Medien

(Un)Heimliche Meinungsmacher

Mit Gratisblättern können rechte Unternehmer, darunter Christoph Blocher und andere führende SVP-Mitglieder, mehr als jeden vierten Schweizer erreichen. CORRECTIV in der Schweiz hat die Zeitungen analysiert. Das Ergebnis: Viel PR und Meinungsmache getarnt als Journalismus.

von Janina Bauer

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Zwei Männer, die ihre Reichweite zur Meinungsmache nutzen: Henrique Schneider, Generalsekretär der SVP (links), und Christoph Blocher, ehemaliger SVP-Bundesrat. Collage: Ivo Mayr / CORRECTIV (Vorlage: picture alliance)

Schlägt man die Aarauer Nachrichten vom 14. Februar 2025 auf, findet man zwischen Anzeigenblöcken und umgeschriebenen Medienmitteilungen die Kolumne des Verlegers. Darin schreibt er: „Ehrlichkeit war noch nie die Kernkompetenz der CVP/ Mitte-Partei.“ Der Verleger heisst Christoph Blocher. Und die Frage, wie ehrlich die Mitte-Partei angeblich ist, hängt zu diesem Zeitpunkt direkt mit seinen eigenen politischen Plänen zusammen.

Nur wenige Tage zuvor nämlich hatte er sich selbst als Kandidat für den neuen Bundesratposten vorgeschlagen. Und zwar anstelle jener Nominierten der Mitte-Partei, von denen Martin Pfister am 12. März zum Nachfolger der amtierenden Mitte-Bundesrätin Viola Amherd gewählt wurde.

So nutzte der Milliardär und Übervater der Schweizerischen Volkspartei (SVP) seine Kolumne, um Politik zu machen. Denn dass die Mitte-Partei nicht ehrlich ist, behauptete Blocher nicht nur in den Aarauer Nachrichten. Seine Kolumne mit der Mitte-Kritik publizierte er unter anderem auch in den Zofinger Nachrichten, in der Neuen Oltner Zeitung und dem Rheintaler Boten – drei seiner 24 Gratiszeitungen.

Insgesamt sind es eine halbe Million Schweizerinnen und Schweizer, denen unter dem Deckmantel eines journalistischen Produkts jede Woche ein Blocher-Blatt gratis in den Briefkasten gelegt wird. Und Recherchen von CORRECTIV in der Schweiz zeigen: Blocher ist nicht der einzige Unternehmer mit Verbindungen zur SVP, der sich ein Medienimperium aufgebaut hat. Gemeinsam erreichen sie Auflagen von über 2,8 Millionen Stück.

Blocher besitzt mindestens 24 Gratiszeitungen

Rund 15 Jahre ist es her, dass Christoph Blocher sich bei der Basler Zeitung einkaufte und damit den Grundstein für sein eigenes Medienimperium legte. Es dauerte nur wenige Jahre, bis er erneut zuschlug und der Ostschweizer Verlegerfamilie Zehnder über zwei Dutzend Gratiszeitungen abkaufte.

Als die Basler Zeitung jeden fünften Leser verloren hatte, verkaufte Blocher sie 2018 an Tamedia. Im Gegenzug erhielt er das Tagblatt der Stadt Zürich, zwei weitere Gratisanzeiger sowie die Aussicht auf Lausanne Cités und GHI aus Genf – deren Gründer funkte jedoch im letzten Moment dazwischen und verhinderte die Übernahme der beiden Westschweizer Anzeigenblätter durch Blochers Zeitungshaus AG.

Ende letzten Jahres kaufte Christoph Blocher mit der Tagblatt der Stadt Zürich AG wieder ein: die Zürcher Quartierzeitungen Zürich 2, Zürich West, Zürich Nord und Züriberg. Alle Vier sollen zum Jahreswechsel eingestellt und in das Tagblatt der Stadt Zürich eingegliedert worden sein. Damit gehören ihm mindestens 24 Gratiszeitungen, die überwiegend in der Zentral- und Ostschweiz erscheinen.

Mehr Berichte von SVP und SVP-nahen Verbänden

In einer Medienkonferenz im Jahr 2018 beteuerte Christoph Blocher laut Medienberichten, dass es in seinen Lokalmedien um die Schule im Dorf gehen solle, nicht um nationale Politik. Seine Verunglimpfung der Mitte-Partei belegt das Gegenteil. Es ist nur ein Beispiel von vielen.

