Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters

Diese für Audio optimierte Kompaktfassung des täglichen Spotlight-Newsletters ist von einer KI-Stimme eingelesen und von Redakteuren erstellt und geprüft.

Autor Bild Anette Dowideit

Liebe Leserinnen und Leser,

die CDU Hessen hat kürzlich ein Instagram-Video veröffentlicht, mit dem sie sich selbst – und auch der CDU als solches – keinen Gefallen getan hat: Der gesundheitspolitische Sprecher ihrer Landtagsfraktion fordert darin ein Melderegister für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Viele waren empört: Das erinnere an die Anfänge der Euthanasie bei den Nazis.

Wir haben recherchiert, was eigentlich dahinter steckt – und was die CDU Hessen mittlerweile selbst dazu sagt. Heute unser Thema des Tages.

Außerdem im SPOTLIGHT: Wir haben heute gleich drei Stories veröffentlicht. 

  • Die erste zeigt, wie die Bundeswehr nun vermehrt auf chinesische Drohnen setzt. 
  • Die zweite kommt aus unserem Faktencheck-Team. Sie zeichnet nach, wie die AfD unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit die Grenzen des vermeintlich Sagbaren immer weiter verschiebt. 
  • Und die dritte kommt aus unserer Sparte CORRECTIV.Exile, unseren Auslandsberichterstattern. Das Team besteht aus Exiljournalisten aus Ländern wie der Türkei, Russland und Afghanistan. Der afghanische Reporter Qais Alamdar und Redakteurin Minou Becker können beweisen, dass die Taliban falsche Identitäten im Internet nutzen – um den digitalen Raum für ihre Propaganda zu nutzen.

Morgen, im Samstags-SPOTLIGHT, schreibt Justus von Daniels über ein noch viel zu wenig beachtetes Geldgrab für Deutschlands Kommunen: 600.000 Kilometer an Gasleitungen, die unter der Erde verlaufen. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende – und schreiben Sie mir gern: anette.dowideit@correctiv.org.

Thema des Tages: Ein Register für psychisch Erkrankte?

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

Leserfrage der Woche: Warum will München eine öffentliche WC-Anlage auf der Tengstraße bauen?

CORRECTIV Events: Live-Faktencheck

Faktencheck: Die Meinungsfreiheit, die sie meinen: Volksverhetzung umter dem Deckmantel der freien Rede

Gute Sache(n): Trumps großes Steuer- und Schuldengesetz • Immer mehr grüne Jobs • KI im Unterricht? Viele Lehrkräfte unsicher

CORRECTIV-Werkbank: Wärmewende? Auch Kälte muss mitgedacht werden

Grafik des Tages: AfD trickst sich selbst aus: Häufigste Bürgergeldempfänger heißen Michael und Andreas

„Es gibt Menschen, die sind schwer psychiatrisch erkrankt, sie sind eine Gefahr für sich selbst und die Gesellschaft. Deshalb sieht unser Gesetzentwurf vor, dass diese Personen den Ordnungsbehörden gemeldet werden müssen.“
Ralf-Norbert Bartelt
Gesundheitspolitischer Sprecher der CDU im hessischen Landtag

Der CDU-Landtagsabgeordnete Ralf-Norbert Bartelt – allerdings auf einem Bild, das schon zwölf Jahre alt ist. Normalerweise steht er nicht stark im öffentlichen Fokus, weshalb es nicht viele Fotos gibt. Quelle: picture alliance / dpa | Nicolas Armer

Psychisch erkrankte Menschen sollen demnach also zentral erfasst werden – weil sie angeblich so gefährlich für die Allgemeinheit seien. Hier geht es zum entsprechenden Gesetzentwurf.

Viele Instagram-Nutzer kommentierten: Das erinnere sie doch stark an die Beginne der Euthanasie der Nazis. Denn ein Register für Personen mit psychischer Erkrankung stelle Menschen unter einen völlig unangemessenen Generalverdacht.

Worum es der CDU Hessen dabei eigentlich ging:
Es ging ihr um die vermeintlichen Gefahren, die insbesondere von psychisch erkrankten Geflüchteten ausgehen. Denn: Als einen der Hauptgründe für ihren Gesetzentwurf gab die Landespartei Messerangriffe wie jenen im Januar in Aschaffenburg an.

Sind Geflüchtete tatsächlich häufiger psychisch krank?
Tatsächlich zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, dass Geflüchtete aufgrund ihrer traumatischen Erlebnisse in der Heimat oder auf der Flucht häufiger seelisch krank sind: Etwa zwei Drittel von ihnen bräuchten demnach eine Therapie.

