
Es könnte ja so einfach sein: In der Zeitung lesen Sie über einen Plan, dass in Ihrer Stadt ein umstrittener Bürokomplex gebaut werden soll. Die Zeitung recherchiert zu den Hintergründen der Vergabe und startet daraufhin eine Umfrage darüber, wie Sie das finden; sie fragt Expertinnen, was denn eine Alternative zum Bürohaus sein könnte und ob das finanzierbar wäre. Forscher werden zudem eingeladen, um grundsätzlich über Zukunftsmodelle der Stadt zu sprechen. Über Beton, Grünflächen, über den Verkehr der Zukunft und wie man sich im Ort begegnen kann. Und Sie diskutieren mit.
Wenn ich viele Ihrer Wünsche aus der Umfrage letzte Woche zusammenfasse, wie lokaler Journalismus aussehen sollte, würde ich es so beschreiben wie oben. Sie wollen mehr über Lösungen, mehr über konkrete lokale Fragen, mehr über die Zukunft lesen oder hören und diskutieren.
Letzten Samstag haben hunderte von Ihnen an der Umfrage teilgenommen und Vorschläge gemacht. Zeitgleich diskutierten 350 Lokaljournalistinnen und -journalisten in Erfurt, wie neue Ideen umgesetzt werden können. Ich glaube, dass da einiges auf dem Weg ist, das gut zu dem passt, was Sie fordern. Mein Kollege Jonathan Sachse beschreibt unten im Correctiv.Inside, was unsere Lokal-Konferenz bewegt hat.
Wir werden Ihnen zusätzlich in der nächsten Woche nochmal konkreter auswerten, was unsere Umfrage mit Ihnen ergeben hat. Vielen Dank für Ihre Energie!
Am kommenden Dienstag werden wir übrigens sehen, ob unser Journalismus wieder mal Wirkung hat. Gestern berichteten wir ja, dass wir vorab die neuen Sanktionspläne der EU gegenüber Russland einsehen konnten. Darunter zwei Firmen, über die wir im Zusammenhang mit Desinformations-Kampagnen recherchiert hatten. Mal sehen, ob das Paket am Dienstag so wie geplant verabschiedet wird.
Ob Sanktionen helfen, einen Krieg zu beenden? Diese Frage stellen wir uns seit Beginn des Angriffskrieges 2022, wir hatten damals als erste weltweit einen Sanktions-Livetracker aufgebaut. Beeinflusst haben die Sanktionen den Krieg nicht spürbar. Aber Firmen, die zum Beispiel Desinformation verbreiten, haben es dadurch immerhin schwerer, ihre Kampagnen in Europa zu führen.
Ihnen wünsche ich ein erholsames Wochenende und eine spannende Lektüre unserer Empfehlungen der Woche. Da ist viel Wissenswertes und eine Menge Aufklärung dabei!
Herzlich,
Ihr
Wohnort entscheidend für Chancen von Kindern
Wie gut Kinder und Jugendliche in Deutschland aufwachsen, hängt stark vom Wohnort ab. Der neue Teilhabe-Atlas zeigt: In manchen Regionen gibt es echte Chancen auf Mitsprache und Förderung, in anderen fehlt es an vielem. Die Zeit hat die Daten aus der Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und der Wüstenrot Stiftung ausgewertet und zeigt, welche Regionen besonders gute oder schlechte Chancen zur Teilhabe vorweisen.
Wo Kinder in Deutschland gut aufwachsen (zeit.de, €)
Lithium aus Europa?
Dieser Rohstoff steckt in jeder E-Autobatterie und bleibt unverzichtbar für die Energiewende: Lithium. Europa bezieht den Rohstoff ausschließlich aus Australien, Chile und China. Schon jetzt ist klar, dass der Bedarf steigt, um den Umstieg auf erneuerbare Energien zu bewältigen. Doch nicht nur deshalb: Europa will auch unabhängiger von Importen werden und prüft, wie sich Lithium vor Ort fördern lässt. Dise arte– Dokumentation fragt kritisch, ob die Vorhaben realistisch sind.
