5-Prozent-Ziel der Nato: Was das für den Bundeshaushalt bedeutet
Zum neuen Ausgabenziel für die Verteidigung der Nato kursieren im Juni 2025 mehrere Zahlen. Wird der Verteidigungsetat wirklich auf gut die Hälfte des Bundeshaushalts steigen? Wir haben uns die Zahlen genauer angeschaut.

Beim Nato-Gipfel in Den Haag am 25. Juni 2025 gaben die Mitgliedsländer des Verteidigungsbündnisses ein neues Ziel für Verteidigungsausgaben bekannt: Mindestens fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Länder sollen jährlich in militärische Ausgaben fließen, spätestens ab 2035. Das sind deutlich mehr als die rund zwei Prozent, die Deutschland vergangenes Jahr als Nato-Mitglied ausgegeben hat. Diese fünf Prozent, die sogenannte „Nato-Quote“, setzen sich aus Ausgaben der Länder für Verteidigung und Sicherheit zusammen. Das BIP ist der Wert aller Waren und Dienstleistungen, die in einem Land in einem Jahr produziert werden.
Was bedeutet die Entscheidung für Deutschlands Bundeshaushalt, den Finanzplan der Bundesregierung? Im Netz kursiert ein Vergleich der Verteidigungsausgaben mit dem Bundeshaushalt: Diese würden nun über 40 Prozent des Haushalts oder sogar die Hälfte ausmachen. Einen unserer Leser macht das jedoch stutzig: „Nach meiner Rechnung kann 5 Prozent des BIP aber nicht 50 Prozent des Bundeshaushaltes entsprechen“, schreibt er uns.
Wir haben uns die Zahlen genauer angeschaut. Fest steht: Deutschland wird in Zukunft viel mehr Geld in den Etat für Verteidigung und Sicherheit stecken.
5 Prozent des BIP entsprachen im Jahr 2024 rund 45 Prozent des Bundeshaushalts
Im Jahr 2024 lag das deutsche BIP bei 4,31 Billionen Euro. Der Bundeshaushalt betrug im selben Jahr 476,8 Milliarden. Mit Blick auf das vereinbarte Ausgabenziel der Nato-Staaten bedeutet das: Deutschland hätte 2024 215,27 Milliarden Euro ausgeben müssen, das sind 45,15 Prozent des Bundeshaushalts.
Die SIPRI-Datenbank gibt die jährlichen Militärausgaben der Länder an und ermöglicht so einen Vergleich. Die Entwicklung des Anteils der Verteidigungsausgaben an Deutschlands Bruttoinlandsprodukt sieht dort wie folgt aus:
Relevant ist jedoch auch: Die Nato-Ausgaben teilen sich in zwei unterschiedliche Bereiche auf. 3,5 Prozent des BIP sollen für klassische Verteidigungsausgaben wie Raketen, Helikopter oder Kampfflugzeuge ausgegeben werden. Die restlichen 1,5 Prozent für „verteidigungsrelevante Infrastruktur“.
Laut der Tagesschau könnten dazu Bereiche gehören, für die sowieso bereits Investitionen angekündigt wurden, beispielsweise Ausgaben für Straßen- und Schienen-Infrastruktur oder die Digitalisierung. Wie genau die Ausgaben finanziert werden sollen, ist noch offen – und somit auch die Frage, wie genau sich das neue Verteidigungsziel auf den Bundeshaushalt auswirken wird.
Unklar ist auch, ob etwa Unterstützung für die Ukraine – wie in der Vergangenheit bereits – mit zu den Nato-Ausgaben gezählt wird. Generell veröffentlicht die Bundesregierung nicht, welche Ausgaben in die Nato-Quote einfließen.
Verteidigungsausgaben werden von Nato-Ländern nicht einheitliche berechnet
Auch vor dem neuen Ziel gab es bereits Kritik daran, wie die einzelnen Mitgliedsstaaten die Nato-Quote berechnen. Denn das geschieht nicht einheitlich. Die Vorgaben der Nato sind relativ flexibel gehalten, heißt es beispielsweise in einem Bericht des konservativen US-Think-Tanks American Enterprise Institute.
Wie die Tagesschau 2024 berichtete, rechnete Deutschland damals zum Beispiel verschiedene Ausgaben mit ein, die nicht unbedingt der Verteidigung dienen. Zinszahlungen für vergangene Anschaffungen der Bundeswehr, für Rentenzahlungen oder Entwicklungshilfeausgaben wurden mitgezählt. Auch Kindergeldzahlungen des Bundesfamilienministeriums an Bundeswehrangehörige und Versorgungsleistungen für die ehemaligen Angehörigen der Nationalen Volksarmee der DDR wurden laut dem Bericht mit berücksichtigt.
Auch andere Länder würden solche „Rechentricks“ verwenden, so die Tagesschau in dem Beitrag. Wie der Spiegel berichtet, rechnete Spanien die Kosten für die städtische Feuerwehr von Madrid mit ein, während die USA regelmäßig Investitionen ins Schienennetz und Frankreich Kosten für die Polizei mit auflisten.
Fragen dazu, wie sich die Quote konkret berechnet, ließen die Bundesregierung und die Nato bis zur Veröffentlichung dieses Artikels unbeantwortet.
Deutschlands Rüstungsetat soll sich laut Medienberichten bis 2029 mehr als verdoppeln
Hinzu kommt, dass das 5-Prozent-Ziel nicht von heute auf morgen gelten wird, sondern über mehrere Jahre erreicht werden soll. Die Nato-Mitgliedsstaaten sollen es bis spätestens 2035 erreichen. Laut Medienberichten plant Deutschland den Rüstungsetat bis 2029 auf 153 Milliarden Euro im Jahr zu erhöhen – das entspräche rund 32 Prozent des Bundeshaushalts von 2024 und 3,55 Prozent des BIP, wenn der Wert von 2024 angenommen wird.
Zum Vergleich: 2025 soll Deutschland einen Wert von 2,4 Prozent erreichen. Für den Wehr-Eetat ist laut dem Haushaltsentwurf der Regierung ein Volumen von 62,4 Milliarden Euro geplant, berichtet ZDF Heute. Die Ausgaben sollen sich also innerhalb von fünf Jahren mehr als verdoppeln. Hinzu kommen noch Ausgaben aus dem Sondervermögen der Bundeswehr – im vergangenen Jahr waren das zusätzliche 20 Milliarden Euro, die ebenfalls zum Nato-Ziel dazugezählt wurden. Der Großteil des Sondervermögens ist allerdings bereits verplant.
Redigatur: Matthias Bau, Sarah Thust