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Autor Bild Anette Dowideit

am Wochenende wurde in vielen Städten demonstriert, gegen den Rechtsruck. Was sich von den Bildern von den Demos bei mir am stärksten eingeprägt hat: Die Plakate sahen deutlich anders aus als jene vor einem Jahr. Damals drehten sich die Sprüche vor allem um die AfD. Heute bestimmt die Hälfte um Friedrich Merz und die CDU.

Dennoch lässt Merz sich nicht beirren: Beim heutigen Bundesparteitag der CDU in Berlin stellte er seinen Fünf-Punkte-Plan zur schärferen Migrationspolitik unverändert vor.

Foto:Hannes P Albert/picture alliance
CDU-Chef Friedrich Merz (Foto:Hannes P Albert/picture alliance)

Gegenüber CORRECTIV bleibt er weiter stumm. Merz hat in den vergangenen beiden Wochen drei Anfragen von uns unbeantwortet gelassen: 

  • die zehn wichtigsten Fragen zu seiner Haltung zur Migration – und wie sie sich von der „Remigrations“-Politik der AfD unterscheidet (die Fragen sind hier nachzulesen)
  • seine Haltung zu zehn anderen Themen von Ihnen, unseren Leserinnen und Lesern, wie Klimaschutz und Bildung, die wir ihm im Rahmen unserer Initiative „Deine Stimme, deine Themen“ geschickt hatten
  • Fragen zu seiner Lobby-Tätigkeit, die wir ihm vor der Veröffentlichung unserer Recherche „Der Mann der Großkonzerne“ geschickt hatten.


Eine Antwort von Merz’ Sprecher bekam ich am Freitag lediglich auf eine vierte Anfrage: Ein Leser hatte gehört, der CDU-Kanzlerkandidat plane – nach dem Brandmauer-Desaster von vergangener Woche – gerade hektisch eine Last-Minute-Imagekampagne, in der er sich in einem freundlichen Homestory-Umfeld mit Ehefrau und Hunden zeigen wolle. Antwort des Sprechers: „Es gibt keine solche PR-Kampagne, und sie ist auch nicht geplant.“ (Hierzu sind Sie herzlich eingeladen, in den kommenden Wochen mal die Augen offenzuhalten.)

Thema des Tages: Die Schnittmenge zwischen CDU und AfD

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

Bundestagswahl-Spezial: FDP im Wahlprogramm-Check von Salon5

Faktencheck: Minus 40 Grad in Deutschland?

Gute Sache(n): Welcher Kandidierende tickt wie ich? • Schülerinnen entwickeln Anti-K.-o.-Tropfen • Das steht im Verfassungsschutzgutachten der AfD

CORRECTIV-Werkbank: Inhaltliche Überschneidungen zwischen der CDU und AfD

Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie groß dieser Anteil ist: Bei der AfD gibt es fünf weitere politische Forderungen, die sich NICHT auch bei der Union finden. Bei der CDU/CSU wiederum stehen drei weitere Punkte im Programm, die nicht deckungsgleich mit der AfD sind.

Sophie Scheytt von Amnesty fasst das Ergebnis der Analyse so zusammen: „Im Wesentlichen laufen die Forderungen der CDU/CSU auf eine Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl hinaus. Ein Großteil der Forderungen im Wahlprogramm der Union widersprechen grundlegenden Menschenrechten. Mit ihrem Wahlprogramm greift die Union gleichzeitig zwei wichtige Säulen unserer Gesellschaft an: die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland und die Idee einer europäischen Rechtsgemeinschaft. Das ist brandgefährlich.“

Hier erklärt die Organisation, warum das „Zustrombegrenzungsgesetz“, das der Bundestag am Freitag vorerst ablehnte, klar Europa- und Völkerrecht verletzt. Und hier ordnet sie Merz’ Fünf-Punkte-Plan ein.

Die Übereinstimmungen:
1.) Aussetzung des Familiennachzugs bei Geflüchteten mit „subsidiärem Schutz“
Subsidiärer Schutz bedeutet: Menschen, die nicht aus Ländern stammen, für die wir hier Asyl gewähren – die aber trotzdem Zuflucht bei uns finden, weil ihnen im Heimatland ernsthafter Schaden droht. Von rund 250.000 Asylanträgen, die im vergangenen Jahr gestellt wurden, bekamen laut Bundesamt für Migration, siehe Tabelle auf Seite 3, etwa 75.000 Menschen diesen Schutz gewährt.

2.) Nationaler Grenzschutz
Also alle deutschen Grenzen dichtmachen – einer der prominentesten Punkte in Merz’ „Fünf-Punkte-Plan“.

3.) Ausweitung dessen, welche Länder als „sichere Herkunftsländer“ gelten
Merz nannte hier ein paar Beispiele, darunter Moldau und Georgien.

