Wirtschaft

Gazprom-Gas von der Zapfsäule

Das brandenburgische Unternehmen Barmalgas plant in Rostock ein LNG-Terminal. Fragen werfen dessen Russland-Verbindungen auf. Das Gas stammt bisher aus Russland – und füllt die Kassen des staatlichen Gazprom-Konzerns.

von Alexej Hock

Foto:Jochen Tack/picture alliance
Künftig will Barmalgas LNG-Schiffe in Rostock anlanden lassen – Herkunft unklar.

Für die Barmalgas GmbH läuft es nicht schlecht, dem russischen Einmarsch und den darauf folgenden Erschütterungen auf dem Energiemarkt zum Trotz. Das Unternehmen aus Brandenburg betreibt ein deutschlandweites Tankstellennetzwerk für Autogas (LPG) sowie flüssiges Erdgas (LNG) und konnte für 2022 einen Rekordgewinn von knapp 3 Mio. Euro vorweisen.

Das Unternehmen wächst – und profitiert von seinen fragwürdigen Russland-Verbindungen. So hatte Business Insider berichtet, dass Barmalgas einem Putin-Freund half, Vermögen vor
Sanktionen zu retten, indem es Teile seiner Infrastruktur übernahm. Diese Verbindungen werfen Fragen auf, denn Barmalgas hat große Pläne: Im Rostocker Hafen will das Unternehmen einen LNG-Terminal errichten.

Wo das Gas dann herkommen soll, teilte Barmalgas bislang nicht mit. Recherchen von CORRECTIV zeigen nun, dass Barmalgas sein LNG bisher aus dem Reich des russischen Staatskonzerns Gazprom bezieht. Das ginge künftig auch per Schiff, da sich die EU auf ein generelles Verbot von Importen von verflüssigtem Erdgas aus Russland bisher nicht einigen konnte. Grünen-Politiker Hannes Damm fordert ein Stopp des LNG-Terminals in Rostock und warnt: „Russland darf nie wieder Zugang zu unserer kritischen Energieinfrastruktur bekommen.“

Neuer Lieferant gesucht und gefunden

Das Jahr 2022 erforderte auch für Barmalgas einige Umstrukturierungen. Bis zum russischen Überfall gegen die Ukraine arbeitete Barmalgas mit Novatek Green Energy zusammen, einer polnischen Tochterfirma des russischen Gasriesen Novatek. Barmalgas betrieb LNG-Tankstellen, Novatek lieferte das Gas. Danach brach der Lieferant weg – die polnische Regierung ließ das Vermögen Novateks und seiner Tochterfirma beschlagnahmen.

„Die Gasbeschaffung im Jahr 2022 erfolgte bis zur Ukraine-Krise über den zuvor erwähnten strategischen Partner“, heißt es dazu im Geschäftsbericht von Barmalgas. „Im Zuge der Beendigung dieser Lieferantenbeziehung musste die Gasbeschaffung komplett auf alternative Lieferanten umgestellt werden.“ Wer für Novatek in die Bresche sprang, wird nicht erwähnt. Dies zeigen nun Zolldaten, die CORRECTIV vorliegen.

Laut Daten von Importgenius, einer Firma, die Zolldaten weltweit aggregiert, taucht unter den Gasimporten von Barmalgas ab November 2022 vor allem eine Firma auf: Cryogas. Die russische Gesellschaft wurde 2011 von der Gazprombank übernommen und konnte mit Hilfe der Bank wachsen. In Kaliningrad, wo das Gas für Barmal laut den Zolldaten herkommt, hat Cryogas eine Verflüssigungsanlage für Erdgas gebaut.

Bislang von Sanktionen verschont

Demnach belief sich der Warenwert der bis April 2024 importierten mehr als 28 Tsd. Tonnen LNG auf rund 8 Mio. Euro. In manchen Fällen floss das Geld offenbar auch direkt an Gazprom, als Zahlungsempfänger taucht mehrfach die russische Firma Gazprom Export auf, die allerdings vom wahrscheinlichen Transitland Polen mit Sanktionen belegt worden ist.

