Regierung verspricht Milliarden für Infrastruktur – doch altes Geld wird neu verpackt
Das Verkehrsministerium scheint reguläre Haushaltsmittel für Infrastruktur durch Gelder aus dem Sondervermögen zu ersetzen. CORRECTIV liegt eine Auswertung vor, die zeigt: Die versprochenen Milliarden kommen kaum an. Das BMV verteidigt sich. Und Grünen-Politikerin Piechotta spricht von einem „Wortbruch“.

Im Bundesministerium für Verkehr (BMV) wird offenbar zurzeit geschickt gerechnet: Ein Teil des Geldes, das im vergangenen Jahr noch im regulären Haushalt für den Ausbau der Infrastruktur vorgesehen war, fehlt im neuen Entwurf. Ersetzt wurde es durch Mittel aus dem Sondervermögen „Infrastruktur und Klimaschutz“. So zeigt es eine interne Auswertung, die CORRECTIV vorliegt.
Das ist ein erstes konkretes Beispiel dafür, dass offenbar deutlich weniger Geld aus dem 500-Milliarden-Topf für den Ausbau der Infrastruktur ankommt, als die Bundesregierung angepriesen hatte. Wir verfolgen dies im Rahmen unserer SPOTLIGHT-Recherche „Gemeinsam aufgedeckt“.
Interne Auswertung zeigt: Gelder fließen aus dem Sondervermögen
In der tabellarischen Übersicht, die CORRECTIV vorliegt, zeigt sich: Für zentrale Infrastrukturprojekte wurden reguläre Haushaltsmittel gekürzt. Stattdessen fließen in die Etat-Planung des Ministeriums Gelder aus dem Sondervermögen – das eigentlich für neue, zusätzliche Vorhaben gedacht ist.
Der Auswertung zufolge geht es um rund 13 Milliarden Euro, die aus der regulären Haushaltsplanung gestrichen wurden und für die nun stattdessen Geld aus dem Sondervermögen eingeplant ist.
Ursprünglich wollte die Regierung mehr Geld für Klima und Infrastruktur ausgeben. Dies sollte zusätzlich zu bisheriger Finanzplanung erfolgen. Das passiert so in diesem Fall aber nicht. Stattdessen widerspricht diese Vorgehensweise dem Versprechen, in dieser Legislaturperiode deutlich mehr in diese Bereiche zu investieren.
BMV verteidigt sich
Das Bundesverkehrsministerium (BMV) verteidigt seine angepasste Etat-Planung. Das Haus von Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) erklärt sich auf Anfrage von CORRECTIV so: Die Bundesregierung habe beschlossen, „in dieser Legislaturperiode 166 Milliarden Euro für Verkehrsinvestitionen“ bereitzustellen. Davon sollen „107 Milliarden Euro in die Schiene, 52 Milliarden in die Bundesstraßen und acht Milliarden in die Wasserstraßen“ gehen. Das sei immerhin ein Anstieg um „mehr als 60 Prozent“ im Vergleich zu den Jahren 2020 bis 2024. Da seien es 102 Milliarden gewesen.
Zudem sei die „grundgesetzliche Regelung einer Zusätzlichkeit zu einer zehnprozentigen Investitionsquote im Bundeshaushalt erfüllt“.
Mit anderen Worten: Aus Kreisen des Verkehrsministeriums wurde CORRECTIV erklärt, die Voraussetzung für den Einsatz von Sondervermögen – nämlich eine zehnprozentige Investitionsquote im Bundeshaushalt – sei erfüllt. Daraus folgert das BMV: Erst wenn genug investiert wurde, dürfen zusätzliche Mittel aus Sondervermögen verwendet werden. Genau das sei laut Regierung nun der Fall.
Dass die Mittel jetzt aus mehreren Quellen kommen, erklärt das BMV mit dem Scheitern des ursprünglichen Haushaltsentwurfs.
„Die Behauptung (…) verbietet sich“
Nach Einschätzung eines BMV-Sprechers „verbiete“ sich außerdem die Behauptung, es handle sich um „Verschiebungen“ von Haushaltsmitteln. Man dürfe den ersten Haushaltsentwurf für 2025 nicht mit dem aktuellen zweiten Entwurf vergleichen, heißt es weiter. Der ursprüngliche Plan habe auf nicht realistischer Einnahmeschätzungen basiert: etwa bei den erwarteten Einnahmen aus der Maut. An diesem ersten Entwurf des Bundeshaushalt 2025 sei, so wörtlich, die „Ampelregierung zerbrochen“.
Die derzeitigen Planungen für Verkehrsinvestitionen würden sich nun aus mehreren Quellen speisen. Und zwar, wie der Sprecher erklärt, aus:
- „dem Einzelplan 12 (Ressorthaushalt des BMV),
- Einzelplan 14 (Ressorthaushalt des BMVg, Stichwort ,Ertüchtigung militärisch nutzbarer Infrastruktur‘ zur Erhaltungs- und Ausbaumaßnahmen im Bereich Straße und Schiene),
- dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaschutz sowie
- dem Klima- und Transformationsfonds“.
Der gesamte Haushaltsentwurf: ein „einziger großer Wortbruch“?
Dem widerspricht Paula Piechotta (Grüne). Die Hauptberichterstatterin für den BMV-Etat sagt dazu:
Der Verkehrsetat ist wie der gesamte Haushaltsentwurf ein einziger großer Wortbruch von Kanzler Merz und Vizekanzler Klingbeil. Statt das 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität dem Zweck entsprechend für zusätzliche Investitionen in diese Bereiche zu verwenden, kommt nur ein Bruchteil davon im Verkehr an. Von echter Zusätzlichkeit kann zudem keine Rede sein, denn es soll das finanziert werden, was ohnehin schon geplant war. – Paula Piechotta
Was völlig auszufallen drohe: „dringend notwendige zusätzliche Investitionen in den Aus- und Neubau von Schienenwegen“. Für diese mangele es schon jetzt an Geld. Der Ausbau der Schienenwege zwischen Deutschland, Tschechien, Polen werde damit „weiter verschleppt“. Dabei seien die Schienenwege wichtig – „sowohl für die Wirtschaft als auch die Verteidigungsfähigkeit“.
Außerdem sorge es für „maximale Intransparenz und Verwirrung in der Öffentlichkeit“, wenn Verkehrsinvestitionen in Sondervermögen und Verteidigungsetat ausgelagert werden. Damit würden Klingbeil und Merz „vernebeln“ wollen, dass sie „kaum zusätzlich in Infrastruktur und eine klimaneutrale Zukunft investieren“. Stattdessen würden sie „Steuergeschenke für McDonalds, Burger King und Co finanzieren“ und „selbstgemachte Haushaltslöcher stopfen“.
„Sondervermögen ist kein Selbstbedienungsladen“
Abschließend ergänzt sie, die Junge Gruppe in der Unionsfraktion habe „sehr recht“, dass das Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität kein „Selbstbedienungsladen“ sein darf. Es müsse „klar definierte Investitions- und Infrastrukturziele“ geben.
Die Bundesregierung hatte das Sondervermögen als Jahrhundertprojekt angekündigt. In der Realität zeigt sich die Schwierigkeit, diesem Anspruch im politischen Betrieb gerecht zu werden.
Diese Recherche ist Teil der CORRECTIV-SPOTLIGHT-Serie „Gemeinsam aufgedeckt“.