Bereits 2019 kam der Medienwissenschaftler Heinz Bonfadelli zu dem Schluss, dass Christoph Blochers politische Haltung auf seine Zeitungen abfärbt. Damals untersuchte der Wissenschaftler an die hundert Ausgaben der Winterthurer Zeitung, bevor und nachdem Blocher sie übernommen hatte. Sein Fazit: Die Präsenz der SVP und SVP-naher Verbände in Berichten nahm nach der Übernahme stark zu. Schon damals ging er davon aus, dass sich das bei den anderen Gratiszeitungen ähnlich abzeichnen würde.

Heute bestehen Blochers Gratiszeitungen hauptsächlich aus Anzeigen und umgeschriebenen Medienmitteilungen. Woche für Woche lässt der Alt-Bundesrat der SVP ausserdem in vielen seiner Zeitungen seine Meinung drucken. Von Olten bis Zug über St.Gallen bis nach Frauenfeld kann man lesen, was er von politischen Gegnern, der EU oder „der politischen Klasse“ hält.

Und er ist längst nicht der einzige SVPler mit dieser Manier. Andere legen sogar noch eine Schippe drauf: Während Blochers Texte immerhin als des Verlegers Wort, also als Kolumnen erkennbar sind, sind ihre Beiträge oft als vorgeblich journalistische Texte kaschiert.

Da ist beispielsweise SVP-Generalsekretär Henrique Schneider, der noch bis Ende 2023 als Vizedirektor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV) die Interessen der KMUs vertrat oder auch mal im Auftrag der Bundestagsfraktion der AfD ein Gutachten verfasste. Gemeinsam mit Philipp Gut, ebenfalls SVP-Mitglied und PR-Berater der Partei, ehemaliger Chefredakteur und noch aktiver Autor der Weltwoche, gibt er die Umwelt Zeitung heraus.

Im Impressum wird die Umwelt Zeitung als „Unabhängige Wochenzeitung“ beschrieben, die allerdings nur in unregelmässigen Abständen in verschiedenen Lokalausgaben erscheint. Dann jedoch, laut eigenen Mediadaten, mit hohen Reichweiten: So erreicht die Umwelt Zeitung im Aargau angeblich eine Auflage von über 143’000, die Umwelt Zeitung in Bern und in Zürich je über 200’000. Zum Vergleich: Die täglich erscheinende, nationale Gratiszeitung 20 Minuten, die auflagenstärkste Tageszeitung der Schweiz, druckt eine Auflage von knapp 300’000.

Ein Blick in die Ausgabe der Umwelt Zeitung Aargau vom 11. Juni 2024. In seinem Editorial schreibt Verleger Schneider, dass man in seiner Zeitung Dinge erfahre, die „man in anderen Medien nicht findet“. So schreibt er zum Beispiel, dass „die Schweizer Wirtschaft energieeffizient und klimafreundlich“ ist. Er empfiehlt die Porträts von zwei Verbänden, die sich beide sehr für den Klimaschutz einsetzen würden.

Interessenbindung wird verheimlicht

Das Porträt von Lignum, dem Dachverband der Schweizer Wald- und Holzwirtschaft, ziert die Titelseite sowie die dritte Seite. Überschrift: „Mehr Holz für klimagerechtes Bauen“. Darin fordert Verbandspräsident Jakob Stark, der auch als SVP-Ständerat den Kanton Thurgau vertritt, „mindestens eine Million Kubikmeter mehr Holz aus dem Schweizer Wald“ zu entnehmen. Sowohl der Bund als auch die Branche seien sich einig, dass das nötig sei – und sogar möglich, ohne die Grundsätze der nachhaltigen Waldbewirtschaftung zu verletzen.

Die Aufgabe des Journalismus wäre es gewesen, diese Aussagen zu überprüfen und mindestens eine zweite Perspektive von unabhängiger Stelle einzuholen. Ausser Verbandspräsident Stark kommt jedoch niemand zu Wort. Zweit- oder Drittperspektiven sowie die Einordnung des Gesagten fehlen. Und doch trägt der Text die Form eines journalistischen Beitrags. An keiner Stelle wird er als bezahlter Beitrag oder als Werbung markiert, für den Lesenden sind zu keiner Zeit Interessenbindungen ersichtlich.