Sie bekommen sie aber in den meisten Fällen nicht – weil dafür bei uns zu wenig Geld und zu wenig Personal eingesetzt werden. Das zeigte unsere vor ein paar Monaten veröffentlichte Recherche „Traum(a)land“. Eine zentrale Erfassung, wie der CDU-Mann sie vorschlug, könnte dieses Problem aber natürlich nicht lösen – sondern nur mehr Therapie.

Außerdem: Seelisch kranke Menschen, egal ob Geflüchtete oder nicht, sind in den allermeisten Fällen keine Gefahr für andere – sondern nur für sich selbst.

Die umstrittene Forderung kam übrigens nicht nur von der CDU Hessen. Auch Carsten Linnemann, der Generalsekretär der Partei, hatte bereits kurz vor Jahreswechsel ein „Register für psychisch kranke Gewalttäter“ gefordert. Er sprach in einem Interview wörtlich davon, es gebe „Raster für Rechtsextremisten und Islamisten, aber nicht für psychisch kranke Gewalttäter“. 

Weshalb die Forderung so gefährlich ist:
Sie suggeriert fälschlicherweise, psychisch erkrankte Menschen seien generell gefährlich. SPOTLIGHT-Reporterin Samira Frauwallner hat mit Vertretern mehrerer Expertengruppen gesprochen. Sie sagen: Wer solche Forderungen aufstellt, der betreibe gesellschaftliches Zündeln. 

„Es fehlt jede historische Sensibilität. Die Registrierung von Menschen führte zu früheren Zeiten zu Entwicklungen, die jede menschliche Humanität vermissen ließen. Ein solcher Vorschlag leistet der Stigmatisierung seelisch erkrankter Menschen Vorschub.“ 
Sprecherin
Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP)

Zudem: Der Datenaustausch zwischen Behörden zu Personen, die tatsächlich gefährlich werden können, sei längst gesetzlich geregelt. 

„Solche Maßnahmen beruhen auf Scheinlösungen, die den Blick auf strukturelle Probleme verstellen. In seelischer Not brauchen Menschen Beziehungen, Fürsorge und Halt – keine Repression.“
Thomas Bock
Professor für Klinische Psychologie und Sozialpsychiatrie am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf

„Wir beobachten mit Besorgnis eine zunehmende Tendenz, Menschen mit psychosozialen Behinderungen als ‘Gefährder‘ zu stigmatisieren.“
Sprecher 
Deutsches Menschenrechts-Institut (DIMR)

Der hessische Gesetzentwurf sei dabei kein Einzelfall, sondern Teil einer bundesweiten Entwicklung, die bereits in früheren Beschlüssen der Innenministerkonferenz angekündigt wurde. „Es ist zu befürchten, dass andere Bundesländer nachziehen“, so das DIMR.

Es erklärt: „Im Informationssystem der Polizei werden und wurden bereits in der Vergangenheit diskriminierende Marker benutzt. Dabei sei etwa auf den Marker ,homosexuell‘, aber auch ,ANST‘ für ansteckende Krankheiten verwiesen.“ Mit dem Entwurf würden „weitere Überwachungsstrukturen geschaffen, nicht aber die Versorgungslandschaft verbessert und ambulante Unterstützungssysteme ausgebaut“.

Was die CDU Hessen mittlerweile dazu sagt:
Auf unsere Anfrage hin verteidigt sie ihren Gesetzentwurf. Es gehe um „mehr Sicherheit“ und bessere „Versorgung schwersterkrankter Menschen“.

Allerdings betont die Fraktion inzwischen, es handle sich „nicht um ein allgemeines Melderegister“. Vielmehr sei die Regelung nur für „sehr spezielle Einzelfälle“ gedacht – und auch dann nur nach ärztlicher Entscheidung. 

