Faktencheck

Altes Video von Überfall in Frankfurt entfacht erneut Hetze gegen Ausländer

Zu einem alten Video, das einen Überfall im Frankfurter Bahnhofsviertel zeigt, wird online behauptet: Männer aus dem „Nahen Osten“ würden einen Deutschen ausrauben. Das Opfer war jedoch Rumäne und verhaftet wurden Männer aus Bulgarien.

von Sarah Thust

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Polizisten am Hauptbahnhof in Frankfurt am Main: Die Gegend ist für Kriminalität bekannt (Symbolbild: Andreas Arnold / DPA / Picture Alliance)
Behauptung
Ein Video zeige, wie Ausländer aus dem Nahen Osten einen Deutschen angegriffen und beraubt hätten.
Bewertung
Größtenteils falsch
Über diese Bewertung
Größtenteils falsch. Das Video zeigt einen Überfall im Frankfurter Bahnhofsviertel am 12. Juli 2022. Festgenommen wurden laut Polizei mehrere Tatverdächtige mit bulgarischer Staatsangehörigkeit, das Opfer sei rumänischer Staatsangehöriger.

Hinweis: In diesem Beitrag sind Bilder verlinkt, die Gewalt zeigen. 

Einige Videos werden in Sozialen Netzwerken über Jahre verbreitet, um Hass gegen Menschen aus anderen Ländern zu schüren. Ohne Details über die Herkunft der Täter zu kennen, nutzen sie manche Nutzerinnen und Nutzer für rassistische Hetze. So auch bei einem Video, das sich im September 2024 auf X verbreitete. Es soll „Ausländer aus dem Nahen Osten“ zeigen, die einen Deutschen angreifen und ausrauben. 

Dieser Beitrag wurde 690 Mal geteilt, doch es gibt viele weitere. Das Video wurde bereits im Mai 2024 von anderen X-Accounts und auch international geteilt. Doch das Video ist jahrealt und hat mit dem „Nahen Osten“ nichts zu tun.

X-Beitrag mit dem Video und der falschen Behauptung, es zeige „Ausländer aus dem Nahen Osten“
Dieses Video kursiert im September 2024, zeigt aber einen Überfall vor Jahren in Frankfurt am Main. Der Beitrag behauptet, die Täter kämen aus dem Nahen Osten – das stimmt nicht (Quelle: X; Screenshot und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck)

Was genau zeigt es? Im Video sind fünf Personen an einer Kreuzung zu sehen. Ein Mann mit einer schwarzen Jacke holt aus und schlägt dem Mann neben ihm ins Gesicht, der daraufhin zu Boden fällt. Eine Person mit Kapuzenjacke verlässt das Bild – die übrigen Personen bleiben, zwei davon leeren die Taschen des Mannes am Boden.   

Ab Sekunde zwölf ist im Video ein Ladenschild mit der Aufschrift „Metzgerei Stürmer“ zu sehen. Ein Vergleich mit Google Streetview zeigt, dass sich das Geschäft im Frankfurter Bahnhofsviertel befindet. Das bestätigt auch eine Bilderrückwärtssuche – sie führt zu dem Video vom 18. Juli 2022 auf dem Youtube-Kanal von Bild. Laut dem dazugehörigen Artikel zeigt es einen Raubüberfall in Frankfurt am Main, weder Täter noch Opfer waren zu diesem Zeitpunkt bekannt. Die Gegend um den Hauptbahnhof in Frankfurt am Main gilt als Brennpunkt in Sachen Kriminalität

google streetview standort des Überfalls
Das Ladenschild der Metzgerei ist auch in dem Video auf X zu erkennen – dort ereignete sich der Raubüberfall im Jahr 2022 (Quelle: Google Streetview; Screenshot und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

Drei Tatverdächtige kamen aus Bulgarien, das Opfer aus Rumänien

Auch in den Pressemitteilungen der Polizei stand damals nichts zur Herkunft der Beteiligten. Das Polizeipräsidium Frankfurt am Main teilte damals lediglich mit: Die Tat habe sich am 9. Juli 2022 um 7:30 Uhr ereignet, bei dem Opfer handele es sich um einen 35-Jährigen und ein 33-jähriger Tatverdächtiger sei festgenommen worden. Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen. 

CORRECTIV.Faktencheck hat im September 2024 bei der Polizei nach der Herkunft der Beteiligten und dem Stand der Ermittlungen gefragt. Polizeihauptkommissar Thomas Hollerbach vom Polizeipräsidium Frankfurt am Main schrieb uns, die Behauptung, die Täter kämen aus dem „Nahen Osten“ könne er nicht bestätigen. In dem Fall seien drei bulgarische Tatverdächtige festgenommen worden, das Opfer sei rumänischer Staatsangehöriger. Zwei der Tatverdächtigen seien wegen schweren Raubes zu einer Haftstrafe verurteilt worden. 

Spekulationen über die Herkunft werden immer wieder für ausländerfeindliche Hetze genutzt

Nicht immer macht die Polizei die Herkunft von Tatverdächtigen bei Straftaten sofort öffentlich – auch Medien handhaben das unterschiedlich. In Nordrhein-Westfalen gibt die Polizei die Nationalität mutmaßlicher Täter bekannt, laut eigener Angabe, um Spekulationen vorzubeugen. 

Die Organisation Neue Deutsche Medienmacher schreibt dagegen, dass ein falscher Eindruck entstehen kann und Vorurteile geschürt werden, wenn die Herkunft genannt werde: „Kulturalisierung von Kriminalität“, nennt das Geschäftsführerin Konstantina Vassiliou-Enz in einem Interview. Die Herkunft sollte demnach nur genannt werden, wenn das auch begründet ist.

Ob die Herkunft des Tatverdächtigen genannt wird oder nicht – Falschinformationen zu solchen und ähnlichen Fällen tauchen im Internet immer wieder auf. So kursiert seit März ein Video, in dem ein Mann Frauen an einer U-Bahn-Station schlägt – angeblich in Deutschland. Es entstand aber in Spanien. Im Juni kam ein altes Video dazu: Angeblich ein Geflüchteter, der einen Österreicher in Wien ermordet habe – diese Aufnahme kam in Wirklichkeit aus Australien. Im Juli ein weiteres Video: Es zeigte einen Messerangriff in Brüssel, der nicht aktuell war und Teil eines Streits. 

Mitarbeit: Laura Seime
Redigatur: Matthias Bau, Gabriele Scherndl