
Liebe Leserinnen und Leser,
im Bundesamt für Verfassungsschutz haben sie viele, viele Monate Material gesammelt, ausgewertet und zusammengeschrieben. Lange haben die Politikerinnen und Politiker und auch wir, die Öffentlichkeit, gewartet und uns gefragt: Wann kommt denn nun endlich die neue Einschätzung der Verfassungsschützer, ob sie die AfD für verfassungsfeindlich halten?
Am Freitag dann plötzlich diese Pressemeldung der Behörde: Ja, sie beurteile die Partei als „gesichert rechtsextremistisch“. Welche Konsequenzen hat das nun? Und warum ist das Gutachten so geheim? Heute unser Thema des Tages.
Außerdem im SPOTLIGHT: An der TU München forscht eine renommierte Professorin an sensiblen Satellitendaten. Wir haben heute eine Recherche zu ihr veröffentlicht. Denn die Forscherin wurde vor Kurzem an ihrer anderen Wirkungsstätte entlassen, dem Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum. Im Raum steht ein schwerer Vorwurf: Spionage.

Außerdem geht es heute auch um die SPD-Minister in der neuen Bundesregierung. Und in der Rubrik Faktenforum lesen Sie eine Faktensammlung von unserem immer noch recht jungen Projekt CORRECTIV.Faktenforum. Das Besondere: Hier kann sich jede und jeder einbringen, um gegen Falsch- und Desinformation anzukämpfen (mehr dazu in der heutigen Werkbank). Hier im SPOTLIGHT wechselt sich ab jetzt das Faktenforum mit dem Team vom CORRECTIV.Faktencheck ab.
Ich hoffe, Sie hatten einen guten Wochenstart – und schreiben Sie mir gern: anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: Wie wirkt das AfD-Gutachten?
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Faktenforum: Französisches Kernkraftwerk befindet sich noch in der Testphase
Das Gutachten des Verfassungsschutzes über die AfD ist momentan so eine Art heiliger Gral unter Journalistinnen und Journalisten: So ziemlich alle Medien versuchen, eine Kopie davon zu bekommen – um sich selbst ein Bild davon machen zu können, was denn ganz konkret die Gründe sind, warum die Behörde die Partei für verfassungsfeindlich hält.