Lithium in Europa (arte.tv, Video)
Wie die Feuerwehr gegen Rechtsextremismus kämpft
Ohne die freiwillige Feuerwehr läuft in Deutschland nichts: Sie hilft, rettet, bildet Jugendliche aus und bringt Menschen zusammen. Doch rechtsextreme Vorfälle belasten das Ehrenamt. Y-Kollektiv-Reporter Marc Zimmer fragt im Podcast, wie ernst das Problem bei der Feuerwehr ist, und spricht mit denen, die sich dagegen stellen.
Rechte Brandstifter: Wie die Feuerwehr gegen Rechtsextremismus kämpft (ardaudiothek, Audio)
Frühjahrsdürre: Wo Bauern um ihre Ernte fürchten
Seit Februar bleibt der Regen in weiten Teilen Deutschlands aus. Besonders im Nordosten sind die Folgen dramatisch: Böden trocknen aus, Pflanzen vertrocknen, Landwirte schlagen Alarm. Bringt der Mai keine Wende, droht Deutschland ein historisch trockenes Frühjahr, was dramatische Auswirkungen auf die Ernte der Bauern haben wird.
Deutschland trocknet aus (tagesspiegel.de)
Wie politisch ist TikTok wirklich?
Eine erstmals durchgeführte Auswertung echter TikTok-Daten zeigt: Politische Beiträge tauchen selten auf und wenn, dann teilen sie die Nutzenden in politische Lager auf. Parteien erreichen kaum Publikum, Influencer prägen die Debatte. Der typische Feed ist wohl eher eine Filterblase. Die Stuttgarter Zeitung hat Nutzerdaten gemeinsam mit dem Bayerischen Rundfunk und der Universität Zürich gesammelt und ausgewertet.
Bislang größte Nutzerstudie zu Tiktok – die Ergebnisse (stuttgarter-nachrichten.de)
Musks KI-Chatbot verbreitet Verschwörungserzählungen
Plötzlich dreht sich bei Elon Musks KI-Chatbot Grok alles um den „White Genocide“ – einer Verschwörungserzählung, in der es um die angeblichen massenhaften Morde an weißen südafrikanischen Farmern geht. Der KI-Chatbot zitiert rassistische Lieder, widerspricht sich selbst. Hinter dem bizarren Antwortverhalten könnte eine bewusste Einflussnahme der Erschaffer der KI stecken.
Musks Chatbot Grok verbreitet Verschwörungstheorien über den „White Genocide“ (derstandard.at)
Anstieg bei Hautkrebserkrankungen
Sonne und Wärme locken nach draußen, doch der Sonnenschein birgt Risiken. Hautkrebsbehandlungen nehmen stetig zu. Laut Statistischem Bundesamt stieg die Zahl der stationären Behandlungen von etwa 62.000 im Jahr 2003 auf 116.900 im Jahr 2023. Hauptursache für fast alle Hautkrebsarten ist UV-Strahlung. Experten führen einen Teil des Anstiegs auf den demografischen Wandel zurück.
Binnen 20 Jahren mehr als verdoppelt: Hautkrebs-Behandlungen steigen deutlich (geo.de)

CORRECTIV Inside
„Ich nehme den Vibe mit, dass wir gerade jetzt eine wichtige Rolle haben, die uns über Verlags- und Sendergrenzen verbindet“, sagte eine Teilnehmerin nach der CORRECTIV.Lokal Konferenz 2025. Ein Kollege schrieb: „Es war wahnsinnig ermutigend, so viele inspirierende, motivierte Lokaljournalist*innen auf einem Fleck zu treffen. Das hat mir den Glauben an die Zukunft des Journalismus wiedergegeben.“
Das sind nur zwei von vielen Rückmeldungen, die uns seit dem vergangenen Wochenende von den rund 350 Teilnehmenden erreichen. Das tut uns als Organisationsteam gut, aber viel wichtiger ist, dass wir unser Ziel erreicht haben: Wir wollen auf unserer jährlichen Lokaljournalismus-Konferenz eine Atmosphäre schaffen, die Medienschaffende stärkt und Zuversicht erzeugt. Das ist wichtig. Denn die Herausforderungen im Lokaljournalismus sind gewaltig, wie ich vor einigen Wochen in einem Gastbeitrag für epd beschrieben habe.
