Die OnlyFans-Masche
Sie sind vor allem bei TikTok und Instagram unterwegs: weibliche Lockvögel, die junge Frauen auf das Porno-Portal OnlyFans ziehen wollen. Das ist vor allem problematisch, wenn sie minderjährige Mädchen ins Visier nehmen. Eine Recherche unserer Jugendredaktion Salon5.
„Sag mal, kannst du dir grundsätzlich vorstellen, mit dem Modeln nebenbei anonym gutes Geld zu verdienen?“ Solche Direktnachrichten über TikTok oder Instagram bekommen wohl Hunderte junge Frauen bundesweit täglich.
Auch eine ehemalige Mitarbeiterin unserer Jugendredaktion Salon5 erhält immer wieder solche Anfragen. Das Rechercheteam von Salon5 forschte in den vergangenen Wochen nach, was dahinter steckt. Sie stellten fest: Hinter den Nachrichten verbergen sich in der Regel Lockvögel – Frauen, die vermutlich Provisionen dafür bekommen, wenn sie hübsche junge Mädchen dazu bringen, sich einen Account auf der Porno-Plattform OnlyFans anzulegen. Und sich dort gegen Geld auszuziehen.
Das Ergebnis der Recherche hat Salon5 jetzt als Podcast veröffentlicht: „Hey Girl – Die OnlyFans-Masche auf Instagram“.
OnlyFans ist eine Plattform für Nackt-Content – so fasst es das Computer-Onlinemagazin Chip zusammen. Man legt sich dort ein Profil an und kassiert Geld für exklusive Inhalte von zahlenden Zuschauern. Der weit größte Teil der Profile, schreibt Chip, wird von Frauen bestritten, die sich gegen Geld vor der Kamera ausziehen und pornografische Inhalte bieten. Damit verdienen nicht nur die Inhaberinnen der Profile Geld, sondern auch der Plattformbetreiber. Und: Agenturen, die sich mittlerweile gebildet haben und davon leben, neue weibliche „Content-Creators“ zu OnlyFans zu locken.
Die Direktnachrichten, die junge Frauen über TikTok oder Instagram von diesen Lockvögeln erhalten, beginnen oft harmlos: „Hey girl, darf ich dich mal etwas fragen?“ Erst nach und nach geben sie auf Nachfragen preis, worum es ihnen geht.
Dabei sind solche Anwerbeversuche für Porno-Plattformen illegal, erklärt der Rechtsanwalt Christian Solmecke. Schon allein „das ungefragte Anschreiben per privater Nachricht zu kommerziellen Zwecken ohne Einwilligung“ sei wettbewerbswidrig.
Besonders problematisch: Minderjährige im Visier der Lockvögel
Auf Plattformen wie TikTok oder Instagram ist in der Regel nicht ersichtlich, wie alt Nutzerinnen sind. Experten gehen deshalb davon aus, dass auch Minderjährige Ziel solcher Anwerbeversuche sind. Bei der Recherche ist unser Team auch auf den Bericht einer 15-Jährigen gestoßen, die von solchen Anwerbeversuchen berichtet. Anwalt Solmecke sagt, in solchen Fällen könnten Eltern Strafanzeige gegen die Lockvögel erstatten.
Auch die Wahrscheinlichkeit, dass Minderjährige tatsächlich kostenpflichtige Accounts bei OnlyFans betreiben, ist der Recherche zufolge hoch: Zwar darf man sich theoretisch erst ab 18 dort anmelden, praktisch jedoch lassen sich die Vorgaben leicht umgehen. Das Bundeskriminalamt gab auf Anfrage des Teams hin an, dass dort für das vergangene Jahr fünf Fälle von Minderjährigen bei OnlyFans bekannt seien.
OnlyFans betreibt ein sogenanntes „Referral Program“ – ein Programm, über das Personen, die neue Profilbetreiberinnen akquirieren, an deren Einnahmen beteiligt werden. Bei den Recherchen stieß das Team darauf, dass es mittlerweile eine Reihe von Agenturen gibt, die sich darauf spezialisiert haben, Frauen für OnlyFans anzuwerben. Sie übernehmen demnach für die Frauen die Bewerbung für ihre Accounts und werden im Gegenzug an ihren Einnahmen beteiligt. Es gibt demnach sogar Online-Akademien, die darin schulen, solche „OnlyFans-Management-Agenturen“ aufzubauen.
Ausziehen für den Geschäftserfolg der Agentur
Zwei solcher Agenturen gegenüber gab sich eine Reporterin aus dem Rechercheteam als potenzielle Interessentin aus. Im Gespräch mit dem Chef einer der Agenturen gab sie etwa an, lediglich „ästhetische Bilder“ von sich einstellen zu wollen – und bekam zur Antwort: Für den Anfang sei das in Ordnung, doch später müsse er auch an sein Einkommen denken. Er schickte der vermeintlichen Interessentin zur Orientierung Fotos junger Frauen in Unterwäsche.
Bei mehreren der verdeckt befragten Agenturen wurde zudem klar, dass der überwiegende Teil der Einnahmen der Agentur zugutekommen solle – und der Frau, die den Account betreibt, deutlich weniger als die Hälfte. Einem befragten Rechtsanwalt zufolge macht der hohe Anteil, den die Agenturen einfordern, einmal unterschriebene Verträge mit ihnen aber nicht automatisch unwirksam. Wer sich einmal auf einen solchen Vertrag eingelassen habe, benötige rechtlichen Beistand, um sich wieder herauszuwinden.