Bekannt ist lediglich: Der wichtigste Grund für die Einschätzung ist das „ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis“, das in der Partei vorherrscht. Also, dass deutsche Staatsangehörige mit muslimischem Hintergrund dort nicht als vollwertige Deutsche betrachtet werden. Genau das, was wir mit unserer Recherche „Geheimplan gegen Deutschland“ offengelegt hatten.
Wie geheim ist das Gutachten – und warum?
Es trägt den Stempel „Nur für den internen Dienstgebrauch“. Das heißt: Wenn wir Medien (oder auch Sie als Privatperson) jetzt beim Bundesamt für Verfassungsschutz oder beim Bundesinnenministerium unser Recht nach dem Informationsfreiheitsgesetz einfordern, eine Kopie zu bekommen, wird das erst mal abgeschmettert.
Der Grund für die Geheimhaltung: Die Verfassungsschützer wollen nicht, dass durch einzelne Formulierungen klar wird, von welchen Quellen sie Informationen über die Partei erhalten haben.
Warum wurde es jetzt plötzlich intern veröffentlicht?
Darüber gibt es diverse Spekulationen. Wir von CORRECTIV haben uns seit Freitag unter den Beteiligten umgehört – und offiziell sagt natürlich niemand etwas dazu.
Die verbreitetste Spekulation ist die: Die Noch-Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und ihr Nachfolger Alexander Dobrindt (CSU) hätten sich unter der Hand darauf geeinigt, dass die Veröffentlichung noch unter ihrer Verantwortung geschieht.
Sie wirkt damit entschlossen und handlungsbereit, er wiederum muss nicht die Verantwortung für ein Gutachten übernehmen, das nicht in seiner Amtszeit angefertigt wurde. Der Verfassungsschutz selbst, ist zu hören, durfte über den Veröffentlichungszeitraum nicht mitentscheiden.
Warum ist das überhaupt relevant?
Das Gutachten gilt als DAS wichtigste Argument, auf dem sich ein Verbotsverfahren gegen die AfD aufbauen ließe.
In der abgelaufenen Legislaturperiode hatten Bundestagsabgeordnete mehrerer Parteien versucht, ein Verbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht anzustoßen. Unsere Reporterin Marie Bröckling dokumentiert diesen Prozess seit Monaten.
Letztlich fand sich aber im alten Bundestag keine Mehrheit dafür, einen Verbotsantrag zu starten. Denn: Ohne das Gutachten, fanden viele Abgeordnete, sei es zu riskant. Was, wenn im laufenden Verfahren das Gutachten fertig würde – und darin stünde, die AfD sei gar nicht in der Breite verfassungsfeindlich? Dann wäre der Versuch, sie zu verbieten, wohl gescheitert.
Dass das Gutachten ausgerechnet jetzt, kurz vor dem Antritt der neuen Regierung, intern veröffentlicht wurde, setzt also ein Signal an die neue Regierung: Jetzt könnt ihr mit besserer Grundlage handeln.
Hier haben wir zusammengestellt, was Politikerinnen und Politiker aktuell zu einem möglichen Verbotsverfahren sagen.
Was würde ein AfD-Verbot bringen?
Diese Frage sprengt die Grenzen unserer kurzen Einordnungen hier im SPOTLIGHT. Deshalb so knapp wie möglich:
Eine Partei, die verboten ist, bekommt kein Geld mehr vom Staat. Sie kann auch keine Spendengelder sammeln. Und es ist rechtlich nicht möglich, eine verbotene Partei einfach unter einem neuen Namen „umzutopfen“. Das heißt: Die AfD müsste komplett neue Strukturen aufbauen – und das würde Jahre dauern.
Das ist auch der Grund, weshalb die Partei jetzt angekündigt hat, den Verfassungsschutz wegen des Gutachtens zu verklagen.
Sozialdemokraten gewinnen Wahl in Australien – dank Trump?
Mit deutlicher Mehrheit erzielten die Sozialdemokraten die absolute Mehrheit. Der liberale Herausforderer Peter Dutton verlor hingegen seinen eigenen Parlamentssitz. Vor allem seine stark an Donald Trump ausgerichtete Rhetorik dürfte ihm Stimmen gekostet haben. Zuletzt hatte CORRECTIV gemeinsam mit Recherchepartnern aufgedeckt, dass Trumps Wahlkampfberater behauptet, die australisch Liberale Partei beraten zu haben.
tagesspiegel.de / correctiv.org
SPD-Minister stehen fest
Generationenwechsel im Regierungsteam der SPD. Drei Männer und sechs Frauen vertreten die SPD zukünftig im Kabinett. Die Parteivorsitzende Saskia Esken ist nicht dabei. Der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil wird neuer Finanzminister.
tagesschau.de
Stuttgart: Vorgehen gegen Falschparker wird durch Scan-Autos erleichtert
In anderen Ländern wird die neue Technik bereits eingesetzt, Stuttgart testet sie jetzt auch. Es geht um Autos, die mit einer Kamera auf dem Dach die Nummernschilder der parkenden Autos erfassen. Die Technik funktioniert allerdings nur, wenn die Parkflächen digitalisiert in einer Datenbank zu finden sind. Auch Bewohnerparkausweise müssen digital erfasst sein.
badische-zeitung.de
Neue CORRECTIV-Recherche: Die Professorin und der Spionagevorwurf
An der TU München forscht eine renommierte Professorin an sensiblen Satellitentechnologien. Vom Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum wurde sie kürzlich entlassen. Im Raum steht ein schwerer Vorwurf: Spionage für China.
correctiv.org

