Faktencheck

Nahost-Krieg: Nein, dieses Video belegt keine aktuelle Inszenierung von Opfern in Gaza

Angeblich zeige aktuelles Videomaterial, wie Menschen in Gaza Verletzungen inszenieren. Das stimmt nicht, die Aufnahmen stammen aus 2017 und zeigen laut einer Ärzteorganisation ein medizinisches Training.

von Gabriele Scherndl

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Dieses Video soll „neue Fälschungen“ der Menschen in Gaza zeigen. Doch es ist alt und zeigt ein medizinisches Training. (Quelle: X; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Ein Video zeige „neue Fälschungen“: Es belege, wie sich die Bewohnerinnen und Bewohner in Gaza Wunden schminkten, um Mitleid zu erregen und Israel schlecht dastehen zu lassen.
Bewertung
Falscher Kontext
Über diese Bewertung
Falscher Kontext. Das Video stammt schon aus 2017. Laut der Ärzte-Organisation Médecins du Monde zeigt es eine Übung für Ärztinnen und Ärzte.

„Willkommen in Pallywood“, schreibt ein X-Nutzer am 7. November 2023 und verwendet damit ein Schlagwort, das seit den Terrorangriffen der Hamas auf Israel und den israelischen Gegenschlägen in Gaza vermehrt auftaucht. „Pallywood“, ein Kofferwort aus Palästina und Hollywood, beschreibt die Unterstellung, Menschen in Palästina würden sich systematisch als Opfer inszenieren und Verletzungen oder Todesfälle nur vortäuschen.

Ein Video soll angeblich „neue Fälschungen“ belegen. Das steht in den Untertiteln zu einer Aufnahme, die der X-Nutzer teilt und die auch auf Tiktok kursiert. Es zeigt, wie Kinder und Erwachsene mit Kunstblut geschminkt werden. Auf Englisch steht im Video, die Bewohner von Gaza würden Wunden fälschen, um Mitleid zu erregen und Israel schlecht dastehen zu lassen.

Das stimmt nicht: Die Aufnahme entstand  2017 und hat nichts mit dem aktuellen Krieg im Nahen Osten zu tun. Zu sehen sind Make-Up-Künstlerinnen und -Künstler. Laut der französischen Ärzte-Organisation Médecins du Monde entstand die Aufnahme bei einem Training für Ärztinnen und Ärzte. 

In einem X-Beitrag heißt es zu dem Video: "Willkommen in Pallywood".
Dieses Video zeigt nicht, wie sich Menschen in Gaza als Opfer inszenieren, sondern das Werk von Make-Up-Artists für ein medizinisches Training (Quelle: X; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Video von geschminkten Menschen in Gaza stammt von 2017 und zeigt ein Projekt einer Medizin-Organisation

Das Video taucht seit Jahren immer wieder in verschiedenen Ländern auf. Je nach Qualität lässt sich im Video oben links das Logo des palästinensischen Senders Gazapost erkennen. Der veröffentlichte das Bildmaterial schon 2017 auf seinem Youtube-Kanal. Im Videotitel steht auf Arabisch, es gehe um „filmische Tricks“ und Kunst. 

Dieser Beitrag ist mehr als doppelt so lang als jener Teil, der nun in Sozialen Netzwerken kursiert. Im Original von Gazapost geht es, laut Übersetzung des arabischen Transkripts, um „optische Täuschungen“ und den „Film- und Gesundheitsbereich“. Zu Wort kommt auch Mariam Salah, sie sei „Künstlerin“. Das Interview mit ihr fehlt in der gekürzten Version.

Der türkische Nachrichtensender TRT veröffentlichte ebenfalls schon 2017 einen Beitrag über die Make-Up-Künstlerin auf Youtube. Darin sind einige Menschen zu sehen, die auch in den anderen Videos vorkommen. Salah sei eine der wenigen Frauen in der palästinensischen Make-Up-Artist-Szene, heißt es in dem Beitrag. Sie habe sich auf Fake-Wunden spezialisiert und hoffe, irgendwann für Hollywood- und Bollywood-Produktionen schminken zu können.

Je zwei Screenshots aus dem Video, das in Sozialen Netzwerken kursiert und aus dem Video von TRT zeigen, dass es dieselbe Situation zeigt.
Auf den Aufnahmen, die aktuell in Sozialen Netzwerken kursieren (links) sind dieselben Szenen zu sehen, wie in den Beiträgen von Gazapost (rechts oben) und TRT (rechts unten) schon 2017 gezeigt wurden (Quellen: X / Youtube; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Falsche Wunden waren laut Hilfsorganisation Teil eines medizinischen Trainings

Laut TRT sehe man ein Projekt der französischen Medizin-Organisation „Doctors of the world“. Im Video des Senders ist auf dem Rücken eines Mannes das Logo der französischen Organisation Médecins du Monde („Ärzte der Welt“) zu sehen. Außerdem ist ein Schild erkennbar, auf dem „Simulation“ steht. 

Ein Screenshot aus dem Video. Auf dem Rücken eines Mannes ist ein blaues Logo zu erkennen, auf einem Schild steht "Simulation".
Im Beitrag des Senders TRT ist ein Schild zu sehen, das auf die Simulation hinweist. Vor Ort waren auch Mitarbeitende der französischen Organisation „Ärzte der Welt“. (Quelle: TRT / Youtube; Screenshot und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Im TRT-Beitrag heißt es auch, es gehe bei dem Projekt darum, auf die Gefahren für die Menschen im Gaza aufmerksam zu machen. Auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck schreibt Djéné Diané, Sprecherin der Organisation aber: Die falschen Wunden seien nicht Teil einer Kampagne gewesen, sondern von Maskenbildnern als Teil einer medizinischen Ausbildungsübung von Médecins du Monde gemalt worden. Das Video sei 2017 entstanden und stehe in keinem Zusammenhang mit dem aktuellen Krieg in der Region. 

Auch Make-Up-Künstlerin Salah bestätigte der AFP, dass das Video ein Training aus 2017 zeige.

Alle Faktenchecks zu Falschmeldungen und Gerüchten zum Krieg im Nahen Osten finden Sie hier.

Redigatur: Paulina Thom, Kimberly Nicolaus