Netzwerk mit Nebenwirkungen: Jens Spahn und der Milliardär
Tech-Milliardär Christian Angermayer hat zum Teil über Firmen knapp 300.000 Euro an die CDU gespendet. Er gilt als Trump-nah und soll gut mit Jens Spahn verdrahtet sein. Als Investor hat er offenbar indirekt von einem millionenschweren Covid-Arznei-Deal der Bundesregierung profitiert. Teil 1 einer Serie über die Netzwerke des CDU-Fraktionschefs Spahn.

Der Mann, der Hunderttausende an die CDU spendete, hat große und kontroverse Ideen. Zum Beispiel hält er Doping für ein legitimes Mittel. Deshalb investiert er in einen Wettkampf in Las Vegas, bei dem die Sportler dopen dürfen. Eine Olympiade auf Steroiden. Das Publikum wolle die schnellsten Läuferinnen und Läufer sehen, so argumentiert Milliardär Christian Angermayer in amerikanischen Medien, nicht den schnellsten natürlichen Menschen. Es zählt das Ergebnis, die Mittel spielen keine Rolle. Und das offenbar nicht nur im Sport, sondern auch in der Politik.
Viele Menschen in Deutschland haben den Namen Angermayer noch nie gehört. Dabei sucht er seit Längerem Einfluss auf die Bundespolitik und gilt als Freund von CDU-Fraktionschef Jens Spahn. Geld und persönliche Nähe kommen offenbar zusammen.
Spahn gab Anfang 2021 eine Großbestellung von fragwürdigen Covid-Medikamenten mit einem Volumen von insgesamt 400 Millionen Euro bei zwei Pharma-Konzernen bekannt – das zeigen Recherchen von CORRECTIV: An den Erfolgen einer der Firmen war eine Gesellschaft aus dem Portfolio von Angermayers Fonds beteiligt.
Teure Bestellung: Nur 1.560 von 190.000 Dosen wurden abgegeben
Auf Nachfrage von CORRECTIV will sich das Bundesgesundheitsministerium, aktuell unter Spahns Parteifreundin Nina Warken, nicht zu den Einzelheiten des Deals äußern. Wie viel von den 400 Millionen auf welche Gesellschaft entfiel, bleibt daher unklar. Insgesamt, das teilt ein Sprecher aber mit, seien damals 190.000 Dosen der Arzneimittel beschafft worden: „Einzelheiten zu den entsprechenden Kosten und deren Aufteilung können aufgrund der vertraglichen Vertraulichkeit nicht angegeben werden.“
Allerdings erwies sich das Medikament als teure Fehlinvestition: Von den 190.000 Dosen, schreibt das Bundesgesundheitsministerium, wurden bis Ende des Jahres 1.560 für die Behandlung von Patientinnen und Patienten ausgegeben.
Angermayers Anwalt teilt auf CORRECTIV-Anfrage hierzu mit, der Vertragspartner der Bundesregierung sei nicht Christian Angermayer gewesen und auch nicht die Firma Abcellera, an der dessen Fonds zwei Prozent hielt. Der Konzern Eli Lilly, der den Auftrag aus Spahns Haus erhielt, arbeitete allerdings bei Entwicklung und Vermarktung des Medikaments mit dem zeitweilig milliardenschweren Unternehmen Abcellera zusammen.
Spahn weist kritische Fragen nach seinen Kontakten zu Angermayer vor dem Verkauf als „Unterstellungen“ zurück, lässt aber den Großteil unbeantwortet.
Angermayer zählt zu den großen Spendern der CDU
Unabhängig von der Bestellung gehört Angermayer, auch dies belegt diese Recherche, zu den größeren Geldgebern der CDU. In wenigen Jahren hat Angermayer rund 100.000 Euro direkt an die Partei gespendet – und mindestens weitere 191.000 über Firmen, an denen er beteiligt ist oder zum Zeitpunkt der Spende war. Etwa über seine Firma Apeiron. Insgesamt also knapp 300.000 Euro – ohne etwaige noch nicht veröffentlichte Spenden aus 2024 und diesem Jahr.
Angermayers Anwalt teilt hierzu mit, er habe an „sämtliche Parteien der demokratischen Mitte“ in etwa gleicher Höhe gespendet, also nicht nur an die CDU. Die Frage nach den konkreten Summen ließ er offen. Tatsächlich hat Angermayer nach CORRECTIV-Recherchen zwar in Einzelfällen fünfstellige Beträge an SPD und FDP gespendet. In die Hunderttausende geht es in der Summe aber nur bei der CDU, zumindest, soweit es öffentlich nachprüfbar ist.