In den kommenden Wochen werden wir noch einen Schritt weitergehen. Wir haben in unterschiedlichen Formaten mit den Teilnehmenden nicht nur Probleme im Lokaljournalismus benannt, sondern daraus auch Forderungen abgeleitet, die wir schon bald veröffentlichen werden.
Einen tieferen Einblick in die Themen der mittlerweile dritten CORRECTIV.Lokal Konferenz bekommen sie in der aktuellen Folge des Podcasts „Druckausgleich“, der von unserem Medienpartner journalist veröffentlicht wird und in verschiedenen Interviews mit dem Erfurter Radio F.R.E.I.
All das lässt sich nur mit Partnern realisieren. Die Universität Erfurt mit dem Seminar für Medien- und Kommunikationswissenschaft war wieder ein zentraler Kooperationspartner, außerdem der Deutsche Journalisten-Verband (DJV), Funke Medien Thüringen – Thüringer Allgemeine und der Thüringer Landesmedienanstalt. Zu den Förderpartnern zählen die Stiftung Mercator, die Alfred Toepfer Stiftung, die Madsack-Stiftung, die Rudolf Augstein Stiftung und die Freudenberg Stiftung.

Die Woche bei CORRECTIV

Irreführung bei nachhaltigen Fonds: 150 Milliarden Euro unter falschem Etikett
Fondsanbieter in Deutschland mussten bei Hunderten vermeintlich „grünen“ Fonds und ETFs Begriffe wie „Klima“ oder „nachhaltig“ aus dem Namen streichen – weil die Geldanlagen oft nicht hielten, was die Titel versprachen. Insgesamt sind mindestens 150 Milliarden Euro betroffen, wie eine gemeinsame Recherche von CORRECTIV und Finanztip zeigt.
correctiv.org
Geplante EU-Sanktionen zielen auch auf pro-russische Propagandisten in Deutschland
Das 17. Sanktionspaket der EU gegen Russland soll am 20. Mai verabschiedet werden. CORRECTIV konnte einen Entwurf vorab einsehen: Er zielt auch gegen deutsche Staatsbürger und in Deutschland tätige Propaganda-Akteure. Ebenfalls im Visier: IT-Unternehmer, deren Rolle in Russlands hybridem Krieg CORRECTIV aufgedeckt hat, sowie Fischerei-Unternehmen, die der Spionage und Sabotage verdächtigt werden.
correctiv.org
Was im AfD-Gutachten steht (und was nicht)
„Völkisch“ und „Muslimfeindlich“: So begründet der Verfassungsschutz die Einstufung als gesichert rechtsextremistisch. Zu Umsturzplänen und Spionagevorwürfen steht hingegen kaum etwas auf mehr als 1000 Seiten.
correctiv.org
Der stille Tod der Aktienrente
Die neue Regierung hat die Pläne aus der vorherigen Legislatur zur Aktienrente einkassiert. Damit verspielt sie auch Chancen auf eine klimafreundlich gestaltete, staatlich organisierte Anlage und rückt näher an die Privatwirtschaft.
correctiv.org
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Jonathan Sachse, Gesa Steeger und Finn Schöneck.
CORRECTIV ist spendenfinanziert
CORRECTIV ist das erste spendenfinanzierte Medium in Deutschland. Als vielfach ausgezeichnete Redaktion stehen wir für investigativen Journalismus. Wir lösen öffentliche Debatten aus, arbeiten mit Bürgerinnen und Bürgern an unseren Recherchen und fördern die Gesellschaft mit unseren Bildungsprogrammen.