Gleichzeitig zeigt sich die CDU überrascht von den historischen Vergleichen, die viele Internetnutzer zogen. Sie schreibt uns: „Der Vergleich mit der dunkelsten Zeit der deutschen Geschichte hat uns fassungslos gemacht und war in keinem Fall intendiert. Wir distanzieren uns auf das Allerschärfste von dieser Unterstellung.“

Lokal: Mehrere Waldbrände in Ostdeutschland sorgen für Großeinsätze 
In Thüringen und an der Grenze zwischen Sachsen und Brandenburg kämpfen tausende Einsatzkräfte gegen Waldbrände. Die Lage ist ernst. Viele Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Zudem sind seltene Lebensräume von Tieren stark bedroht.
spiegel.de/saechsische.de

CORRECTIV.Exile: Wie die Taliban mit Fake-Identitäten ihr System festigen wollen 
Die in Afghanistan herrschenden Taliban versuchen, mit Fake-Identitäten und Bot-Accounts Zustimmung zu ihrem System zu simulieren und den digitalen Raum für ihre Propaganda zu nutzen. Eine Recherche über gezielte Manipulation, virtuelle Kontrolle und die Gefahr für offene Gesellschaften.
correctiv.org

Symbolbild Leserfrage der Woche

In München gibt es mehr als 100 öffentliche WC-Anlagen. Claudia L. macht darauf aufmerksam, dass einige Toilettenanlagen, wie die am U-Bahnhof Josephsplatz, seit Jahren geschlossen sind. Anstatt diese wieder in Stand zu bringen, werden neue öffentliche WC-Anlagen geplant – teils an Stellen, die für viele Anwohner nicht nachzuvollziehen sind. Auch ein Sprecher des Baureferats in München bestätigt den Unmut der Anwohner über die neu geplanten WC-Anlagen: „Daraufhin haben etwa ein Dutzend Beschwerden der Anlieger*innen das Baureferat erreicht“. 

Wir haben beim Baureferat in München nachgefragt: Seit Jahren fordern wohl Bürgerschaft und der Bezirksausschuss eine öffentliche Toilette am Hohenzollernplatz. Doch die schlechten technischen Anschlussmöglichkeiten und der alte Baumbestand machen einen Standort auf dem Hohenzollernplatz selbst unmöglich. Der Bezirksausschuss stimmte daher für den Standort an der Tengstraße. 

Zwei ausgeschnittene Gesichter aus Papier stehen sich gegenüber, eines hat ein rotes X vor dem Mund.
Was ist sagbar, was nicht? Verschiedene Akteure versuchen, die Meinungsfreiheit umzudeuten und so, Hetze zu normalisieren und Volksverhetzung zu legalisieren (Quelle: BeritK / Istockphoto)

So geht’s auch
Umweltschutz und Wirtschaft schließen sich nicht aus, wie oft behauptet wird. Stattdessen gibt es im Bereich der „Green Jobs“, die zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen, immer mehr Arbeitsplätze. Dazu gehören etwa Stellen in der Wind- und Solarenergie.
wdr.de

Fundstück
Wie gehen Sie mit Künstlicher Intelligenz um? Nutzen Sie schon ganz routiniert einige Anwendungen – oder ist Ihnen etwas mulmig dabei? Wenn Letzteres zutrifft, geht es Ihnen wie zahlreichen Lehrkräften in Deutschland. Wenn es um KI im Unterricht geht, fühlen sich viele unsicher. Das ergab die neue Umfrage des Schulbarometers. Unsere Jugendredaktion Salon5 hat hier die Ergebnisse der Erhebung zusammengefasst.
instagram.com


Heizung und Sanierung: Das steht bei allen deutschen Kommunen derzeit auf der Agenda. Im Rahmen der Wärmeplanung müssen sie prüfen, wie Gebäude und Industrien vor Ort bis spätestens 2045 mit CO2-neutraler Wärme versorgt werden können. Binden sie den Kältebedarf direkt ein, kann das viel Energie und Geld sparen, sagt Experte Markus Fritz vom Fraunhofer ISI. Doch seine Untersuchung bereits vorliegender Wärmepläne zeigt: Die Potenziale werden kaum genutzt.  

Im Oktober dürfte sich das ändern: Eine EU-Direktive verlangt, dass größere Kommunen ihren Plänen künftig Kältestrategien ergänzen. In Städten besonders wichtig: Werden immer mehr Büros, Mehrfamilienhäuser und Schulen mit Klimageräten ausgestattet, heizt die Abwärme die Außenluft weiter auf. Kältenetze wie in München vermeiden das. Zudem können sie günstiger und effizienter als Einzelgeräte sein – und gleichzeitig mit Wärmerohren verlegt werden.

Klar ist: Auch Klimatisierung und Kühlung müssen in Deutschland bis 2045 CO₂-neutral sein. Zwar brauchen wir dafür heute noch deutlich weniger Energie als fürs Heizen. Doch mildere Winter und heißere Sommer werden das ändern. 

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Samira Joy Frauwallner, Sebastian Haupt und Jule Scharun.