Der Mann im Video behauptet, er sei auf der „Warschauer Allee […] im tiefsten Polen“ unterwegs – ein Spitzname für die Autobahn A2, die von Deutschland einmal quer durch Polen bis nach Belarus führt. Weiter sagt der Mann, er wolle zur russischen Grenze fahren. Am Ende des Videos ist ein Schild zu erkennen. Darauf steht, das Kreuz Myślibórz ist noch 3.000 Meter entfernt.
Doch ein Blick auf Google Maps zeigt: Das passt nicht zusammen. Die Autobahn A2 verläuft von Osten nach Westen. Polen grenzt nicht an Russland, lediglich an die russische Provinz „Kaliningrad“. Die liegt allerdings im Norden Polens, weit entfernt von der A2.
Zudem liegt das Kreuz Myślibórz etwa 100 Kilometer von der A2 entfernt und gehört zur Schnellstraße S3.
Ein Vergleich des Videos mit einer Google Street View Aufnahme von Juni 2021 zeigt: Der Mann im Video fuhr auf der S3 von Norden nach Süden, er ist also weit weg von Kaliningrad.
Video zeigt Fahrzeuge der Bundeswehr
Zwar sind die Angaben des Mannes zu seiner Fahrtroute falsch, richtig ist aber, dass er sich in Polen befindet und tatsächlich Fahrzeuge der Bundeswehr filmt. Das ist an den typischen Kennzeichen der Bundeswehr – wie im Video sichtbar – zu erkennen. Sie beginnen mit einem „Y“, daneben ist links eine Deutschlandflagge.
Zudem sind im Video Flaggen zu erkennen, die die Fahrzeuge führen. Eine blaue Flagge an der linken Vorderseite kennzeichnet laut Bundeswehr Fahrzeuge, die Teil einer Kolonne sind. Eine schwarz-weiße Flagge zeigt das Fahrzeug an, das die Kolonne führt.
Bundeswehr an defensiver Nato-Mission in Polen beteiligt
Auf die Frage, ob das Video zeige, wie Anfang März 2023 deutsche Truppen nach Polen verlegt wurden, antwortete uns ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr: Zu Truppenverlegungen äußere man sich nicht im Detail.
Er teilte jedoch mit: „Die Bundeswehr befindet sich seit dem 20. Februar 2023 mit einem Einsatzkontingent in Zamość im Südosten Polens.“ Zamość liegt etwa 60 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Die Grundlage für den Einsatz bilde eine bilaterale Vereinbarung der Verteidigungsminister Polens und Deutschlands vom 6. Dezember des Vorjahres. „Dieser Abstimmung folgte eine offizielle Einladung an die Bundeswehr durch den polnischen Staatspräsidenten Duda am 13. Januar 2023.“
Im Einsatz seien rund 300 deutsche Soldatinnen und Soldaten, die eine „Air Missile Defense Task Force“ (zu Deutsch: Einheit zur Raketenabwehr) bildeten und im Rahmen der „enhanced Vigilance Activities“ (zu Deutsch: verstärkte Aktivitäten zur Wachsamkeit) der Nato zur zusätzlichen Sicherung des polnischen Luftraums eingesetzt würden.
Damit, dass die Bundeswehr „Krieg machen wolle“, hat das nichts zu tun. Der Sprecher schreibt weiter: Der Einsatz sei „streng defensiv und darauf ausgelegt, das Bündnisgebiet und unsere besonders exponierten Verbündeten zu schützen sowie den Frieden zu bewahren“.
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine tauchten immer wieder ähnliche Videos von Militärkolonnen auf. Sie sollten zum Beispiel belegen, dass in Österreich gesichtete Nato-Panzer und ein Militärkonvoi aus China auf dem Weg in die Ukraine seien (hier und hier), doch beides stimmte nicht.
Redigatur: Kimberly Nicolaus, Uschi Jonas