Faktencheck

Boston: Kinderkrankenhaus führt keine geschlechtsverändernden Operationen an Minderjährigen durch

Zwei Werbevideos des Boston Children’s Hospital werden in Sozialen Netzwerken als Beleg interpretiert, dass dort Operationen zur Änderung des Geschlechts an Minderjährigen durchgeführt werden, unter anderem Gebärmutterentfernungen. In den Videos werden Kinder oder Jugendliche jedoch mit keinem Wort erwähnt.

von Steffen Kutzner

Chinese Doctor's Day
Hysterektomien zur Geschlechtsangleichung werden im Bostoner Children’s Hospital zwar durchgeführt, jedoch nicht an Minderjährigen. Man muss mindestens 18 Jahre alt sein. (Symbolbild: Picture Alliance / Cfoto)
Behauptung
Das Bostoner Kinderkrankenhaus sei dazu bereit, „geschlechtsbestimmende“ Operationen wie Gebärmutterentfernungen (Hysterektomie) an Minderjährigen durchzuführen.
Bewertung
Falsch. In den Videos, die als Belege angeführt werden, ist von geschlechtsangleichenden Hysterektomien für Minderjährige keine Rede. Das Krankenhaus führt solche Operationen laut eigener Angabe nur bei Personen ab 18 Jahren durch.

Auf Telegram verbreitet sich die Behauptung, das Boston Children’s Hospital führe Hysterektomien an Minderjährigen durch. Als Hysterektomie bezeichnet man die operative Entfernung der Gebärmutter. Normalerweise wird dies gemacht, um Beschwerden zu lindern, die durch Krankheiten oder Verletzungen entstehen. In Sozialen Netzwerken wird als Kontext jedoch eine Geschlechtsänderung einer Trans-Person angenommen: Die „geschlechtsbestimmende Hysterektomie“ werde angeblich an minderjährigen Mädchen auf deren eigenen Wunsch durchgeführt. Auch auf Facebook verbreitet sich diese Aussage. Sie ist falsch.

Basis für die Behauptung sollen zwei Werbevideos des Boston Children’s Hospital und ein Artikel der Webseite ABC-News-4 sein. Der Artikel und die Videos sind im Original im Internet aktuell nicht mehr abrufbar, wir konnten jedoch eine archivierte Version des Textes lesen. 

Die Werbevideos, die zusammengeschnitten auf Telegram und Facebook kursieren, zeigen zwei Ärztinnen des Krankenhauses. Die erste ist eine pädiatrische Endokrinologin – sie erklärt, dass bereits Kinder bemerken können, dass ihre Geschlechtsidentität eine andere ist, als die, die bei der Geburt festgelegt wurde. Von Operationen erzählt die Ärztin jedoch nichts. Die zweite Ärztin, eine Gynäkologin, erklärt, was eine geschlechtsangleichende Hysterektomie ist – erwähnt jedoch keine Kinder oder Jugendlichen.

Auf Facebook und Telegram werden die Videos mit einem Text geteilt, in dem suggeriert wird, das Boston Children’s Hospital biete die geschlechtsangleichende Entfernung der Gebärmutter für Minderjährige an. Davon ist in den Videos jedoch keine Rede – und es ist auch falsch. 

Kinderkrankenhaus in Boston führt keine geschlechtsangleichenden Gebärmutter-Entfernungen an Minderjährigen durch

Wir haben beim Krankenhaus nachgefragt. Eine Antwort erhielten wir von dort nicht, aber das Krankenhaus hat aufgrund heftiger Kritik auf Twitter auf die Vorwürfe reagiert. Das Krankenhaus und Angestellte hätten E-Mails mit Belästigungen und Drohungen erhalten.

In einem Tweet vom 16. August wird klargestellt: „Für eine Hysterektomie, die im Rahmen einer geschlechtsangleichenden Behandlung durchgeführt wird, muss die Patientin im Boston Children’s selbst einwilligungsfähig sein. Das Alter von 18 Jahren wird als Standardalter für die Volljährigkeit bei medizinischen Entscheidungen verwendet. Boston Children’s hat im Rahmen einer geschlechtsangleichenden Behandlung keine Hysterektomien an Minderjährigen durchgeführt und wird dies auch nicht tun.“

Der Twitter-Beitrag des Krankenhauses in Boston, in dem auf die Vorwürfe reagiert wird (Quelle: Twitter; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Auf der Website der Klinik steht zwar, dass bei Personen ab 15 Jahren zum Beispiel Brustoperationen möglich seien, sofern die Eltern zugestimmt haben. Das gilt jedoch weder für geschlechtsangleichende Hysterektomien, noch für Operationen an den Genitalien. Das Mindestalter dafür ist 18 Jahre, wie der Webseite des Krankenhauses zu entnehmen ist (hier und hier).

In der Regel muss für geschlechtsangleichende Operationen eine „anhaltende, gut dokumentierte Geschlechtsdysphorie“ diagnostiziert sein, wie auf der Webseite des Krankenhauses zu lesen ist. Eine Person mit Geschlechtsdysphorie identifiziert sich mit einem anderen Geschlecht als dem, das ihr bei der Geburt zugewiesen wurde – und leidet stark darunter. Die Diagnose muss unter anderem durch Briefe von einer Ärztin und einem Therapeuten belegt werden, zudem muss die betreffende Person mindestens zwölf Monate unter dem Geschlecht gelebt haben, mit dem sie sich identifiziert. Eine Operation sei nie die erste Lösung, sondern werde meistens durchgeführt, nachdem bereits andere Maßnahmen wie die Einnahme von Hormonen erfolgt ist, schreibt das Krankenhaus.

Redigatur: Sarah Thust, Alice Echtermann