„Ende ihrer Karriere“? Hinter diesen Werbeanzeigen über Alice Weidel steckt Betrug
Diese Betrugsmasche in Sozialen Netzwerken hat bereits viele Opfer gefordert: Eine Werbeanzeige lockt Nutzerinnen und Nutzer auf eine gefälschte Webseite für den angeblichen Handel mit Kryptowährung. Ein aktueller Fall nutzt das Gesicht der AfD-Politikerin Alice Weidel.

Darauf sind schon viele Menschen hereingefallen: Eine Werbeanzeige lockt Nutzer mit einem „Skandal“ um eine bekannte Person auf eine gefälschte Webseite eines Nachrichtenmediums. Die wirbt unter falschem Logo für eine angebliche Investitionsplattform, auf der schnelle Gewinne winken sollen. Doch dahinter steckt eine Betrugsmasche.
Der Stern berichtete, dass gut organisierte Betrüger involviert sind. In einem Bericht des Medienmagazins Zapp erklärte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg, dass durch solche betrügerischen Anzeigen allein im deutschsprachigen Raum jährlich ein Milliardenschaden entstehe.
Dennoch tauchen solche Anzeigen immer wieder in Sozialen Netzwerken auf: Am 22. April fanden wir mehrere Werbeanzeigen auf Instagram, die auf einen vermeintlichen Artikel der Tagesschau leiteten. In dem Artikel hieß es, BSW-Politikerin Sahra Wagenknecht habe Alice Weidel von der AfD in der Talkshow Maischberger angegriffen, weil Weidel eine profitable Investmentplattform geheim gehalten habe.
Anzeigen wie diese waren laut der Werbebibliothek von Meta, dem Mutterkonzern hinter Instagram, Facebook und Whatsapp, bis zu fünf Stunden auf Instagram aktiv – inzwischen sollen sie abgeschaltet sein. Dennoch erreichten sie in dem kurzen Zeitraum laut Metas eigenen Angaben tausende Nutzerinnen und Nutzer.

Gefälschter Tagesschau-Artikel führt zu einer dubiosen Webseite, die hohe Gewinne mit Bitcoin & Co. verspricht
Die Links zu den beworbenen Fake-Artikeln funktionieren zum Teil noch (Stand: 25. April). Wir haben uns einen genauer angesehen: Die Adresse der Webseite (URL) ist kryptisch und hat mit der Tagesschau nichts zu tun – Impressum und Unterseiten lassen sich nicht öffnen. Der Artikel selbst zeigt alte Bilder aus der ARD-Sendung Maischberger vom 22. Januar 2025. Sahra Wagenknecht und Alice Weidel diskutierten in der Sendung unter anderem über die Forderung des neuen US-Präsidenten Donald Trump, die Verteidigungsausgaben von Nato-Mitgliedsländern auf bis zu fünf Prozent ihrer Wirtschaftskraft anzuheben. Egal wohin man im Artikel klickt, man gelangt auf eine Webseite mit dem Namen Immutable Nystex. Dort heißt es, man könne mit der Plattform mehrere Hundert Euro am Tag verdienen.
Wer hinter der Webseite steckt, ist unklar – ein Impressum fehlt. Aus etlichen Medienberichten ist jedoch bekannt: Wer sich bei den auf Facebook und Co. beworbenen Investment-Plattformen anmeldet, tappt in die Falle der Betrüger. Betroffene werden zum Teil auch unter Druck gesetzt, damit sie mehr Geld überweisen. Vielerorts laufen Ermittlungen – Betroffene gibt es genug.
Auf die Frage, warum ähnliche Kopien immer wieder auf den Plattformen auftauchen, antwortete das Unternehmen nicht im Detail. Eine Sprecherin verwies auf Metas Richtlinien zu Betrug. Darin heißt es: Wir möchten unsere Nutzer davor schützen, um ihr Geld oder Eigentum oder ihre personenbezogenen Informationen betrogen zu werden. Dies erreichen wir, indem wir Inhalte entfernen und gegen Verhaltensweisen vorgehen, die absichtlich betrügerische Methoden einsetzen […].“
Meta kann zur Verantwortung gezogen werden, wenn rechtswidrige Inhalte nach Meldung nicht gelöscht werden
An anderer Stelle schreibt Meta, solche Fake-Anzeigen würden gegen die hauseigenen Richtlinien verstoßen – das Unternehmen nennt den Missbrauch von Prominenten für Anzeigen „Celebrity Bait“. Wer Werbung für Kryptowährungen schaltet, muss außerdem eine schriftliche Genehmigung vorlegen. Einen Tagesschau-Artikel zu imitieren, verstößt in Deutschland gegen den Markenschutz beziehungsweise das Urheberrecht.