Die gibt es aber. Denn die Autorin des Stücks, Corinne Remund, ist neben ihrer Tätigkeit bei der Umwelt Zeitung auch Redaktorin bei der Schweizerischen Gewerbezeitung, der Publikation des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV). Der Verband Lignum ist seinerseits Mitglied beim SGV. Zur Erinnerung: Verleger Henrique Schneider war wiederum langjähriger Vizechef des Verbands. Und: Der gleiche Text wurde Anfang 2024 bereits im Verbandsblatt Schweizerische Gewerbezeitung publiziert.

Beim zweiten Porträt der Ausgabe, diesmal geht es um den Verband der Schweizerischen Lack- und Farbenindustrie (VSLF), stellt sich das ebenso dar.

Zeitungen verbreiten SVP-Interessen

Auf Nachfrage von CORRECTIV in der Schweiz erklären beide Verbände, dass es sich bei den Texten um unbezahlte, redaktionelle Beiträge handle, die eigentlich für die Schweizerische Gewerbezeitung verfasst worden seien. Beide weisen auf ihre Mitgliedschaft beim SGV hin. Matthias Baumberger, Präsident des VSLF, schreibt zudem, er habe die Umwelt Zeitung Aargau nicht gekannt. Laut einer Pressesprecherin von Lignum sei der Text „via Zweitnutzung durch die Verfasserin dann auch in der Umwelt Zeitung erschienen.“ Beide betonen, keine Werbung geschaltet zu haben.

In derselben Ausgabe der Umwelt Zeitung Aargau wird zudem eine ganze Seite dem Ausbau des 5G-Telekommunikationsnetzwerkes gewidmet. Eine Analyse und ein Interview mit dem Experten Matthias Finger legen dar, wieso die Schweiz sofort in den Ausbau investieren sollte. Finger ist Konsulent bei Swiss Economics, einer Beratungsfirma, die auch Positionspapiere verfasst. Als Autor der Texte wird Verleger Henrique Schneider selbst genannt – darunter die Ergänzung: „In Kooperation mit Chance 5G“, einer Kampagne von Telekommunikationsunternehmen, deren Botschafter Schneider ist. Seine Artikel finden sich wortgleich auf der Kampagnenwebseite. Von einem unabhängigen Bericht kann also keine Rede sein.

Die Vorgehensweise der Umwelt Zeitung von Henrique Schneider und Philipp Gut bricht in verschiedenen Punkten mit dem Journalistenkodex der Schweiz. Da ist Richtlinie 2.3, die die Trennung von Fakten und Kommentar vorschreibt, oder Richtlinie 10.1, in der gefordert wird, dass redaktionelle Texte und Texte, die von Dritten aufbereitet und zur Verfügung gestellt worden sind, klar als solche zu kennzeichnen sind. Nicht zu vergessen die Richtlinie 3.2: „Medienmitteilungen von Behörden, Parteien, Verbänden, Unternehmen oder anderer Interessengruppen sind als solche zu kennzeichnen.“ Kritisch zu betrachten sind die genannten Berichte, weil sie so, wie sie in der Umwelt Zeitung dargestellt und aufbereitet werden, in Inhalt und Tonfall Positionen der SVP entsprechen.

Zeitungen laut Experten „Mogelpackung“

Gerne hätte man erfahren, wie Verleger Henrique Schneider dazu steht. Eine Anfrage von CORRECTIV in der Schweiz lässt er jedoch unbeantwortet.

CORRECTIV in der Schweiz hat die oben genannten Beiträge der Umwelt Zeitung zudem vom Medienwissenschaftler Matthias Künzler, der seit vielen Jahren für die Fachhochschule Graubünden zum Schweizer Lokaljournalismus forscht, einordnen lassen. Er kommt zu dem Schluss, dass es sich bei den Artikeln vermutlich um Content-Marketing handelt, das nicht als solches ausgewiesen wurde. „Sogar nach den Kodizes der PR-Branche müsste eine minimale Transparenz hergestellt werden“, sagt er. Nur ist niemand gezwungen, Presse- oder PR-Kodizes umzusetzen und auch der Begriff des Journalismus ist nicht geschützt. „Aber aus einer normativen Perspektive betrachtet, ist das eine Mogelpackung“, so Künzler.

Zahlreiche weitere Gratiszeitungen funktionieren nach dem gleichen Prinzip. Wie Recherchen von CORRECTIV in der Schweiz zeigen, gibt es zudem enge Verflechtungen. Neben Philipp Gut und Henrique Schneider sitzt in der Umwelt Zeitung & Medien AG, die die Umwelt Zeitung herausgibt, noch ein weiterer Mann im Verwaltungsrat: Er heisst Giuseppe Nica.

