Pro-russischer Lobbyist wieder im SPD-Umfeld aktiv
Er ist ein pro-russischer Netzwerker und gilt als Vertrauter von Gerhard Schröder. Nun taucht Heino Wiese in einer neuen Beraterfunktion auf – mitten in der Debatte um den Umgang der Partei mit dem Erbe des Altkanzlers.
Heino Wiese hat die Zeitenwende offenbar gut überstanden. Als pro-russischer Lobbyist mit guten Verbindungen in den Politikbetrieb waren Wieses Dienste nach der Invasion Russlands in die Ukraine vor zweieinhalb Jahren eigentlich nicht mehr gefragt. Als Honorarkonsul stand Wiese bis dahin sogar ganz offiziell im Dienste Russlands . Es sieht allerdings danach aus, dass Wiese mithilfe von Vertrauten von Gerhard Schröder über zwei Firmen wieder in den Einflussbereich der SPD rückt.
Nach Recherchen von CORRECTIV ist Wiese inzwischen als Senior Advisor für die Beratungsfirma Vision Consulting tätig. Diese wurde im Februar dieses Jahres vom früheren niedersächsischen SPD-Landtagsabgeordneten Mustafa Erkan gegründet. Erkan gilt als Vertrauter des früheren Bundeskanzlers Schröder.
Die Vision Consulting bietet laut eigener Beschreibung „Unternehmens-, Politik- und Sportberatung“ an. „Globales Know-how, lokale Expertise. Vision Consulting macht’s möglich“, so ein Motto. Konkrete Informationen über die Arbeit der Vision Consulting finden sich auf der Website nicht. Über Wiese heißt es dort, dieser sei „eine vielseitige und einflussreiche Persönlichkeit“, die durch „Tätigkeiten in Politik, Wirtschaft und Diplomatie nachhaltig beeindruckt“. Fragen zur konkreten Tätigkeit Wieses und der Firma beantwortete Erkan nicht.
Erkan, Wiese und Schröder eint die Hannoveraner SPD-Vergangenheit. Auch Sigmar Gabriel zählt zum Kreis der Vertrauten, Wiese war als Wahlkampfleiter von Schröder und später Gabriel eng mit beiden verbunden. Alle drei Männer befürworteten bei öffentlichen Auftritten die Nord Stream-Pipeline. Wiese war Vorstand des deutsch-russischen Forums und galt als einer der wichtigsten Interessenvertreter Moskaus in Deutschland. Im Februar 2022 teilte Wiese mit, von seinem Amt als Honorarkonsul der Russischen Föderation „tieftraurig“ zurückgetreten zu sein. CORRECTIV hat diese engen Verbindungen in der Recherche zur „Gazprom Lobby“ nachgezeichnet
Erkan saß von 2013 bis 2017 im niedersächsischen Landtag. Nach seinem Ausscheiden verließ er die Partei und wurde Berater des türkischen Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu. Den Altkanzler bezeichnet Erkan als Freund und Vorbild.
Wiese ist in bestimmten SPD-Kreisen rehabilitiert
Bereits bekannt ist eine weitere Beschäftigung Wieses im Dunstkreis der SPD. Anfang dieses Jahres war er als Senior Advisor bei der Bissendorf Consulting aufgeführt. Die Firma wurde vom niedersächischen SPD-Politiker Tjark Bartels gegründet und begreift sich als „Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik, national und international“.
Es gibt eine weitere Verbindung der Consulting-Firma zu Wiese: Die Geschäftsführerin Jenny Bogitzky und die Beraterin Julia Bar leiteten zuvor bereits die Geschäfte der Wiese Consult GmbH, die sich inzwischen in Liquidation befindet. Bogitzky betonte auf Anfrage, die Unternehmen „hingen und hängen weder formell noch geschäftlich zusammen“.
Laut Lobbyregister des Bundestages betätigt sich die Bissendorf Consulting auf dem Interessengebiet der Energiepolitik. Aufgeführt ist dort eine Mitgliedschaft im Wirtschaftsforum der SPD e.V.. Der Berufsverband sieht sich als von der Partei unabhängig, organisiert aber den Austausch mit den wichtigsten SPD-Granden. Bogitzky wurde zuletzt in einem Bericht zum Neujahrsempfang des Netzwerks Women in Lead des Wirtschaftsforums erwähnt.
Inzwischen ist Wiese bei der Bissendorf Consulting offenbar wieder raus. Bogitzky teilte mit, es habe „zu keinem Zeitpunkt eine formelle Zusammenarbeit mit Heino Wiese, lediglich die Idee einer Kooperation“ gegeben. Demnach sei überlegt worden, Wieses Expertise „im Bereich internationale Märkte“ einzusetzen, der russische Markt sei jedoch explizit ausgeschlossen worden.
Doch die beiden Beschäftigungen im Dunstkreis der SPD fallen in eine für die Partei heikle Zeit. Sie könnten Vorbote werden für die Rückkehr einer Politik, von der man sich eigentlich bewusst abgewendet hatte.
Die Rückkehr eines alten Politikkurses?
So hatte der neue SPD-Generalsekretär Matthias Miersch – ebenfalls aus der Hannoveraner SPD – kurz nach seiner Vorstellung Anfang Oktober eine Debatte über die Rolle Schröders entfacht. Der Ex-Kanzler hatte sich über Jahre für eine intensive Energiepartnerschaft mit Russland eingesetzt und gilt als Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Bisherige Versuche, Schröder aus der SPD auszuschließen, scheiterten.
Schröder saß unter anderem im Aufsichtsrat des russischen Staatskonzerns Rosneft und steht dem Verwaltungsrat der Nord Stream 2 AG vor. Zuletzt wiederholte Schröder bei einer Podiumsdiskussion in Wien die Kreml-Erzählung, Putin wolle sein Land „vor Angriffen von außen“ schützen, und legte nahe, Waffenlieferungen an die Ukraine an Friedensverhandlungen mit Russland – zu ungenannten Konditionen – zu führen.
Er plädiere für eine „differenzierte Sicht“ auf den ehemaligen Bundeskanzler Schröder, sagte Miersch nach seiner Vorstellung als neuer Generalsekretär. Wenig später legte er nach und bejahte gegenüber dem Stern die Frage, ob Schröder weiter Teil der Partei sei. „Wir haben zwei Schiedsgerichtsverfahren gegen Gerhard Schröder gehabt. Beide haben ihm bescheinigt, dass er sich nicht parteischädigend verhalten hat“, so Miersch.
Das Magazin titelte: „Miersch sieht Raum für Gerhard Schröder in der SPD”. Tatsächlich stellt sich vor allem nach dem Zusammenbruch der Ampel-Koalition die Frage, wie viel Raum jene Russland-Politik künftig in der SPD erhalten soll, für die Schröder oder Wiese stehen.
Text & Recherche: Alexej Hock, Artur Weigandt
Redaktion: Justus von Daniels, Marcus Bensmann
Faktencheck: Marcus Bensmann
Bildredaktion: Ivo Mayr