Mit welchen Tricks Klimawandelleugner Steve Milloy Temperaturdaten aus den USA verdreht
Klimawandelleugner Steve Milloy behauptet, in den USA habe es seit 2012 keine „globale Erwärmung“ gegeben. Das soll eine Grafik der US-Wetterbehörde NOAA belegen. Warum das nicht stimmt, erklären wir im Faktencheck.

„Gerade von der NOAA eingetroffen: Keine globale Erwärmung in den USA seit 2012“, heißt es in einem englischen Beitrag auf X, der mehr als 4.000 Mal geteilt wurde – auch der deutschsprachige Blog TKP und andere Profile griffen die Behauptung auf. Zu sehen ist eine Grafik der NOAA, der us-amerikanischen Nationalen Ozean- und Atmosphärenbehörde, mit Durchschnittstemperaturen in den USA. Über der Temperaturkurve liegt eine leicht sinkende rote Linie. Die Linie wirkt wie ein Temperaturtrend, ist aber keiner. CORRECTIV.Faktencheck erklärt, mit welchen Tricks die Grafik den Klimawandel widerlegen soll.
Hinter der Behauptung auf X steckt Steve Milloy, Vorstandsmitglied des Klimaleugner-Instituts Heartland und Lobbyist mit Verbindungen zur Tabak- und fossilen Brennstoffindustrie. In Trumps erster Amtszeit arbeitete Milloy im Übergangsteam der Umweltschutzbehörde und war bis 2009 Kolumnist für Fox News. Auf seinem Blog „Junk Science” (deutsch: „Müll Wissenschaft“) veröffentlicht er regelmäßig Texte, in denen er den Klimawandel leugnet.

Auf der Webseite der NOAA lassen sich Grafiken zur Durchschnittstemperatur in den USA (Bundesstaaten Hawaii und Alaska ausgenommen) für unterschiedliche Zeiträume erstellen – beginnend ab dem Jahr 1895 bis heute.
Wählt man den Zeitraum 2012 bis 2025 mit einer Zeitskala von 12 Monaten und den Monat Mai, erhält man dieselbe Grafik wie Milloy. Weil der Monat Mai ausgewählt ist, werden die Durchschnittstemperaturen für 12 Monate jeweils von Juni des vorherigen Jahres bis einschließlich Mai des aktuellen Jahres berechnet.

Trick eins: Rote Linie in der Grafik wurde nachträglich eingefügt
Die rote Linie, die laut Milloy zeigen soll, dass es seit 2012 keine Erderwärmung in den USA gibt, ist in der Original-Grafik von NOAA nicht zu sehen. Sie wurde nachträglich eingefügt. Der Trend der Temperaturentwicklung, den man sich bei der NOAA anzeigen lassen kann, sieht anders aus als bei Milloy.

In Milloys Beitrag verbindet die rote Linie die erste und letzte Temperaturangabe auf der Zeitreihe (auf der horizontalen X-Achse). Weil die Durchschnittstemperatur von Juni 2011 bis Mai 2012 höher lag als von Juni 2024 bis Mai 2025, entsteht fälschlicherweise der Eindruck, dass die Durchschnittstemperatur in den USA über die Jahre gesunken sei. Doch das entspricht keinem korrekten Trendverlauf. Denn dafür muss man wissen, wie sich die Durchschnittstemperatur im Schnitt entwickelt hat.
Berechnet wird dieser Trendverlauf mithilfe einer linearen Regression. Einzelne Ausreißer, zum Beispiel besonders warme Perioden wie in diesem Fall 2011/2012 und 2024/2025, werden so statistisch ohne Verzerrung eingeordnet.
Die Trendlinie, die NOAA auf ihrer Webseite angibt, ist korrekt, wie Nachrechnungen von CORRECTIV.Faktencheck belegen. Demnach gibt es – selbst bei Betrachtung der jeweiligen Jahre von Juni bis Mai – einen Aufwärtstrend: Pro Jahrzehnt ist die Durchschnittstemperatur in den USA im Schnitt um rund 0,53 Grad Fahrenheit beziehungsweise 0,3 Grad Celsius gestiegen.
Trick zwei: Die Grafik zeigt nicht die Durchschnittstemperatur eines Kalenderjahres
Experten betrachten, die Klimawissenschaftlerin Karin Gleason von der NOAA auf Nachfrage erklärt, üblicherweise das Kalenderjahr – also die Monate Januar bis Dezember. Warum hat Milloy also den Zeitraum Juni bis Mai gewählt?
Denken wir nochmal an die rote Linie, die im Diagramm sinkt: Von Juni 2011 bis Mai 2012 lag die Durchschnittstemperatur in den USA bei 12,93 Grad Celsius, von Juni 2024 bis Mai 2025 bei 12,71 Grad Celsius. Das würde mit dem Vergleich der Durchschnittstemperaturen der Kalenderjahre 2012 und 2024, also von Januar bis Dezember, anders aussehen: Die rote Linie würde leicht steigen, nicht sinken. Die Durchschnittstemperatur lag 2012 bei 12,93 Grad Celsius und 2024 bei 13,06 Grad Celsius. Bezogen auf die Kalenderjahre ist die Durchschnittstemperatur zwischen 2012 und 2024 in den USA um 0,36 Grad Celsius pro Jahrzehnt gestiegen.
2024 war nicht nur wärmer als 2012, es war in den USA das bisher wärmste Jahr seit Beginn der modernen Wetteraufzeichnungen. Das erkennt man wiederum, wenn man den Zeitraum der Grafik ändert.

Trick drei: Die Grafik zeigt einen vergleichsweise kurzen Zeitraum
Auch 2012 – das Anfangsjahr von Milloys Grafik – war ein sehr warmes Jahr in den USA. So scheint es, als sei es insgesamt in den Jahren danach „abgekühlt“. Das stimmt nicht: Anhand des langen Zeitraums zeigt sich, dass die durchschnittliche Jahrestemperatur das letzte Mal 1996 unterhalb der des 20. Jahrhunderts lag (schwarze Linie). Anders gesagt: Im Schnitt waren fast die gesamten letzten drei Jahrzehnte wärmer als das 20. Jahrhundert.

Anhand kurzer Zeiträume, wie Milloy sie wählt, lässt sich ohnehin kein Klimatrend bestimmen, weil das Klima auf natürliche Weise schwankt. Entscheidend bei der Frage, ob sich das Klima erwärmt oder abkühlt, sind daher langjährige Trends – laut der Weltorganisation für Meteorologie ein Langzeit-Durchschnitt von 30 Jahren.
Seit 1895 ist die Durchschnittstemperatur in den USA pro Jahrzehnt im Schnitt um 0,09 Grad Celsius gestiegen. Seit den späten 1970er Jahren hat sich der Temperaturanstieg verdreifacht.

Aus Milloys manipulativer Grafik geht all das nicht hervor. Auf unsere Nachfrage dazu reagierte er nicht. Es ist nicht das erste Mal, dass Milloy eine solche Grafik postet, wir berichteten über eine ähnliche Behauptung im Januar 2023. Auch der Blog TKP, der die Grafik aufgriff, reagierte inhaltlich nicht auf unsere Anfrage.
Redigatur: Kimberly Nicolaus, Sarah Thust
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Jährliche Durchschnittstemperatur in den USA seit 1895 mit Trend, NOAA: Link (archiviert, Englisch)
- Artikel: „It’s warmer than average. But what is average?“, WMO: Link (archiviert, Englisch)