Spahn gilt in Deutschland als wichtiger politischer Kontakt Angermayers. Auch Spahn nutzt Kontakte, und der einflussreiche Multi-Investor Angermayer zählt zu den problematischen: Welches politische Kalkül steht dahinter? Wer genau gehört zu Spahns Zirkel aus Einfluss und Macht – und wer unterstützt ihn? Mit diesem Artikel beginnt CORRECTIV eine Reihe, in der wir das Spahn-Netzwerk nachzeichnen.
Psychedelische Drogen, Kryptowährungen, Hirnimplantate
Angermayer ist in den USA so nah dran an Donald Trump und seinem Clan wie kein anderer deutscher Investor oder Politiker, hat das Manager-Magazin recherchiert. Das Magazin Forbes zitierte einen Milliardärsfreund des Investors mit den Worten, Angermayers „wahre Superkraft“ sei das Netzwerken: „Seine Fähigkeit, Menschen mit Kapital und Möglichkeiten zu verbinden, ist außergewöhnlich.“ Und auch in die Top-Ebenen der Bundespolitik hat er gute Kontakte.
Der Milliardär hat auf die CORRECTIV-Anfrage hin zwei Anwaltskanzleien eingeschaltet, eine in den USA, eine in Deutschland. Der deutsche Anwalt Ralf Höcker teilt pauschal mit, sein Mandant weise die „ins Blaue hinein angestellten Spekulationen und Vorwürfe“ zurück – Fragen zu den Beziehungen zu Spahn lässt er offen.
Auf den ersten Blick scheinen die beiden Männer wenig gemeinsam zu haben: Auf der einen Seite steht Angermayer, der schillernde Superreiche, der in psychedelische Drogen, Kryptowährungen und Gehirnimplantate investiert. Auf der anderen Seite der konservative katholische Politiker aus Ahaus im Münsterland. Aber beide teilen einen unbedingten Willen zur Macht. Angermayer will die Welt verändern, mit künstlicher Intelligenz, spektakulären Innovationen und technisch getunten Supermenschen, die völlig neue Leistungen erreichen, am besten dank Firmen wie seiner.
Eli Lilly und Abcellera – eine lukrative Partnerschaft in Pandemie-Zeiten
In den vergangenen Wochen haben vor allem die möglicherweise milliardenschweren Folgen von Spahns fragwürdigen Maskendeals für Aufregung gesorgt. Was bisher in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist: Es kommen hohe Kosten für mindestens einen weiteren umstrittenen Deal hinzu, von dem auch Angermayer zumindest indirekt profitierte – und der den Steuerzahler wohl viel Geld kostete.
Als Gesundheitsminister vergab Spahn den millionenschweren Auftrag an den Pharmakonzern Eli Lilly, mit dem die Firma Abcellera laut offizieller Konzern-Pressemitteilungen bei der Entwicklung und Vermarktung des Corona-Medikaments zusammenarbeitete. Abcellera profitierte von den Netto-Verkaufserlösen des von ihm entwickelten Medikaments und durch Tantiemen, Beteiligungen und Prämien für bestimmte Erfolge.
Bei dem Deal kaufte die Bundesregierung für 400 Millionen Euro bei den Biotech-Konzernen Eli Lilly und Regeneron ein. Es ging um das Covid-Arzneimittel Bamlanivimab und einen Wirkstoff von Regeneron. Angermayer rühmte sich schon im Mai 2020 damit, in eines der ersten Antikörper-Medikamente gegen Covid zu investieren. Auch wenn er nach dem Deal nur noch einen kleineren Anteil der Aktien hielt – Abcellera wurde anschließend als einer seiner großen Erfolge gefeiert. Ein wichtiges Pfund im Investorengeschäft.
Angermayers Anwalt spricht von einem „minimalen Anteil“ seines Mandanten
Angermayers Anwalt teilt mit, sein Mandant habe mit Eli Lilly „überhaupt nichts zu tun“. Mit Abcellera schon, aber dort sei Angermayer „nicht ins operative Geschäft“ einbezogen gewesen. Angermaysers Fonds sei an dieser Gesellschaft auch nur mit circa zwei Prozent beteiligt gewesen – einem „minimalen Anteil“ also. Der bei einer Gesellschaft, deren Wert in der Zeit in Milliardenhöhe schoss, allerdings einem mehrstelligen Millionenbetrag entspräche. Zwei Tage nach der Ankündigung der Bestellung des Bundesgesundheitsministeriums erreichte die Abcellera ihr Fünf-Jahres-Hoch und einen märchenhaften Wert von 16 Milliarden.
