
Liebe Leserinnen und Leser,
die Union aus CDU und CSU hat heute vorgestellt, wer aus ihren Reihen in einer Koalition mit der SPD welchen Ministerposten übernehmen soll. Wir haben uns ein paar der Kandidatinnen und Kandidaten näher angeschaut – heute Thema des Tages.
Außerdem im SPOTLIGHT: Die weltweiten Ausgaben fürs Militär sind gestiegen, und zwar deutlich. Sebastian Haupt erklärt das Wichtigste dazu in der heutigen Grafik des Tages.
Und in einem „Denkanstoß“ ärgert sich der Unternehmer Sebastian Klein darüber, dass „die Unternehmer“ in Talkshows viel zu einseitig dargestellt werden.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in diese (wieder kurze) Woche. Schicken Sie mir gerne wieder Ihre Vorschläge für die „Leserfrage der Woche“, die wir immer freitags auflösen: Welche eigentlich einfache und kurz zu beantwortende Frage sollen wir in Ihrem Auftrag an Behörden oder Unternehmen schicken? anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: Merz’ Mannschaft
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Denkanstoß: Wer hat die Diskussionshoheit über „die Wirtschaft“?
Gute Sache(n): Prüfungsangst erklärt • Förderung für Entsiegelung des Gartens • Gedopte Lachse
CORRECTIV-Werkbank: Salon5-Bildungsreise: Jugendliche besuchten erstmals Auschwitz
Die Union hat heute Vormittag ihre Mannschaft für das neue Kabinett vorgestellt: zehn Ministerinnen und Minister. Hier ein Überblick in einem TV-Beitrag der Tagesschau.
Wir haben uns angeschaut, welche Besetzungen besonders auffällig sind:
Außenministerium:
Johann Wadephul – dieser Name kursierte schon seit Wochen; der CDU-Mann (hier sein offizieller Lebenslauf) war zuletzt auch schon auf einigen Auslandsreisen, insofern ist seine Benennung keine Überraschung.

Ein näherer Blick auf seine politischen Einstellungen lohnt sich – denn er war zuletzt unter jenen Unions-Politikern, die sich öffentlich dafür stark machten, den Umgang mit der AfD im Bundestag zu normalisieren. AfD-Kandidaten, die bisher nicht negativ aufgefallen seien, könne man durchaus zu Ausschussvorsitzenden machen, sagte er.
Abgesehen davon ließ Wadephul bereits durchblicken, er wolle sich um einigermaßen gute Beziehungen zu Donald Trump in den USA bemühen.
Wirtschaftsministerium:
Hier soll künftig keine Politikerin, sondern eine Unternehmerin das Ruder übernehmen: Katherina Reiche, bisher Vorstandsvorsitzende der Westenergie AG – einem der größten regionalen Energieversorger. Und sie hat, zumindest bislang, einige Ämter inne.

Die gebürtige Brandenburgerin Reiche (hier ihr Lebenslauf auf der Firmenseite) wurde angeblich unter anderem ausgewählt, um „den Osten“ im Kabinett zu repräsentieren – was insofern eine fragwürdige Begründung ist, als dass sie dort schon lange nicht mehr wohnt.
Noch wichtiger als die Personalie ist im neuen Kabinett dies: Ausgerechnet Friedrich Merz, der angetreten ist, um die Wirtschaft zu stärken, hat das Wirtschaftsministerium verzwergt, wie das Handelsblatt kommentiert. Für wichtige Bereiche wie Digitalisierung und Klimaschutz ist es nicht mehr zuständig.
Gesundheitsministerium:
Hier ist die Besetzung besonders interessant: Ministerin soll die CDU-Politikerin Nina Warken aus Tauberbischofsheim werden.

Für sie ist Politik auch ein Family Business: Ihr Schwiegervater ist Hans-Georg Warken, CDU-Urgestein und Vorsitzender der nicht nur im Saarland einflussreichen Union Stiftung. Wie CORRECTIV berichtete, pflegt die scharf nach rechts gerückte Stiftung auch Kontakte zu Klimaleugnern und Kräften aus dem Trump- und dem Orbán-Lager, auch mehrere Kinder von Warken engagieren sich in der Jungen Union.
Warum Warken als Gesundheitsministerin eingesetzt wird, erschließt sich inhaltlich nicht unmittelbar. Der Spiegel schreibt, niemand habe sie „auf dem Zettel“ gehabt.
Digitalisierungsministerium:
„Digitalisierung und Staatsmodernisierung“ heißt ein neues Ressort – und angeführt werden soll es vom bisherigen Vorstandsvorsitzenden der MediamarktSaturn-Gruppe, Karsten Wildberger.

