Gerüchtekiller

Gerüchtekiller #1: Mikrowellen zerstören die Nährstoffe im Essen – stimmt das?

Mikrowellengerichte sollen ungesund sein, weil durch die Strahlung angeblich Vitamine und Nährstoffe zerstört werden. Dieses Gerücht kursiert schon seit Jahrzehnten, aber es stimmt nicht. Jedenfalls nicht pauschal.

von Steffen Kutzner

Mikrowelle Gerüchtekiller
Gerichte aus der Mikrowelle sind nicht pauschal nährstoffärmer als Gerichte, die auf dem Herd gekocht oder gebraten wurden. Für manche Nährstoffe und Vitamine ist die Zubereitung in der Mikrowelle sogar schonender. (Symbolbild: Ria Sopala / Pixabay)

In unserer neuen Rubrik „Gerüchtekiller“ gehen wir hartnäckigem Halbwissen und nicht totzukriegenden Gerüchten nach. Das hier ist Nummer 1.

„Mikrowellen zerstören die Nährstoffe im Essen!“ Schon mal gehört? Wir auch. Der Mythos wird von Generation zu Generation weitergegeben, seit die Geräte in den 70er Jahren ihren Weg in die Küchen von Privathaushalten fanden. Und wie alle Mythen wird er gern ohne Angabe von Quellen oder Belege verbreitet und als allgemeine Wahrheit akzeptiert. Gern auch in maßlos übertriebener Form: In einem Beitrag des Blogs „Bewusst Vegan Froh“ wird gar behauptet, „Mikrowellen fördern den Tod“.  

Aber was genau soll eigentlich so schlimm an der Zubereitung von Essen in der Mikrowelle sein? Werden dabei wirklich Nährstoffe zerstört? Wer diese Fragen stellt, ist bereits dabei, den Mythos zu entzaubern.

Zerstören Mikrowellen Nährstoffe im Essen? Das Beispiel Brokkoli 

Gerüchte, die in der Mikrowelle zubereitetes Essen als schlecht abstempeln, kursieren seit Jahrzehnten. Der Blog „Bewusst Vegan Froh“ greift zum Beispiel eine Studie aus dem Jahr 2003 auf, in der untersucht wurde, wie sich Brokkoli verhält, wenn man ihn auf unterschiedliche Weise erwärmt. Bereitet man ihn in der Mikrowelle zu, verliert er 97 Prozent seiner sogenannten Flavonoide. Das ist ein Farbstoff, der in vielen Pflanzen und Obst vorkommt und als sehr gesund gilt. Aber auch wenn man Brokkoli in Wasser kocht, statt ihn in der Mikrowelle zu erwärmen, ist der Verlust laut der Studie hoch: 66 Prozent.

Also Brokkoli besser nicht im Mikrowellenherd erwärmen? So einfach ist die Sache nicht, denn beim Vitamin-C-Gehalt verhält es sich andersherum, wie aus einer Studie aus dem Jahr 2007 hervorgeht. Die Zubereitung mit Wasser verringert den Anteil des wasserlöslichen Vitamin C beim Kochen um 34, beim Dünsten um 22 Prozent. Bei der Zubereitung in der Mikrowelle bleiben dagegen mehr als 90 Prozent des Vitamin C im Brokkoli erhalten, weil bei der Erwärmung in der Mikrowelle gar kein oder nur sehr wenig Wasser benutzt wird. Die wasserlöslichen Vitamine können also nicht abwandern.

Letztlich kommt es also darauf an, welche Nährstoffe oder Vitamine man im Essen erhalten möchte und welche davon wasserlöslich sind oder eben nicht. Pauschal zu behaupten, Mikrowellenherde zerstörten Nährstoffe und Vitamine, ist also falsch.

Wir haben darüber auch mit Fachleuten gesprochen: Julia Rudorf, Pressesprecherin beim Bundesamt für Strahlenschutz, schrieb uns: „Werden Lebensmittel im Mikrowellengerät erwärmt, ist das nicht schädlicher als die herkömmliche Zubereitung.“

Zubereitung in Mikrowelle kann sogar schonender sein

Auch Wim Wätjen, der sich an der Universität Halle mit sekundären Pflanzenstoffen wie etwa den genannten Flavonoiden beschäftigt, kann der Mikrowelle kein pauschales negatives Urteil ausstellen: „Im Vergleich zu anderen Behandlungen ist Mikrowellenstrahlung teilweise eher schonend.“ Verallgemeinern könne man das laut Wätjen jedoch nicht, weil verschiedene Pflanzenstoffe auch unterschiedlich empfindlich seien. 

Wie funktioniert eigentlich eine Mikrowelle?

In einer Mikrowelle wird elektromagnetische Strahlung erzeugt. Die Mikrowellenstrahlung durchdringt die meisten Substanzen, wie Glas oder Plastik, wird aber von einigen Stoffen absorbiert, etwa von Wasser. Die Ladungen der Moleküle werden im elektromagnetischen Feld immer wieder neu ausgerichtet, wodurch diese anfangen, sich zu drehen. Dabei entsteht Wärme, die auch an benachbarte Moleküle abgegeben wird: Das Essen wird warm.

Auch eine polnische Meta-Studie aus dem Jahr 2021 bestätigt, dass zu Mikrowellenöfen zwar viele Gerüchte in Umlauf sind, eine Zubereitung von Lebensmitteln per Mikrowelle aber positive Auswirkungen auf den Nährwert haben kann.

Negative Auswirkungen könnten allerdings dennoch auftreten, aber die haben nichts mit den Lebensmitteln an sich zu tun, sondern mit dem Geschirr, das man verwendet: So weist Julia Rudorf vom Bundesamt für Strahlenschutz darauf hin, dass etwa die Verwendung von Bambusgeschirr in der Mikrowelle zur Absonderung schädlicher Stoffe führen könne. Allerdings sei das bei jeder Form von Erhitzung der Fall. Etwa wenn man heißen Kaffee in einen Mitnehmbecher schüttet, der aus Bambusmaterialien besteht, wie das Bundesamt für Risikobewertung berichtet.

Auch die Mikrowellenstrahlung selbst ist übrigens nicht schädlich, wie Julia Rudorf erklärt: An der Tür des Geräts könne zwar während des Erhitzens eine sogenannte Leckstrahlung auftreten, aber die sei viel zu gering, als dass sie Menschen schaden könne. 

Redigatur: Matthias Bau, Uschi Jonas