Laut Manager-Magazin soll Angermayer die „Rallye“ um den Kursanstieg der Aktie rund 100 Millionen Dollar eingebracht haben. Angermayer habe einen Großteil der Aktien kurz nach Börsenstart wieder verkauft, schreibt das Magazin, wie viele genau, bleibt unklar. Bis heute ist der Milliardär Partner und Investor eines Fonds, der in Abcellera investiert ist.
Angermayer nutzte das Thema Biotech, um sich als visionärer Erfolgs-Investor in Szene zu setzen – mit prominenter politischer Unterstützung: In den USA nahm der damals amtierende US-Präsident Donald Trump das Medikament, und in Berlin orderte Gesundheitsminister Spahn das Mittel. Sie könnten helfen, einen schweren Verlauf von Covid für Risikopatienten zu verhindern, schwärmte Spahn in der Bild am Sonntag, trotz massiver Kritik von Fachleuten angesichts der „einsamen Entscheidung“.
Risiken des Medikaments wiegen offenbar schwerer als ihr Nutzen
Drei Monate später widerrief die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA die Notfallzulassung. Die Risiken des teuren Arzneimittels seien höher als ihr Nutzen – es müsse in Kombination mit einem anderen Präparat verabreicht werden. Ein Mittel, das die Bundesregierung erst Monate später bestellen konnte. Und wie die Bundesregierung auf Anfrage von CORRECTIV mitteilt, wurden weniger als ein Prozent der Dosen überhaupt an Erkrankte abgegeben.
Fragen nach dem Profit, den Angermayer aus der Berliner Bestellung gezogen hat, ließ der Anwalt des Investors unbeantwortet.
Bundesgesundheitsministerium beruft sich auf geheime Verträge
Das Bundesgesundheitsministerium unter Spahns Parteifreundin Nina Warken beantwortete viele Fragen von CORRECTIV zu der Covid-Arznei Bamlanivimab nur unvollständig – trotz zwei Mal verlängerter Fristen. Das Ressort beruft sich auf geheime Verträge. Somit bleibt verborgen, wie viel von dem 400 Millionen Dollar-Deal an Eli Lilly ging und damit über Umwege dem Milliardär Angermayer zugute kam. Spahn hatte als Gesundheitsminister im Januar 2021 die Antikörper-Arznei von dem amerikanischen Konzern Eli Lilly bestellt – ein in der Branche durchaus umstrittener Vorstoß. „Was hat Spahn bewogen, diese einsame Entscheidung zu treffen?“, fragt die Pharmazeutische Zeitung. Konkurrenten wie die Braunschweiger Startups Yumab und Corat Therapeutics kritisierten, dass Spahn deutsche Hersteller von Antikörpern nicht ausreichend unterstütze. Ein weiterer Punkt bleibt ebenfalls unklar: Wie viel zahlte Spahns Ministerium für eine Dosis von Eli Lilly? Und wie genau kam die Bestellung zustande?
Spahn lässt Kritik an dem Deal zurückweisen. Ein Sprecher der CDU/CSU-Fraktion teilt CORRECTIV mit, die Entscheidung für das Medikament sei „nach Erinnerung von Herrn Spahn“ damals „in enger fachlicher Abstimmung“ zwischen Bundesgesundheitsministerium und dem Paul-Ehrlich-Institut, dem Bundesinstitut für Impfstoffe und Arzneimittel getroffen worden. Die Verhandlungen über den Vertrag mit Eli Lilly habe die Fachabteilung geführt.
