Bärbel Höhn fordert zum Ausstieg auf
Am Wochenende hatte CORRECTIV erstmals veröffentlicht, in welchen korrupten und klimaschädlichen Firmen die Bundesländer ihre Pensionsgelder für Beamten anlegen. Die Recherche hat für viel Wirbel gesorgt – vor allem in Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Landes- und Bundespolitiker fordern jetzt einen Ausstieg aus den umstrittenen Geldanlagen.
Die Vorsitzende des Bundesumweltausschusses Bärbel Höhn (GRÜNE) rät ihren Parteifreunden in den Landesregierungen von Baden-Württemberg und NRW, mehr Druck zu machen, um aus klimaschädlichen Geldanlagen auzusteigen. „Für mich sind die Grünen eine Divestment-Partei – das gilt auch für Länder wie NRW“, sagte Höhn im Gespräch mit CORRECTIV. Der Landtag habe bereits einen Divestment-Beschluss verabschiedet. „Ich gehe also davon aus, dass der Ausstieg aus fossilen Unternehmen jetzt auch die Landesregierungen in Baden-Württemberg und NRW erfassen wird. Denn die Kursverluste von RWE und E.ON der letzten Jahre machen deutlich, wie riskant fossile Anlagen sind.“
Das SPD-geführte Finanzministerium in Nordrhein-Westfalen – mit rund 81 Millionen Euro auf Platz Zwei der Länder mit den meisten klimaschädlichen Investments – verteidigte seine Geldanlage, weil sie relativ gesehen „äußerst gering“ sei. Eine Sprecherin des Finanzministeriums sagte der Nachrichtenagentur dpa, unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots könnten die Kapitalanlagen nur schrittweise umgeschichtet werden.
Das grün-geführte Finanzministerium in Baden-Württemberg bestätigte inzwischen die CORRECTIV-Recherchen, wonach das Land über seine Versorgungsrücklage und seinen Versorgungsfond gut 190 Millionen Euro in Unternehmen investiert hat, die ihr Geld mit Kohle, Öl und Gas erwirtschaften. Kein Bundesland hat auf diese Weise mehr Geld in diesen Branchen angelegt.
Das Ländle will bei seinen Geldanlagen für die Pensionsfonds nun verstärkt auf ökologische Investments setzen. Ein Sprecher von Finanzministerin Edith Sitzmann (GRÜNE) sagte der dpa: „Auf diese Weise soll ein zukünftiges Engagement in Renten- und Aktientiteln, die einer nachhaltigen Anlagestrategie entgegenstehen, begrenzt werden.“
Bärbel Höhn verwies in diesem Zusammenhang auf den Koalitionsvertrag, der einen „Prüfauftrag“ für Divestment beinhalte. „Koalitionsverträge sind dazu da, umgesetzt zu werden“, sagte sie. „Aus dem derzeitigen Prüfauftrag zum Divestment wird sicher schnell konkrete Politik werden.“
Der Gas- und Ölkonzern Total bemühte sich in einer Reaktion auf die CORRECTIV-Recherchen dem „Schwarz-Weiß-Bild“ doch „ein paar bunte Tupfer“ hinzuzufügen und schrieb: „Die Konzernstrategie setzt aktuell auf eine massive Ausweitung des Engagements in erneuerbaren Energien.“ Das Öl- und Gasunternehmen werde aber nach eigener Darstellung „auch in absehbarer Zukunft in diesem Bereich den Schwerpunkt seiner Aktivitäten“ haben.
Vor diesem Hintergrund fordert die Grünen-Spitzenpolitikern Bärbel Höhn die Bundesregierung dazu auf, die etwa 100 Millionen in fossilen Unternehmen aus ihren Beamtenpensionen und den Rücklagen für die Bundesanstalt für Arbeit schnellstmöglich abziehen und stattdessen nach ethischen Kriterien anlegen. Auch sollten Banken und Unternehmen per Gesetz dazu verpflichtet werden, in ihren Geschäftsberichten auszuweisen, inwieweit ihre Geschäftspolitik mit dem Zwei-Grad-Limit vereinbar ist. „Zudem brauchen wir jetzt einen Klimastresstest für fossile Unternehmen und für die Banken, die ihnen Kredite geben“, sagt Höhn. „Sonst kann uns die nächste Bankenkrise vor der Tür stehen.“
In Sachsen-Anhalt sind die ethisch zweifelhaften Investitionen der steuerfinanzierten Pensionsfonds inzwischen zur Chefsache geworden: Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) will die Anlagen nun überdenken. Die Schwarz-Rot-Grün geführte Landesregierung werde ihre Anleihen jetzt in Ruhe analysieren und Entscheidungen treffen, die ethischen Gesichtspunkten klar entsprächen, sagte Haseloff als Redaktion auf die CORRECTIV-Recherchen dem Sender „MDR Sachsen-Anhalt“. Der Finanzminister werde dazu eine Vorlage machen, über die dann entschieden werde.
Staaten wie Aserbaidschan, Kasachstan und Bahrain erhalten über Anleihen mehrere Millionen Euro aus dem etwa 716 Millionen schweren sachsen-anhaltinischen Pensionsfonds. Dabei kritisieren UN-Beobachter regelmäßig, dass in diesen Ländern Menschen gefoltert wird. Rund 16 Millionen Euro aus Sachsen-Anhalt stecken zudem in klimaschädlichen Firmen wie Total und BP oder des australischen Bergbaugiganten Rio Tinto.
Deutliche Kritik daran hatte es in dem ostdeutschen Bundesland innerhalb der Koalition von Seiten der Grünen gegeben. „Die Geldanlagen des Landes sollten sich an den ethischen Standards orientieren, die auch sonst die moralische Grundlage des politischen Handelns bilden“, hatte der finanzpolitische Sprecher, Olaf Meister, gefordert. Seine Fraktion will einen Antrag im Finanzausschuss stellen, um Kriterien bei der Auswahl der Investments zu finden.
Offenlegung: Der Autor Fabian Löhe hat diesen Artikel als Privatperson ehrenamtlich während seiner Elternzeit recherchiert und geschrieben. Hauptberuflich arbeitet er als Pressesprecher beim gemeinnützigen Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change.