Und dieser dirigiert seit Jahren ein Konglomerat an sechs Gesellschaften, die alle Gratismedien herausgeben. Aktuell sind es über 100 gedruckte Titel in der gesamten Deutschschweiz. Mal kommen neue dazu, mal fallen welche weg, manche sind seit 2022 nicht mehr erschienen. Dazu kommen verschiedene Websites und TV-Formate. Allein in beiden Basel gibt es die Basler Woche, die Baselland Woche und die Baselbieter Woche.

Keine unabhängige Berichterstattung

Auch Nicas Zeitungen werden im Impressum als „unabhängige redaktionelle Wochenzeitungen“ bezeichnet. Tatsächlich erscheinen die verschiedenen Titel unregelmässig. Regelmässig bespielt werden nur die dazugehörigen Websites. Auch hier ist fraglich, wie unabhängig die Berichterstattung ist.

Auf Seite sechs der Badener Woche vom 18. Dezember 2024 etwa schreibt der SVP-Nationalrat Christoph Riner gegen die Demokratie-Initiative an. Seine Meinung: Die Anforderungen zur Einbürgerung dürften nicht gesenkt werden. Über seinem Text ist das Logo des „Forums für Weltoffenheit und Souveränität“ gedruckt, einem Verein, der seit Jahren gegen einen Rahmenvertrag mit der EU kämpft. Für Lesende bleibt unklar: Ist das eine Kolumne oder ein bezahlter Beitrag? Oder beides?

Christoph Riner schreibt auf unsere Rückfrage, er sei vom „Forum für Souveränität und Weltoffenheit“ lediglich angefragt worden, ob er bereit wäre, einen Gastkommentar zu verfassen. Verantwortliche des Forums selbst antworten nicht auf die Nachfrage von CORRECTIV in der Schweiz.

Auf einer Doppelseite wird unter dem Titel „Verhältnis Schweiz – EU: ‘Mit voller Kraft gegen EU-Rahmenvertrag 2.0. kämpfen’“ über die Jahrestagung des „Forums für Weltoffenheit und Souveränität“ berichtet. Redaktorin Corinne Remund gibt darin, ähnlich wie in den Verbandsporträts der Umwelt Zeitung, eins zu eins die Reden und Vorträge der Veranstaltung wieder, ordnet nicht ein und lässt auch niemand anderen zu Wort kommen.

Aktiv im Forum sind Politiker von SVP und FDP – unter ihnen der FDP-Grossrat und Unternehmer Adrian Schoop. Der kritisiert in einem kolumnenartigen Text sozialdemokratische Regierungen und Parteien. Auch in anderen Ausgaben finden sich Texte von Schoop, sie tragen Titel wie „Die linken Umerziehungsversuche scheitern – Endlich!“ oder „Wer Schweizer werden will, muss unsere Werte anerkennen und akzeptieren“.

In vielen Ausgaben der Badener Woche, wie auch in weiteren von Giuseppe Nica verlegten Publikationen, sind Anzeigen der Schoop Group geschaltet. Oft erscheinen Texte über Veranstaltungen des Unternehmers, verfasst nicht von der Redaktion, sondern dem Geschäftsführer einer Kommunikationsagentur. Dieser bestätigt auf Anfrage von CORRECTIV in der Schweiz, dass er die Texte im Auftrag der Firma Schoop verfasste und auch von dieser bezahlt wurde. Auf Rückfragen reagiert Schoop nicht.

Die restliche Zeitung ist gefüllt mit sogenannten Publireportagen, also bezahlten, redaktionellen Texten, wie man den Mediadaten entnehmen kann. Eine ganze Seite Publireportage kostet knapp 3000 Franken. Dass es sich dabei um redaktionell aufbereitete Werbung handelt, ist für Lesende nicht immer klar erkennbar.

Blocher und andere wollen Einfluss nehmen

Die Zeitungen von Giuseppe Nica und Christoph Blochers Zeitungshaus AG ähneln sich stark: Beide Publikationen sind voller Publireportagen und Medienmitteilungen. Letztere werden stets mit „(pd)“ für Pressedienst gekennzeichnet – und nicht offen als Medienmitteilungen.