Offenbar wurde hier gezielt jemand gesucht, der nicht aus dem Politikbetrieb, sondern aus der Praxis kommt – und entsprechend mit Blick von außen auf die Abläufe in Behörden schauen kann.
Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag soll übrigens wie erwartet Jens Spahn werden.
Massiver Stromausfall in Spanien und Portugal
In Spanien und Portugal hat es einen massiven Stromausfall gegeben. Teils mussten U-Bahnen evakuiert werden, vielerorts gingen die Ampeln nicht mehr. Was den Ausfall verursachte, ist bislang unbekannt.
tagesschau.de
Kreml kündigt Feuerpause zum Weltkriegsgedenken an
Wieder kündigt Russland eine Feuerpause an, diesmal allerdings einseitig: Rund um die Feierlichkeiten zum Weltkriegsende am 9. Mai sollen die Waffen in der Ukraine für drei Tage ruhen. Am Ende einer Waffenruhe zu Ostern hatten sich beide Seiten Hunderte Verstöße vorgeworfen.
n-tv.de
Brand auf Tesla-Gelände in Holzgerlingen: Polizei schließt Brandstiftung nicht aus
In der Nacht auf Montag haben auf dem Tesla-Gelände im baden-württembergischen Holzgerlingen nahe Stuttgart zwölf Neuwagen gebrannt. Die Polizei ermittelt wegen Brandstiftung.
krzbb.de
„China Targets“: China nutzt offenbar UN-Menschenrechtsrat, um Kritiker zu diskreditieren
Menschen, die sich vor dem UN-Menschenrechtsrat kritisch zum chinesischen Regime äußern, werden offenbar systematisch eingeschüchtert. Das zeigt ein internationales Rechercheprojekt, an dem unter anderem ZDF, Spiegel und Standard beteiligt waren. Betroffene berichten etwa, wie sie auf dem UN-Gelände von chinesisch sprechenden Personen fotografiert wurden.
derstandard.de
In Deutschland gibt es 3,5 Millionen Unternehmen. Doch wenn öffentlich von „den Unternehmen“ oder gleich „der Wirtschaft“ gesprochen wird, tauchen meist Menschen auf, die für ihre Minderheiten-Interessen lobbyieren. Sie verstecken sich allerdings meist hinter Verbänden (wie Stiftung Familienunternehmer oder Die Familienunternehmer e.V.), die mit irreführenden Namen den Anschein erwecken, es ginge ihnen um den breiten Mittelstand und das Gemeinwohl.
Ich saß vor Kurzem innerhalb einer Woche zweimal im Fernsehen, um die Frage zu diskutieren, ob Reiche in Deutschland stärker an den Kosten fürs Gemeinwohl beteiligt werden sollen. Beide Male war ich konfrontiert mit Gesprächspartnerinnen, die für die Interessen reicher Erben lobbyieren, sich aber als Wirtschaftsexpertinnen und Vertreterinnen „der Wirtschaft“ darstellen.
Wer die Lobby der reichen Erben ins Fernsehen einlädt und fragt, was sie von der Erbschaftsteuer hält, kann auch gleich die Erdöl-Lobby einladen und fragen, was sie vom Verbrenner-Aus hält. Genau das passiert aber gerade bei Wirtschaftsfragen: Die Lobby der reichen Erben dominiert den Diskurs und täuscht den Rest der Gesellschaft darüber hinweg, was im Sinne des Gemeinwohls wäre.
Nur so lässt sich auch verstehen, wieso heute die Steuerlast vor allem bei Menschen liegt, die von Arbeit leben und nicht von Erbschaft und vorhandenem Vermögen. Das ist eine schreiende Ungerechtigkeit, und betrachtet man die Wirtschaft wirklich als Ganzes, zeigt sich: Wir haben einen massiv unfairen Wettbewerb zu Lasten derer, die nicht das Glück haben, ein Unternehmen oder Anteile an einem geschenkt zu bekommen.
Ich glaube, wenn wir unsere Wirtschaft weiterentwickeln und unseren Wohlstand erhalten wollen, dann müssen wir uns dringend die Diskurshoheit zurückerobern. Die liegt im Moment nämlich bei einer kleinen Minderheit, die sehr aggressiv für ihre Privilegien kämpft.
Sebastian Klein ist Unternehmer, Psychologe und Autor. Er gründete die Firma Blinkist und die Zeitschrift Neue Narrative.

