Faktencheck

Nein, über Solarparks entsteht keine so große Hitze, dass Vögel und Insekten sterben

Angeblich entwickeln die dunklen Paneele von Solarparks an Sommertagen eine so große Hitze, dass darüber Temperaturen von 80 Grad Celsius herrschen. Das sei eine „tödliche Falle“ für Vögel und Insekten, heißt es im Netz. Fachleute widersprechen.

von Steffen Kutzner

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Solarparks sind immer wieder Gegenstand von Falschbehauptungen. Dass darüber große Hitze entstehen würde, die der Natur schade, ist nicht wahr. (Quelle: Patrick Pleul / DPA-Zentralbild / Picture Alliance)
Behauptung
Ein Solarpark in Brandenburg soll angeblich an heißen Sommertagen so warm werden, dass über den Paneelen 80 Grad Celsius herrschen. So bilde sich ein „Hitzeschornstein“, der eine Todesfalle für Vögel und Insekten sei und den Boden in der Umgebung über viele Kilometer hinweg austrockne.
Bewertung
Falsch. Die Paneele selbst können zwar heiß werden, die Luft darüber ist aber nach wenigen Metern nicht heißer als über sommerlichem Asphalt oder anderen dunklen Flächen. Es gibt keinerlei Belege für einen „Hitzeschornstein“, durch den Vögel und Insekten oder der umliegende Boden zu Schaden kommen.

Fährt man in nordöstlicher Richtung aus Berlin heraus, kommt man nach kurzer Zeit an der Kleinstadt Werneuchen vorbei. Direkt neben Werneuchen befindet sich der Solarpark Weesow-Willmersdorf. Als er Ende 2020 ans Netz ging, war er der größte Solarpark Deutschlands. Die Anlage versorgt laut Betreiber 50.000 Haushalte mit Strom. Doch seit November 2024 kursiert eine abenteuerliche Behauptungen zu Weesow-Willmersdorf: Der Solarpark sei angeblich eine tödliche Gefahr für Tiere.

„Im Sommer wurden Temperaturen von bis zu 80°C über der Anlage gemessen. Das Gebiet hat sich zu einer tödlichen Falle für Insekten und Vögel entwickelt. Eine gigantische aufgeheizte Fläche fungiert wie ein Hitzeschornstein, der die Umgebung über viele Kilometer hinweg austrocknet“, heißt es in Beiträgen auf X und Facebook. Auch eine AfD-Kommunalpolitikerin verbreitete die Falschmeldung.

Entwickelt sich über Solarparks wirklich eine so große Hitze, die für Vögel, Insekten, und die umliegenden Böden eine Gefahr darstellt? Wir haben uns die Sache näher angesehen.

Auf Facebook sind Beiträge mit der Behauptung über aufgeheizte Solarparks hundertfach geteilt worden (Quelle: Facebook; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)
Auf Facebook sind Beiträge mit der Behauptung über aufgeheizte Solarparks hundertfach geteilt worden (Quelle: Facebook; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Keine Belege für große Hitze über Solaranlagen

In Weesow-Willmersdorf gibt es 465.000 dunkle Glasmodule auf einer Fläche von 164 Hektar. Grundsätzlich stimmt es, dass dunkle Flächen Sonnenlicht stärker absorbieren und sich stärker erhitzen als helle Flächen – das nennt man Albedo-Effekt. Und Solar-Paneele können sich theoretisch durchaus auf 80 Grad erhitzen, schreibt uns Clemens Feldmann vom Institut für Energietechnik an der TU Dresden.

Doch die Temperatur von dunklen Flächen ist nicht gleichzusetzen mit der Lufttemperatur darüber. Die Hitze verflüchtigt sich. Ein Beispiel von einem Sommertag im Juni 2019: Während die Temperatur auf Asphalt in manchen Gegenden bei 60 Grad oder höher lag, war die zeitgleich in zwei Metern Höhe gemessene Lufttemperatur deutlich niedriger: 35 bis 38 Grad. Die Luft über heißen Oberflächen ist also schon nach wenigen Metern viel kühler als die Oberfläche selbst.

Das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) verweist auf Nachfrage auf eine Studie, wonach in 2,7 Metern Höhe über Solarpaneelen keine Temperaturunterschiede mehr zu messen seien. Grundsätzlich gebe es in dem Gebiet noch „großen Forschungsbedarf“ – bisherige Studien hätten aber keine „übermäßige Hitzeentwicklung“ erwähnt, so das KNE.

