Artikel

Wie CORRECTIV gekämpft hat, um das Schweigen der Finanzminister über ihr schmutziges Geld zu brechen

von Annika Joeres

© Ivo Mayr

Wie sorgen die deutschen Bundesländer vor, um eines Tages die Pensionen ihrer Beamten zu bezahlen? Bislang haben sie ein großes Geheimnis daraus gemacht, wie sie die Rücklagen für die Staatsdiener angelegt haben. Nach einer monatelangen Recherche bei den Finanzministerien kann CORRECTIV jetzt eine Liste all jener der Unternehmen vorlegen, in die die Länder mehrere Milliarden Euro investiert haben.

Eigentlich, so sollte man meinen, haben Bürgerinnen und Bürger ein gutes Recht, zu erfahren, wo ihr Steuergeld hinfließt. Der norwegische Pensionsfonds, mit rund 700 Milliarden Euro der größte der Welt, macht es vor: Seit langem legt er offen, in welche Firmen er investiert. Und auch Bayern und Berlin haben sich seit längerem in Transparenz versucht – wenn auch in einem nur für Eingeweihte verständlichen Finanzkauderwelsch.

Ausgerechnet das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg sperrte sich besonders gegen eine Offenlegung. Das Ländle hat knapp 2 Milliarden Euro in Unternehmen angelegt, von allen Ländern die größte Summe. Über Monate weigerte sich die Behörde, die detaillierten Daten preiszugeben. Mit seltsamen Begründungen. Etwa: Weil Baden-Württemberg zwei Fondsmanager beschäftigt, bestehe ein so genanntes „Klumpenrisiko“, sobald die Anlagen öffentlich seien, hieß es. Mit anderen Worten: Die beiden Fondsmanager würden voneinander abgucken und in dieselben Unternehmen investieren, sobald sie die Käufe des anderen kennen.

Trotzdem musste CORRECTIV erst einen elfseitigen „Antrag auf einstweilige Anordnung“ beim Landesgericht Stuttgart formulieren, um das Finanzministerium zur Einsicht zu bewegen. Kurz vor Ablauf der von uns gesetzten Frist schickte das inzwischen grün regierte Ministerium endlich eine Auflistung der Unternehmen, in die Steuergeld angelegt wird.

Auch Nordrhein-Westfalen sperrte sich über Wochen. Mit seiner Salami-Taktik rückte das rot-grün regierte Land bei jeder Mail immer nur ein paar Informationen mehr heraus. „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass die Anlagestrategien im Einzelnen nicht offengelegt werden können. Damit soll unter anderem verhindert werden, dass das Anlageverhalten des Landes erkennbar ist und dem Land beim Auftreten am Markt Schaden entstehen könnte“, schrieb ein Sprecher des Finanzministeriums. Nein, CORRECTIV hatte kein Verständnis dafür. Die insgesamt zehn Milliarden Euro des Pensionsfonds sind am internationalen Markt eine vergleichsweise kleine Summe, die Düsseldorfer hätten nicht mit Nachteilen an der Börse zu rechnen.

Also forderten wir vom Ministerium eine presserechtlich begründete Ablehnung ein und schrieben: „Nicht nur müsste ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis vorliegen, das wir nicht erkennen können, weil es für die Landesregierung höchstens problematisch sein könnte, wenn sehr spezifische, zukünftige Anlagevorhaben verraten würden. Zudem müsste auch das öffentliche Interesse an der Anlage von fast zehn Milliarden Euro Steuergeld in der Abwägung diese angeblichen schützenswerten Belange übersteigen. Wir sind der Meinung, dass dies nicht der Fall ist und würden uns deshalb sehr freuen, wenn die Landesregierung uns die Fragen beantworten würden.“ Offenbar haben die Düsseldorfer Hausjuristen des Finanzministeriums dies ähnlich gesehen: Eine knappe Woche später hatten wir eine erste Übersicht über die Gesamtsumme, nach einer weiteren Mail schließlich auch die Höhe der Anlagen in den einzelnen Firmen.

Erstaunlich auch die Kommunikation mit Mecklenburg-Vorpommern. Wir fragten nach einer detaillierten Aufschlüsselung der Anlagen und nach eventuellen Veränderungen in den vergangenen fünf Jahren. Doch zunächst verschwanden unsere ersten Anfrage-Mails im Spam-Filter – das jedenfalls behauptete die Pressestelle. Schließlich übersandte das Finanzministerium scheibchenweise die Information – zunächst erhielten wir nur eine grobe Übersicht über den 189 Millionen Euro schweren Versorgungsfonds.

Die Nachfrage, wie sich die in den Aktienindizes investierten Millionen genau verteilten, wollte das Finanzministerium in einer Mail am 20. April nicht detaillierter beantworten: „Die Zusammensetzung von Finanzanlagen ist Ausdruck der strategischen Grundentscheidung für die Vermögensanlage, deren Bekanntwerden (…) bei Preisverhandlungen schaden könnte“. Wir argumentierten mit dem Recht der Presse auf Auskunft und erhielten diese auch — am 17. Mai, mit dem üblichen kleingedruckten Hinweise: „Stand: 31.12.2015“.

Die Crux war aber: Zum Zeitpunkt der Mail gab es den Versorgungsfonds schon längst nicht mehr. Der Anlageausschuss des Versorgungsfonds Mecklenburg-Vorpommern hatte in seiner Sitzung am 12. Januar 2016 beschlossen, alle Wertpapiere des Aktien- und Rentenportfolios zu verkaufen. Die Risiken eines Verlustes seien zu hoch geworden. Eine wichtige Information, die das Finanzministerium während der vielen Mail-Wechsel mit CORRECTIV unter den Tisch fallen ließ. Erst als wir kurz vor der Publikation noch einmal nach den aktuellsten Zahlen fragten, lautete die Antwort: „Worauf beziehen sich Ihre Fragen? Den Versorgungsfonds gibt es nicht mehr.“