Manche argumentieren heute, in der Corona-Zeit hätten die Politiker eben schnelle Entscheidungen treffen müssen. Auch das Bundesgesundheitsministerium beruft sich auf die Pandemie-Lage: Die Medikamente „gaben zum Zeitpunkt der Beschaffung Anlass zu der Annahme, dass einzelne COVID-19-infizierte Patientinnen und Patienten mit dem Risiko eines schweren Verlaufs von einer Behandlung mit diesen Arzneimitteln profitieren könnten”. Zu der Zeit, schreibt das Ministerium weiter, „standen in Deutschland noch keine zugelassenen Arzneimittel zur spezifischen Behandlung von COVID-19 zur Verfügung.“
Allerdings kritisierten Fachleute den Schnellschuss schon damals: Es gab, schrieb die Pharmazeutische Zeitung, die von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbänden herausgegeben wird, zu den Medikamenten weder eine klinische Datenbasis noch behördliche Empfehlungen dafür oder dagegen, es gab keine Zulassungen, nicht einmal Anträge: „Erstaunlich ist auch, dass die Nachricht von Spahns Großeinkauf bei Politikern fast aller Fraktionen positiv aufgenommen wurde“, wunderte sich das Fachblatt. „Womöglich herrschte bei ihnen der Eindruck vor, es handele sich um regulär zugelassene wirksame und unbedenkliche Arzneistoffe. Dies ist jedoch nicht der Fall.“
Spahn geriet schon häufiger in Erklärungsnot
Aktuell steht CDU-Fraktionschef Spahn wegen des Debakels um die gescheiterte Wahl der Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf zur Richterin am Bundesverfassungsgericht unter Druck. Schon häufiger geriet Spahn ins Zwielicht: Mal ging es um Privatgeschäfte mit politischer Relevanz, mal um exklusive Spendendinner knapp unter der Meldegrenze und einen Immobilienkauf, dessen Finanzierung Fragen aufwarf. Auch sein politisches Handeln birgt immer wieder Skandal-Potenzial – zuletzt, weil sich die von ihm als Bundesgesundheitsminister verantworteten Maskeneinkäufe als milliardenschweres Fiasko herausstellten.
Spahn äußerte schon früh öffentlich Verständnis für US-Präsident Donald Trump und dessen Regierung, er fällt mit politischen Rechtsaußen-Positionen auf, er sucht die Nähe zu rechten, autoritären Kreisen und Milliardären mit politischer Agenda.
Christian Angermayer, der Multi-Investor
Christian Angermayer ist in Deutschland geboren und gehört inzwischen zu den reichsten Männern der Welt. Seine Fonds sind in mehr als hundert Firmen investiert und er bezeichnet sich als „serial entrepreneur“. Des Weiteren ist er an börsennotierten Unternehmen für Psychedelika-Forschung (Atai Life Sciences, Compass Pathways), Krypto-Firmen, FinTechs und Technologie-Start-ups beteiligt. Sehr häufig investiert er gemeinsam mit US-Milliardär und PayPal-Gründer Peter Thiel – beide sind große Anhänger von Donald Trump. Mit ihm und einem Sohn von Trump finanziert er auch die „enhanced games“, eine Olympiade auf Steroiden. Angermayer teilt viele Ansichten Trumps: Er glaubt, Migration sei Selbstmord für Europa.
Einige CDU-Parteifreunde fragen sich, wie weit Jens Spahn noch gehen würde. „Es gibt Leute, die sagen: Jens Spahn hat nur ein Programm, und das heißt Ich.“ Das sagt ein Parteigenosse, der ihn persönlich kennt. „Er sieht sich als Kanzler im Wartestand, und ich habe Angst, dass er als einer der Ersten der AfD die Hand geben würde.“ Ein ehemals hochrangiger CDU-Politiker schätzt ihn ähnlich ein: „Er ist ein Political Animal und er kann gut reden. Das Talent ist da. Und er setzt es ein, um voranzukommen – ohne Rücksicht auf Verluste.“ Es zählt das Ergebnis, die Mittel spielen keine Rolle.
Damit sind wir wieder bei Angermayer. „Ich sehe die Welt als Geschäftsmodell“, sagt der Milliardär gegenüber Forbes. In den USA zahlt sich seine Unterstützung für Trump aus: Der US-Präsident kommt den Tech-Milliardären mit seiner Politik entgegen – mit niedrigen Steuern und viel Freiraum für ihre Investments in Artificial Intelligence, digitale Innovationen oder Weltraumtechnologien. „Trump macht alles richtig“, sagte Angermayer kürzlich in einem Podcast der Welt. Die klügsten Köpfe zögen jetzt nach Amerika, wo viel Geld zu verdienen sei.
Auch in Deutschland mischt er in der Politik mit. Und hier sucht er offenbar insbesondere die Nähe zu Jens Spahn. Die beiden feierten gemeinsam rauschende Feste, zum Beispiel auf Galas in St. Tropez, umgeben von leicht bekleideten Models, Popstars wie Queen Latifah und Robbie Williams. Es handelte sich um eine Spendengala von Angermayers Aurora-Institut. Wie das Investigativportal Follow The Money kürzlich berichtete, gab es aber Unregelmäßigkeiten; der Verbleib von Spenden in Millionenhöhe sei unklar. Das wirft auch Fragen an Spahn auf – er unterstützte die Gala mit seiner Präsenz.