4.) Beendigung humanitärer Aufnahmeprogramme.
Das sind Sonderprogramme für Länder mit akuter Notlage; aktuell gibt es solche für Afghanistan und die Türkei. Die CDU will alle beenden – die AfD lediglich das für Afghanistan.

5.) Zentrale Unterbringung von Asylantragstellern.
Gemeint sind hier sogenannte Dublin-Center: Menschen, deren Asylanträge in anderen EU-Staaten bearbeitet werden, die aber solange in Deutschland warten, sollen nicht mehr auf die Kommunen verteilt werden – sondern eben in diesen Zentraleinrichtungen warten.

6.) Mehr Rückkehr, mehr Abschiebungen

7.) Kürzungen von Sozialleistungen für Schutzsuchende
Die CDU will eine flächendeckende Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete – die AfD spricht von „Sachleistungen“.

8.) Abschiebungen auch nach Syrien

9.) Die Verwendung des sogenannten Schlepper- und Schleuser-Narrativs
Das heißt: Es wird das Bild eines Berufsbild Schlepper gezeichnet, das durch den vermeintlichen „Pull-Faktor“ aus Deutschland erst geschaffen werde – also dadurch, dass es hier zu attraktiv sei, zu leben.

Die Unterschiede:
Die AfD will zusätzlich das Kirchenasyl abschaffen – das schon jetzt häufig von Behörden missachtet wird, wie unsere Recherche kürzlich zeigte. Und sie will unter anderem Nichtregierungsorganisationen, die Geflüchtete unterstützen, die staatliche Unterstützung streichen und ihre Arbeit strafrechtlich verfolgbar machen. 

Mehrere Mädchen sitzen auf dem Boden einer geheimen Schule, eine Lehrerin steht an einer Tafel
Eine geheime Schule für Mädchen in Kabul, Afghanistan im Juli 2022: Seit März 2022 haben die Taliban Mädchen verboten, offizielle weiterführende Schulen zu besuchen (Quelle: Picture Alliance / Abaca / Yaghobzadeh Alfred)

Die CDU wiederum will unter anderem explizit auch Menschen nach Afghanistan abschieben. Was dort unter der Taliban-Herrschaft los ist, beschreibt die bei uns angedockte afghanische Exil-Redaktion Porsa Media immer wieder im SPOTLIGHT. Zuletzt ging es darum, dass Frauen jetzt sogar Tageslicht verwehrt bleiben soll.

Apropos Parallelen in den Programmen von Union und AfD: Unsere Faktencheck-Redaktion zeigt hier, wie sich die Positionen zu Steuerentlastungen unterscheiden – und wie wenig informiert manche AfD’ler über die Wahlprogramme sind.

Erdbebengefahr: Menschen flüchten von Santorini 
Auf der griechischen Insel gab es über 200 Beben innerhalb von zwei Tagen. Experten gehen davon aus, dass es sich um Vorboten eines schweren Bebens handele – weshalb die Menschen vor Ort die vergangene Nacht im Freien verbracht haben oder Santorini verlassen wollen. Der Katastrophenschutz ist bereits vorsorglich vor Ort.
tagesspiegel.de

CORRECTIV.Lokal: Ein analoger Wahl-O-Mat für Bergisch-Gladbach 
Wie es ist, wenn nicht die Politikerinnen und Politiker bestimmen, worum es im Wahlkampf geht, sondern die Menschen vor Ort, zeigt das Bürgerportal Bergisch Gladbach. Die Redaktion ist Teil des CORRECTIV.Lokal-Projekts „Deine Stimme, deine Themen“ – und jetzt liegen die Antworten der Kandidierenden vor.
in-gl.de

(Symbolbild: Zanna-76 / Pixabay)

So geht’s auch
K.-o.-Tropfen sind so gefährlich, weil sie nicht zu sehen sind, sobald sie in ein Getränk gelangt sind. Vier Schülerinnen aus Neumünster haben ein Gegenmittel erfunden: Mit „Safesip“ flockt das Getränk auf und wird ungenießbar, sobald es kontaminiert wurde. Und das Beste daran: Die Tropfen funktionieren auch präventiv. 
kn-online.de

Fundstück
Falls Sie (oder Menschen in Ihrem Umfeld) sich fragen, warum die AfD als kritisch betrachtet wird, schauen Sie mal bei Netzpolitik.org vorbei. Die haben heute Morgen das Gutachten des Verfassungsschutzes veröffentlicht, weshalb die rechte Partei als „rechtsextremer Verdachtsfall“ eingestuft wurde. Zwei Hinweise: Das Dokument hat 1.000 Seiten. Und es ist aus dem Jahr 2021 – demnach sind die aktuellen Vorfälle dort noch gar nicht aufgelistet.
netzpolitik.org

Autor Box Jean Peters

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Robin Albers, Till Eckert