Faktencheck

Video von Messerangriff in Belgien ist ein Jahr alt

Ein Video von einem Messerangriff in Brüssel wird aktuell verbreitet, um Stimmung gegen Asylsuchende zu machen. Anders als behauptet, ist das Video mehr als ein Jahr alt – der Vorfall war anscheinend Teil eines früheren Streits.

von Sarah Thust

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Ein Video zeigt einen Messerangriff Anfang 2023 am Gare du Midi in Brüssel – im Sommer 2024 wird es verbreitet, um Stimmung gegen Asylsuchende zu machen. Dass sich die Männer im Video kannten, wird ausgelassen. (Quelle: Telegram; Screenshot, Collage und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Ein Asylbewerber habe sich am 23. Juli 2024 von hinten an einen Belgier geschlichen und ihn mit einem Messer verletzt.
Bewertung
Falscher Kontext
Über diese Bewertung
Falscher Kontext. Das Video zeigt einen Angriff im Gare du Midi in Brüssel im Januar 2023. Zur Herkunft des Opfers machte die Staatsanwaltschaft keine Angaben, der Verdächtige habe sich zum Tatzeitpunkt illegal in Belgien aufgehalten. Laut der Staatsanwaltschaft kannten sich die zwei Personen jedoch – der Angriff sei Teil eines früheren Streits gewesen.

Hinweis: In diesem Beitrag sind Bilder und Videos verlinkt, die Gewalt zeigen.

Am 24. Juli 2024 tauchte ein Video in Sozialen Netzwerken auf, das „unfassbare Szenen“ am Tag zuvor in Belgien zeigen soll. In den Beiträgen mit teils hunderttausenden Aufrufen wird der Vorfall schockierend bildlich beschrieben – ein „Assylant“ habe einen Belgier mit einem Messer angegriffen und „aufgeschlitzt“. „Europa ist im Ausnahmezustand“, schreiben Nutzerinnen und Nutzer unter anderem auf Facebook. 

Einige Nutzer nennen einen X-Post, andere einen Telegram-Kanal namens „Bismarcks Alpträume“ als Quelle für das Video. Dass sich aber keine Berichte über einen solchen Messerangriff in Belgien am 23. Juli 2024 finden, weder auf Französisch noch auf Deutsch, ist in dem Fall ein erster Hinweis, dass die Behauptung so nicht stimmt. 

Video von Messerangriff stammt aus Belgien – doch es ist von Anfang 2023

Was das Video aus Belgien zeigt, ergibt eine Bilder-Rückwärtssuche: Mehrere belgische Medien hatten über einen Vorfall am 17. Januar 2023 berichtet, bei dem ein 18-Jähriger einen 17-Jährigen mit einem Messer im Brüsseler Bahnhof Gare du Midi angegriffen und verletzt hatte. Herkunft von Opfer und Tatverdächtigem werden in den Medienberichten nicht erwähnt. 

Die belgische Polizei habe den Tatverdächtigen nach dem Angriff festgenommen, das Opfer sei laut Staatsanwaltschaft nicht lebensgefährlich verletzt worden. Die Videos in den Medienberichten sind identisch mit dem Video, das in Sozialen Netzwerken kursiert. 

Medienbericht von 7sur7 zeigt dasselbe Video mit dem Datum 17. Januar 2023
Das Original-Video stammt von einer Überwachungskamera am Gare du Midi in Brüssel vom 17. Januar 2023 – es ist nicht wie behauptet aktuell (Quelle: 7sur7; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Laut Staatsanwaltschaft war der Vorfall „Teil eines früheren Streits zwischen den beiden Parteien“

Auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck am 19. August 2024 bei der Staatsanwaltschaft des Königs in Belgien, bestätigte Sprecherin Yasmina Vanoverschelde dies. Sie verwies auf eine Stellungnahme vom 18. Januar 2023 der Brüsseler Staatsanwaltschaft, wonach der Vorfall anscheinend „Teil eines früheren Streits“ zwischen den beiden Männern gewesen sei. Laut der Fall-Akte habe sich der Verdächtige „zum Zeitpunkt der Ereignisse illegal im belgischen Hoheitsgebiet“ aufgehalten. Informationen zur Nationalität des Opfers erhielten wir nicht.

Auszug aus der Stellungnahme der Brüsseler Staatsanwaltschaft vom 18. Januar 2023: „Am Dienstagmorgen, dem 17. Januar 2023, wurde ein 17-jähriger Jugendlicher am Gare du Midi von einem Achtzehnjährigen mit einem Messer angegriffen. Der Vorfall scheint Teil eines früheren Streits zwischen den beiden Parteien zu sein. Das Opfer wurde dabei verletzt, schwebt aber nicht in Lebensgefahr. (…) Der mutmaßliche Täter wurde am Mittwoch, den 18. Januar 2023, vom Ermittlungsrichter vernommen. Er wurde wegen vorsätzlicher Körperverletzung an einem Minderjährigen, die zu Arbeitsunfähigkeit führte, und wegen Führens einer Waffe angeklagt und mit einem Haftbefehl belegt. Die Ermittlungen werden fortgesetzt, um die genauen Umstände der Ereignisse zu klären.“

Zum aktuellen Stand des Verfahrens fragten wir bei der stellvertretenden Generalstaatsanwältin An Schoonjans nach: Sie schrieb, dass sich der Verdächtige in Belgien im Gefängnis befinde und am 31. Juli 2024 vom Berufungsgericht in Brüssel zu einer Haftstrafe von über vier Jahren verurteilt wurde.

Redigatur: Paulina Thom, Sophie Timmermann

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