Obwohl auf diese Weise das Geld für journalistische Recherchen gespart wird: Wirklich lukrativ ist der Markt mit den lokalen Gratiszeitungen vermutlich nicht mehr, sagt der Medienwissenschaftler Matthias Künzler: „Auch im lokalen Bereich sind die Werbeeinnahmen in den letzten zwanzig Jahren um fünfzig Prozent gesunken.“ Er gehe trotzdem davon aus, dass Christoph Blocher mit seinen Unternehmungen die schwarze Null schreibt – dafür sei er viel zu sehr Unternehmer. Grosse Gewinne, da ist sich Künzler sicher, fährt in der Branche aber niemand mehr ein.

„Mit ihren Titeln suggerieren sie lokale Nähe. Tatsächlich wirkt es so, als würde man unter dem Deckmantel des Pseudojournalismus zielgerichtet wirtschaftliche und politische Interessen verbreiten und Themen setzen.“ – Matthias Künzler, Medienwissenschaftler

Wenn nicht Geld machen – was will man dann mit so vielen Gratiszeitungen? „Einfluss auf die Öffentlichkeit nehmen, die Wähler bei der Stange halten und Themen setzen“, meint Künzler.

Er hält die Vorgänge auf dem Markt der lokalen Gratiszeitungen für besorgniserregend. Journalistisch geführte Lokalzeitungen sterben und hinterlassen Lücken, in die Menschen drängen würden, die das Geld und den Willen hätten, Einfluss zu nehmen. „Mit ihren Titeln suggerieren sie lokale Nähe. Tatsächlich wirkt es so, als würde man unter dem Deckmantel des Pseudojournalismus zielgerichtet wirtschaftliche und politische Interessen verbreiten und Themen setzen“, sagt Künzler. Unabhängige Informationen auf lokaler Ebene würden so immer mehr verschwinden und durch Interessen-gesteuerte Informationen ersetzt.

Intransparente Unternehmenskonstruktion

Bedenklich ist in diesem Zusammenhang, wie undurchsichtig die Besitzverhältnisse bei den Gratisblättern sind. Nicas Publikationen werden von sechs Gesellschaften herausgegeben, in der Vergangenheit gab es immer wieder Zweigniederlassungen, die zwischenzeitlich wieder gelöscht wurden. Zudem fällt auf, dass die Gesellschaften häufig ihre Namen wechseln. Selbst Kenner der Branche blicken bei der Unternehmenskonstruktion nicht durch und kritisieren ihre Intransparenz.

Christoph Blocher hat seine Publikationen auf verschiedene Gesellschaften aufgeteilt, die unter der Zeitungshaus AG zusammenlaufen. Die meisten Titel werden von der Swissregio Media AG herausgegeben, deren Vorstandsvorsitz Tochter Rahel Blocher innehat. Ob Blocher darüber hinaus weitere Publikationen oder stille Beteiligungen an Gratiszeitungen hält, ist öffentlich nicht einsehbar. Auch auf Nachfrage von CORRECTIV in der Schweiz macht der ehemalige Bundesrat dazu keine Angaben.

Dass bürgerliche und SVP-nahe Personen im lokalen Gratiszeitungs-Markt aktiv sind, sei nicht ganz neu, sagt Künzler. Und doch beobachte er zunehmende Tendenzen.

Geschäftliche Beziehungen zwischen den Unternehmungen von Giuseppe Nica und Christoph Blocher lassen sich nicht nachweisen. Beide Männer äussern sich dazu gegenüber CORRECTIV in der Schweiz nicht. Politisch stehen Nicas Zeitungen der Linie von Christoph Blocher jedoch ziemlich nah.

Und es gibt ein feines Bindeglied zwischen den beiden Gratiszeitungs-Mogulen. Bevor Giuseppe Nica auf eigene Faust Zeitungen herausgab, arbeitete er als Verkaufsleiter bei einem Unternehmen von Rolf-Peter Zehnder. Die beiden gründeten 2012 sogar einen Verlag zusammen, heute einer der sechs Gesellschaften, mit denen Nica seine Publikationen verlegt. Auch Christoph Blocher machte Geschäfte mit Rolf-Peter Zehnder. Er ist jener Ostschweizer Verleger, dem Blocher 2018 zwei Dutzend Gratiszeitungen abkaufte.

 

Text & Recherche: Janina Bauer
Redaktion: Marc Engelhardt
Faktencheck: Hanna Fröhlich
Bilder: Ivo Mayr
Datenaufbereitung & Grafiken: Michel Penke, Janina Bauer
Kommunikation: Anna-Maria Wagner, Charlotte Liedtke, Katharina Roche