Die Gazprombank wurde im vergangenen November wegen ihrer Rolle bei der Finanzierung des russischen Angriffskrieges von den USA sanktioniert. In der EU blieb sie bislang verschont, auch weil Russland bis zuletzt vorschrieb, dass Zahlungen an den Gasriesen Gazprom direkt in Rubel über Konten bei der Gazprombank erfolgen mussten.

Die Handelsbeziehung zwischen Barmalgas und Cryogas hat sich offenbar eingespielt. „Die Zusammenarbeit mit den neuen Lieferanten funktioniert verlässlich, sodass wir unsere Lieferverpflichtungen einhalten konnten“, heißt es dazu im Geschäftsbericht von Barmalgas.

Per LKW nach Deutschland

Von dem neuen Handel profitiert auch eine weitere Firma. Die BL Trade GmbH mit Sitz in Berlin wurde erst im April 2023 gegründet und hat sich auf den LNG-Transport per LKW spezialisiert – „aus dem Baltikum nach Deutschland und in andere zentraleuropäische Länder“, so das Unternehmen auf seiner Website. Kaliningrad wird dabei nicht genannt, allerdings taucht BL Trade in den Zolldaten als Warenempfänger im Auftrag von Barmalgas auf.

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In der EU und in den USA geraten Schiffe, die für Russland Öl und Gas transportieren, immer mehr in den Fokus von Sanktionen. Währenddessen versucht die BL Trade den Transport auf dem Landweg zu etablieren – wenngleich mit deutlich geringeren Mengen. Man wolle in den südöstlichen europäischen Markt expandieren; bestehende Geschäftsbeziehungen ermöglichten „flexible Preisgestaltung“ und „garantiert verlässliche Lieferung“, heißt es weiter.

Mit Dzhamil Bulgakov steht hinter der Firma ein erfahrener Manager, der sowohl den deutschen Markt als auch die russischen Lieferanten gut kennt. In Deutschland hat er sowohl für Gazprom als auch für Rosneft gearbeitet, berichtete Reuters.

Am Rostocker Hafen hat Barmalgas Großes vor

Barmalgas wächst weiter: 2023 hat das Unternehmen die Planung eines LNG-Terminals im Rostocker Hafen übernommen – ein Projekt, das von Novatek initiiert worden war. Geht es nach Barmalgas, sollen in dem Terminal jährlich rund 800.000 Tonnen LNG verschiedener Art umgeschlagen werden. Laut einer Präsentationsfolie des Betreiberunternehmens, die CORRECTIV einsehen konnte, rechnet man mit bis zu 60 mittelgroßen LNG-Schiffstankern pro Jahr.

Mit dem Projekt wolle man die „sichere Versorgung der maritimen Wirtschaft, der Industrie und der Energiewirtschaft in der Region Rostock“ gewährleisten. Ob die Schiffe, die am Terminal anlanden sollen, aus Russland kommen sollen, beantwortete Barmalgas wie auch wie weitere Fragen von CORRECTIV nicht.

In Mecklenburg-Vorpommern sind die Befürchtungen aber da. „Es wäre ein schwerer Fehler, erneut auf Gas aus Russland zu setzen“, sagte Grünen-Politiker Hannes Damm CORRECTIV. Russland nutze Energie als geopolitische Waffe und schaffe gezielt Abhängigkeiten, so der Landtagsabgeordnete.

Ein Nachspiel vor Gericht

Derweil hat das Vorgehen von Barmalgas bei der Übernahme der Vermögensanteile der polnischen Novatek-Tochter kurz vor der Beschlagnahmung ein Nachspiel. Der russische Mutterkonzern versucht, offene Rechnungen von Barmalgas an die polnische Tochter vorbei an den Sanktionen direkt an sich auszahlen zu lassen – ein Gerichtsverfahren dazu läuft am Oberlandesgericht Brandenburg.

Text & Recherche: Alexej Hock
Redaktion & Faktencheck: Marcus Bensmann
Bildredaktion: Ivo Mayr

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