Faktencheck

Geflüchtete aus der Ukraine sollen angeblich zehn Jahre früher als Deutsche in Rente gehen dürfen. Und das, ohne einzuzahlen. Beides stimmt nicht.
correctiv.org
Endlich verständlich
Vielleicht kennen Sie Prüfungsangst? Vielen begegnet sie in der Schule, zum Beispiel vor Klausuren. Sie kann aber auch im späteren Leben, etwa vor Einstellungstests oder Bewerbungsgesprächen, wieder ein Thema werden. Unsere Jugendredaktion Salon5 erklärt, wann Prüfungsangst die Gesundheit beeinflusst und wann sie zur echten Gefahr wird.
Salon5 (Instagram)
So geht’s auch
Grünpflanzen statt Schottergarten: Wer durch die Entsiegelung des eigenen Gartens zur Umweltfreundlichkeit beiträgt, kann nun im Kreis Euskirchen in NRW Fördergelder in Anspruch nehmen.
watson.de
Fundstück
Medikamentenrückstände im Wasser haben Einfluss auf die Tierwelt. Welchen genau, hat ein schwedisches Forscherteam untersucht. Ihnen zufolge steigt die Risikofreude wilder Lachse durch Psychopharmaka gegen Angststörungen. Das klingt kurios – ist aber in Wirklichkeit ein Warnhinweis für die Auswirkungen menschlichen Handelns.
sueddeutsche.de
Rechtsextremismus wird in Deutschland immer stärker und lauter. Auch bei uns jungen Menschen geht der Politikwechsel nicht spurlos vorbei. Sei es nun in der Schule, der Uni oder im Freundeskreis. Dabei sollte insbesondere Deutschland aus seiner Vergangenheit lernen.
Wir von der Jugendredaktion Salon5 haben kürzlich eine Bildungsreise in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz unternommen. Für viele von uns war es der erste Besuch eines solchen Lagers. Alle waren entsetzt darüber, wohin Hass und Hetze eine Gesellschaft treiben kann. Auch mir persönlich bereitet der Rechtsextremismus im Land schon seit längerem Sorge.
Auschwitz-Birkenau wirkt heute auf den ersten Blick friedlich. Es ist unvorstellbar, dass an diesem Ort, an dem heute Tiere und Natur friedlich zusammenleben, vor weniger als 100 Jahren mehr als eine Millionen Menschen Menschen umgebracht wurden. Umso wichtiger ist es, dass wir als Gesellschaft nicht vergessen, wie wichtig „nie wieder ist jetzt“ für den Erhalt unserer Demokratie ist.

Mehr als 100 Länder haben ihre Militärausgaben im vergangenen Jahr erhöht. Das berichtet das Friedensforschungsinstitut Sipri. Ursächlich sind vor allem die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten. Besonders drastisch fallen die Erhöhungen in Russland (+ 38%, entspricht 7 Prozent der Wirtschaftsleistung) und Israel (+65%) aus. Die Sipri-Forscher sehen diesen Trend kritisch, auch weil einige Staaten dafür die Gelder in anderen Bereichen (etwa Soziales) streichen.
Deutschland rüstet ebenfalls auf: Inzwischen liegt die BRD auf Rang vier der weltweiten Militärausgaben. Dieser Kurs stößt bei einigen im Land auf Kritik. Eine Greenpeace-Studie wendet beispielsweise ein, dass das Budget der Nato deutlich höher liege als das russische. Militärfachleute halten dagegen, dass etwa Luftverteidigung, Transportkapazitäten oder Satellitenausstattung der europäischen Staaten unzureichend für einen Konfliktfall seien (etwa hier).
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert und Sebastian Haupt.
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