Keine Hinweise auf angeblich tödlichen „Hitzeschornstein“ über Solarparks

Weil sich die Lufttemperaturen im Solarpark nicht deutlich von modulfreien Flächen unterscheide, gebe es keine Beeinträchtigungen der Lebensraumeignung für Insekten und Vögel, schreibt uns das KNE. „Viele Untersuchungen belegen, dass Solarparks von Vögeln sowie Insekten als Lebensraum genutzt werden. […] Dies gilt insbesondere für die Bereiche zwischen den Modulreihen, auf den Wartungswegen oder sonstigen freien Flächen“. Die Paneele würden dagegen ebenso wie andere dunkle und erwärmte Elemente (Steine/Felsen, Asphaltflächen oder Ähnliches) bei zu hoher Erhitzung von Insekten gemieden. 

Christoph Scherber, Leiter des Zentrums für Biodiversitätsmonitoring am Leibniz-Institut schreibt uns, dass manche Insekten die glänzenden Paneele mit Wasserflächen verwechselten, was problematisch sein könne. „Hier bieten sich vertikal ausgerichtete Paneele an, sowie Designs, bei denen weiße Begrenzungen um die dunklen Paneele herum vorhanden sind.“ 

Anders als in den Beiträgen in Sozialen Netzwerken behauptet, gibt es jedoch keine Hinweise auf einen tödlichen „Hitzeschornstein“. Mit „Hitzeschornstein“ ist laut Jana Hoffmann vom Entomologischen Institut Senckenberg die physikalische Bewegung von warmer Luft gemeint, die durch Konvektion nach oben steigt – ähnlich wie in einem Schornstein. „Es wird spekuliert, dass Insekten in solchen Bereichen gefangen werden könnten, da sie Schwierigkeiten haben könnten, dem aufsteigenden Luftstrom zu entkommen. Wissenschaftliche Belege für diesen spezifischen Effekt fehlen jedoch“, erklärt uns Hoffmann. Und: Dass Insekten in hohe Lufttemperaturen hineinfliegen, sei „aus verhaltensbiologischer Sicht unwahrscheinlich“.

Mehrere Studien zeigen: Vögel haben kein Problem mit Temperaturen auf Solarpaneelen und in Solarparks

Für Vögel sind selbst die heißen Paneele kein Problem: „Verschiedene Studien zeigen, dass Vögel regelmäßig auf den Solaranlagen sitzen, auch im Sommer bei höchster Sonneneinstrahlung und entsprechend hoher Wärmeentwicklung. Ein Meideverhalten ist dabei nicht zu beobachten“, erklärt uns das Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (LAU), das bundesweit Informationen über Auswirkungen von Solaranlagen auf Vögel sammelt.  

Das LAU schreibt uns, für gewöhnliche Photovoltaikanlagen wie im Solarpark Weesow-Willmersdorf lägen „keine Hinweise vor“, dass die darüber herrschenden Temperaturen Vögeln schaden könnten. Das ist auch nicht verwunderlich: Auch am Strand, wo im Sommer über dem Sand Temperaturen von über 60 Grad herrschen können, bewegen sich Vögel weiterhin, erklärt uns Rebekka Blessenohl vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Im Extremfall kann Sand sogar bis zu 80 Grad heiß werden.

Ob Tiere oder Pflanzen von Solarparks profitieren, hängt von mehreren Faktoren ab

Auch die Behauptung, dass Solarparks „die Umgebung über viele Kilometer hinweg“ austrocknen, stimmt laut dem KNE nicht. Tatsächlich sei die Sachlage umgekehrt: Die Paneele liefern Schatten; die Bodentemperatur unter Solarparks ist in der Umgebung tendenziell kühler und der Boden feuchter, und die Flächen weisen deutlich mehr Biomasse auf als auf Wiesen oder Äckern, wie etwa eine Studie aus dem Jahr 2018 zeigt. Scherber vom Leibniz-Institut hält es dagegen aufgrund ausstehender Forschung für sinnvoller, Anlagen eher in Wüstengebieten oder auf bestehender Gebäudeinfrastruktur anstatt auf Agrarflächen oder Grünland anzulegen.

Solarparks seien generell nicht pauschal gut oder schlecht für die Natur, wie uns Blessenohl vom Nabu schreibt. Ob Tiere oder Pflanzen von Solarparks profitieren oder dadurch Verluste erleiden, hänge unter anderem von der Umgebung eines Solarparks, der Vornutzung der Fläche sowie der Ausgestaltung eines Parks ab: „Einige Arten verlieren durch Solarparks ihren Lebensraum, entweder weil sie die technischen Strukturen der Module meiden, spezielle Strukturen für den Bau des Parks entfernt wurden oder die Pflanzenzusammensetzung sich so ändert, dass die jeweilige Fläche keinen geeigneten Lebensraum mehr darstellt. Gleichzeitig können bestimmte Arten aber auch profitieren, wenn intensive Ackerflächen durch den Bau eines Solarparks zu extensivem Grünland umgewandelt werden.“ 

Redigatur: Matthias Bau, Paulina Thom

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