Gerüchtekiller

Gerüchtekiller #4: Schadet Lesen bei schlechtem Licht den Augen?

Angeblich schadet Lesen bei schlechtem Licht den Augen. Ganz falsch ist das nicht. Aber gefährdet ist man nur in einem bestimmten Alter.

von Steffen Kutzner

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Bei schwachem Licht zu lesen, schadet den Augen? So einfach ist es dann doch wieder nicht. (Quelle: BrickBard / Pixabay)

In unserer Rubrik „Gerüchtekiller“ gehen wir hartnäckigem Halbwissen und nicht totzukriegenden Gerüchten nach. Das hier ist Nummer 4.

Zugegeben: Vielleicht sind die Zeiten vorbei, in denen Kinder heimlich unter der Bettdecke lesen, obwohl längst Schlafenszeit ist. Dennoch ist so ein Lustiges Taschenbuch natürlich verlockend. Damals wie heute kam das vermeintliche Totschlagargument der Erziehungsberechtigten, die einen unter der Bettdecke mit der Taschenlampe erwischen: „Du verdirbst dir die Augen!“

Elterliche Sorge in allen Ehren, aber stimmt es überhaupt, dass Lesen bei schlechtem Licht eine dumme Idee ist?

Die Antwort ist ganz einfach! (War ein Witz, ist sie natürlich nicht.)

Wir haben beim Bundesverband Deutsche Ophthalmochirurgie nachgefragt. Das sind jene, die Augen operieren. Christine Detsinyi, Referentin der Geschäftsführung bei dem Verband, schrieb uns, eindeutige Beweise, dass Lesen bei schlechtem Licht kurzsichtig macht, gibt es nicht. 

Aber: „Lesen bei unzureichender Beleuchtung in jungen Lebensjahren [ist] möglicherweise nicht ideal. […] Neben Umwelteinflüssen und Verhaltensweisen spielen auch ethnische sowie genetische Einflüsse eine Rolle.“ Einfacher formuliert: Gerade für Jüngere kann Lesen unter der Bettdecke nicht die beste Idee sein. Wenn, dann liegt es aber nicht am Licht allein. 

Wer Gene für Kurzsichtigkeit hat, sollte beim Lesen lieber das Licht einschalten

Wir haben noch jemanden gefragt: Horst Helbig, Direktor der Klinik für Augenheilkunde an der Uni Regensburg. Auch er sagt: Es gibt zumindest Hinweise darauf, dass Jugendliche stärker kurzsichtig werden könnten, wenn sie viel und bei schlechtem Licht lesen.

Das Problem an der Sache ist, dass es praktisch unmöglich ist, eindeutige Daten zu bekommen: „Dazu bräuchte es Studien, bei denen viele tausend Kinder über viele Jahre kontrolliert bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen lesen und vorher und hinterher die Augen untersucht werden. Solche Studien gibt es nicht und wird es nie geben“, sagt Helbig. 

Nichts Genaues weiß man also nicht. Aber: Es geht immer nur um das noch nicht fertig entwickelte Auge. Ab Mitte zwanzig ist es unwahrscheinlich, dass Lesen bei schlechtem Licht schadet, schreibt Detsinyi. Im Erwachsenenalter ist Lesen bei schwachem Licht zwar anstrengend, weil die Pupille lange weit geöffnet ist, Schäden sind dann aber nicht mehr zu erwarten.

Also ist am Ende doch was dran an der elterlichen Sorge. Wer eine genetische Disposition hat, sollte im Kindes- und Jugendalter nicht unbedingt mit der Taschenlampe unter der Bettdecke lesen. Profi-Tipp: Sich ins Badezimmer schleichen, das Licht anschalten und dort weiter lesen. Dass man auch mal nachts aufs Klo muss, verstehen auch die Eltern. 

Redigatur: Viktor Marinov, Gabriele Scherndl

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