CORRECTIV.Faktenforum

In Sozialen Netzwerken kursiert eine Grafik zum französischen Kernkraftwerk Flamanville 3. Sie unterstellt, das Kraftwerk verbrauche mehr Energie als es einspeise. Es produziert derzeit zwar tatsächlich weniger Strom als es verbraucht. Das liegt aber daran, dass es sich bis Sommer 2025 in einer Testphase befindet und nicht mit voller Leistung Strom produziert.
faktenforum.org
Diese Faktensammlung stammt aus unserem CORRECTIV.Faktenforum. Hier kann sich jede und jeder einbringen, um Falsch- und Desinformation zu entlarven. Mehr Infos zum Hintergrund heute in unserer Werkbank.
Endlich verständlich
In Deutschland leben viele junge Menschen auf der Straße. Wie viele genau, weiß niemand so richtig. Im Bericht des Bundesministeriums von 2023 heißt es, rund 38.000 Menschen unter 28 Jahren seien obdachlos oder wohnungslos. Unsere Jugendredaktion Salon5 zeigt, was „wohnungslos“ bedeutet und welche gesicherten Informationen es dazu gibt.
Salon5 (Instagram)
So geht’s auch
Ungestört duschen – für Menschen ohne Wohnung ist das nicht ohne Weiteres möglich. Der Sozialdienst katholischer Frauen in Berlin bietet nun auch für jugendliche Obdachlose ein Duschmobil an.
rbb24.de
Fundstück
Ab morgen ist höchstwahrscheinlich ein neuer Kanzler im Amt. Mit ihm verbindet sich die Hoffnung nach einem politischen Aufbruch. Doch ist die Bilanz der Ampel wirklich so schlecht wie das Bild, das sie abgab? Nein, sagen Forschende in einer aktuellen Studie. Sie hätte sogar mehr Vorhaben umgesetzt als manche Vorgängerregierung – sei aber an den eigenen Ansprüchen gescheitert.
spiegel.de
Ab jetzt noch mehr Fakten! Seit drei Jahren bin ich Faktenchecker bei CORRECTIV. Wenige Sachen tun mir in dieser Zeit beruflich so gut, wie zu erleben, dass sich Menschen aktiv gegen Desinformation engagieren. Wenn ich mehrere Stunden auf X, Telegram oder Tiktok verbringe, bin ich oft frustriert. Wie kann es sein, dass so viele Menschen falsche Behauptungen verbreiten – und andere sie glauben? Aus dieser Frustrations-Spirale hilft mir unsere Faktenforum-Community heraus. Sie schickt uns nicht nur Themenvorschläge, sondern recherchiert auch gemeinsam mit uns.
Ab heute teilen wir uns mit der Faktencheck-Redaktion eine Rubrik im SPOTLIGHT und zeigen dort die Ergebnisse dieser Recherchen – immer wenn es Faktensammlung und nicht Faktencheck heißt. Das Format ist schnell erklärt: Wir sammeln das Wissen von Vielen. Jeder trägt so viel dazu bei, wie er oder sie will. Wir finden die einzelnen Fakten zu einer Behauptung und tragen sie zusammen. Wenn sie reichen, um die Behauptung zu be- oder widerlegen, veröffentlichen wir eine Faktensammlung. Mehr als 1.500 Nutzerinnen und Nutzer sind registriert.
Sie möchten dabei sein oder einfach mal aus Neugier reinschauen? Auf unserer Webseite finden Sie alle Infos dazu.

Die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ schiebt auch die Diskussion um ein mögliches AfD-Verbot erneut an. Eine aktuelle Insa-Umfrage zeigt, dass sich mit der Einschätzung des Verfassungsschutzes auch bei einigen Menschen die Wahrnehmung verändert hat: Inzwischen finden mehr Menschen ein mögliches Parteiverbot richtig.
Allerdings sorgen sich viele, dass die Diskussion auch nach hinten losgehen kann. In der gleichen Umfrage glauben 41 Prozent, dass von der Verbotsdebatte vor allem die rechtsextreme Partei selbst profitiert. Nur 22 Prozent denken, dass es ihr schadet. Auch die Auswirkung eines möglichen Parteiverbots fallen differenziert aus: 35 Prozent meinen, ein AfD-Verbot würde der Demokratie helfen. 39 Prozent sehen dadurch aber auch Schäden für die Demokratie.
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Sebastian Haupt und Jule Scharun.
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