Bundestagswahl 2025

Kanzler-Duell: Merz macht falsche Angaben zu „islamistischen Gefährdern“

Bei einem TV-Duell am 19. Februar mit Olaf Scholz spricht Friedrich Merz über 500 „islamistische Gefährder“, „überwiegend aus Afghanistan und aus Syrien", die in Deutschland frei herumliefen. Doch sowohl die Zahlen als auch die Angaben zu den Nationalitäten sind falsch.

von Max Bernhard

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Kurz vor der Bundestagswahl diskutierten die Kanzlerkandidaten der SPD, Olaf Scholz, und der CDU, Friedrich Merz, in einem Fernsehduell (Quelle: Michael Kappeler / DPA / Picture Alliance)
Behauptung
Es gebe etwa 500 amtlich bekannte Gefährder in Deutschland. Diese könnten weder festgenommen noch abgeschoben werden und kämen überwiegend aus Afghanistan und Syrien.
Bewertung
Falsch. Laut den aktuellsten Zahlen des BKA zum Stichtag 1. August 2024 waren in Deutschland 208 „Gefährder“ auf freiem Fuß. Anders als von Merz behauptet, stammen diese auch nicht überwiegend aus Afghanistan und Syrien, sondern sind zum Großteil deutsche Staatsbürger. Demnach konnte ein Teil von ihnen auch nicht abgeschoben werden.

Vier Tage vor der Bundestagswahl diskutierten die Kanzlerkandidaten der SPD, Olaf Scholz, und der CDU, Friedrich Merz, in einem Fernsehduell unter anderem zum Thema „islamistische Gefährder“.

Merz äußerte sich dazu wie folgt (ab Minute 45:54): „Wir haben in Deutschland ungefähr 500 amtlich bekannte Gefährder, überwiegend aus Afghanistan und aus Syrien, und wir haben kein Instrument in der Hand, diese Leute festzunehmen, in Abschiebegewahrsam zu nehmen, und sie auch abzuschieben. Die laufen da draußen frei rum.“

Das ist falsch – die Zahl der Gefährder, die sich in Deutschland befinden und auf freiem Fuß sind, ist laut Daten des Bundeskriminalamts deutlich niedriger.

In Deutschland sind 208 „religiös motivierte Gefährder“ auf freiem Fuß, nicht rund 500

Als Gefährder gelten Personen, denen von der Polizei „politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung“ wie zum Beispiel islamistische Terroranschläge zugetraut werden. Wenn sich diese Personen in Deutschland aufhalten, werden sie vom Bundesamt für Verfassungsschutz oder der jeweiligen Landesbehörde beobachtet. Die Zahl der Gefährder ist nicht Teil des Bundesverfassungsschutzberichts und wird auch nicht regelmäßig von offiziellen Stellen veröffentlicht, wie die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt.

Aktuelle Zahlen stehen in einer Antwort des BKA an das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Demnach waren zum 1. August 2024 472 Personen als „religiös motivierte Gefährder“ eingestuft. Von diesen waren 96 in Deutschland in Haft, und 168 befanden sich zu diesem Zeitpunkt im Ausland. In Deutschland auf freiem Fuß befanden sich 208 – weniger als die Hälfte der von Merz genannten Zahl also.

Mehrheit der Gefährder in Deutschland hat deutsche Staatsbürgerschaft

Zur Nationalität der als „Gefährder“ eingestuften Personen machte die Bundesregierung zuletzt im April 2024 Angaben. Demnach waren Stand 3. April 480 Personen als religiös motivierte Gefährder registriert, 304 hielten sich in Deutschland auf. Nur 138 von den sich in Deutschland befindlichen Personen hatten keine deutsche Staatsbürgerschaft. Sieben davon hatten die afghanische Nationalität, 65 die syrische. Dass die dem BKA bekannten Gefährder „überwiegend aus Afghanistan und Syrien“ stammen, wie Merz behauptete, ist also ebenfalls nicht richtig.

Es handelt sich bei „Gefährder“ um einen polizeilichen und nicht um einen rechtlichen Begriff. Teils wird die Praxis, Menschen präventiv als „Gefährder“ einzuordnen, kritisiert, weil dem Begriff keine genaue rechtliche Definition zu Grunde liegt. Die Polizei trifft auf Basis von nicht näher für die Öffentlichkeit definierten Annahmen eine Einschätzung, ob eine Person künftig schwere Straftaten begehen könnte.

Die Pressestelle der CDU antwortete bis zur Veröffentlichung nicht auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck.

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Redigatur: Uschi Jonas, Gabriele Scherndl

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