Ebenfalls relevant: Durch den im Februar 2024 in Kraft getretenen Digital Services Act (DSA), soll die Verbreitung illegaler oder schädlicher Online-Aktivitäten in der EU eingedämmt werden. Betreiber sogenannter „sehr großer Online-Plattformen“ (mit mehr als 45 Millionen Nutzenden in der EU) werden dabei besonders in die Verantwortung genommen.
Im Juni fragten wir Medienrechtler Victor Meckenstock, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Journalistik in Dortmund, wie Meta gemäß DSA mit solchen Fake-Anzeigen umgehen muss. Am Beispiel einer Werbeanzeige mit Annalena Baerbock erklärte Meckenstock uns, dass solche gefälschten Interviews im Sinne des DSA rechtswidrig seien, da sie den Tatbestand der Verleumdung erfüllen würden. Wurde der Beitrag gemeldet, führe das dazu, dass Facebook für den rechtswidrigen Beitrag hafte, wenn es nicht zügig nach Meldung lösche (Artikel 6, Absatz 1). Zudem müssten Nutzer zumindest vorübergehend gesperrt werden, wenn sie regelmäßig solche rechtswidrigen Beiträge veröffentlichen.
EU-Kommission kündigte im April 2024 eine Untersuchung an
Im April 2024 hatte die EU-Kommission erstmals ein Verfahren gegen Facebook und Instagram eingeleitet, in dem sie unter anderem die Meldemöglichkeiten für illegale Inhalte kritisierte. Ein weiterer Vorwurf: Das Unternehmen soll mutmaßlich gegen Vorgaben in Bezug auf irreführende Werbung und politische Inhalte verstoßen haben.
In einer Mitteilung erklärte Meta im Oktober 2024, dass Werbeanzeigen automatisch auf Verstöße einschließlich Betrug überprüft werden. Zusätzlich komme nun ein neues System zum Einsatz, dass solche Scams mithilfe von Gesichtserkennungssoftware erkennen soll. Der Fall mit der Weidel-Anzeige zeigt jedoch: Beides gelingt dem Konzern offenbar nicht besonders gut.
Neben dieser Art der Überprüfung betrachtet Meta auch die verlinkten Internetadressen – beispielsweise, ob diese in der Vergangenheit bereits wegen eines Verstoßes geblockt wurden. Diese automatische Erkennung tricksen einige der Anzeigen aus, in dem sie einen Mechanismus nutzen, den CORRECTIV aus der russischen Doppelgänger-Kampagne kennt.
Mit den betrügerischen Anzeigen verdient Meta zudem Geld. Die Organisation Reset Tech berechnete am Beispiel der Doppelgänger-Kampagne: Für 6.000 Anzeigen seien schätzungsweise zwischen 100.000 und 600.000 Euro (118.048 bis 674.923 US-Dollar) an Meta geflossen. Die untersuchten Anzeigen sollen rund 58 Millionen Nutzerinnen und Nutzer in der EU erreicht haben. Diese Schätzungen basieren auf Angaben in Facebooks Werbebibliothek.
Transparenzhinweis: CORRECTIV ist seit 2017 in einer Kooperation mit dem Facebook-Konzern Meta, um Desinformation auf dem Sozialen Netzwerk zu bekämpfen. Mehr Informationen zu der Kooperation erhalten Sie hier. Über die aktuellen Entwicklungen zu dieser Kooperation hat CORRECTIV hier berichtet.
Redigatur: Viktor Marinov, Max Bernhard
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Text:
- EU-Verordnung Digital Services Act: Link (archiviert)
- Meta-Richtlinie zu Kryptowährungsprodukten und -dienstleistungen: Link (Englisch, archiviert)
- Bericht – „How Meta Ignores Large-Scale Inauthentic Behavior Networks of Malicious Advertisers“, Reset Tech: Link (Englisch, archiviert)