Gegen höhere Steuern für Besserverdienende
Politisch teilen Angermayer und er viele Positionen. „Ich bin für Law und Order“, sagt Angermayer in dem Podcast der Welt. Europa begehe „Selbstmord durch Zuwanderung“. Die CDU verändere dies nun – und deshalb werde sie erfolgreich sein. Die jetzige Regierung sei „deutlich besser“ als die vorherige.
Tatsächlich treten Bundeskanzler Friedrich Merz und Jens Spahn gegen höhere Steuern für Besserverdienende ein, sie senken die Steuern für Unternehmen drastisch, erleichtern Investitionen und schlagen harte Töne gegen Flüchtlinge an – und damit dürften sie Angermayer entgegenkommen. Atomenergie ausbauen, weniger Regeln für Firmen, niedrige Steuern, Zuwanderung stoppen – die Wünsche der Tech-Milliardäre decken sich mit Spahns Überzeugungen und Versprechen der CDU im Wahlkampf.
Angermayers Geschäfte funktionieren besser, wenn die Politik mitzieht – und etwa bei seinen Geschäftspartnern Covid-Arznei bestellt. Seine Investitionen in Uran lohnen sich nur, wenn Regierungen Atomkraftwerke planen, für seine psychedelischen Medikamente braucht er Zulassungen, seine Angst vor Zuwanderung kann eine restriktive Politik dämpfen. All diese Hoffnungen auf konservative politische Kurswechsel hat Donald Trump bereits erfüllt.
17 Telefonate, Videocalls und E-Mails mit Peter Altmaier
In Berlin sucht Angermayer schon seit Jahren die Nähe zu führenden CDU-Politikern. Der Stern berichtete vor zwei Jahren über das Netzwerk des Investors, das bis zu Bundesministern reichte. Allein mit CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier tauschte er sich in 17 Telefonaten, Videogesprächen und E-Mails aus. Aktuell zählt Spahn zu den mächtigsten Politikern der Union und steht an zentraler Stelle im Netzwerk des Multi-Investors.
Wie die Welt im vergangenen Jahr berichtete, stand zu Spahns Zeit als Gesundheitsminister ab 2018 Angermayers Geburtstag jährlich in seinem Kalender eingetragen. Damals warb der Investor demnach offenbar um Hilfe für seine Unternehmen bei Spahn. Die Frage nach seinem Verhältnis zu dem Milliardär ließ Spahn unbeantwortet.
Die Frage ist: Welche Auswirkungen hat diese Nähe zu Angermayer auf Spahns Politik? Öffentlich äußert sich aktuell kaum jemand in der CDU Kritik. Hinter den Kulissen aber macht sich so mancher seine Gedanken: „Spahn bewegt sich in Grauzonen“, sagt eine CDU-Bundestagsabgeordnete. Ein mächtiger Christdemokrat fürchtet, Spahn könne mit seinen Kontakten zu reichen Libertären und Rechtspopulisten die CDU auf Abwege führen. Er gewöhne Deutschland an Populismus wie bei Nius – sie schütteten „kübelweise Hass“ aus.
Das Netzwerk hinter dem Krawallsender Nius
Wie wirkungsvoll die Verbindungen von Medienkampagnen und Politik sein können, zeigte sich, als die CDU-Fraktion unter Jens Spahn die Nominierung einer SPD-gestützten Richterin torpedierte – was ganz im Sinne des global agierenden rechtsautoritären Netzwerks sein dürfte. Unterstützt wurde die politische Intervention vom Krawallsender Nius. Der sieht sich gerne als das deutsche Pendant zu Fox News und führte die Kampagne gegen die Juraprofessorin an. Innerhalb weniger Tage publizierte das Portal mehr als 20 Schmähartikel, die die Kandidatin als linksextrem diffamierten. Richter verunglimpfen, Kampagnen orchestrieren – das erinnert an die Methoden der Trump-Bewegung.
Nius ist über Sebastian Kurz, den früheren österreichischen Kanzler und Ex-ÖVP-Politiker, mit Angermayer und Spahn verbunden: Angermayer bezeichnet ihn als Freund. Sowohl Spahn als auch Kurz traten schon bei Nius auf – einem Sender, den die CDU früher mied. Spahn soll sich sogar intern mit Kurz verglichen haben, sagt ein ehemaliges CDU-Führungsmitglied; Spahn lässt Fragen von CORRECTIV hierzu offen. Der Österreicher ist CORRECTIV-Recherchen zufolge seit wenigen Wochen über eine Vertraute an Nius beteiligt: Die Direktorin der VIUS KGaA, Vera Regensburger, ist langjährige Geschäftsführerin von Kurz’ Firma AS2K. Vius wiederum gibt Nius heraus.
Gemeinsames Feiern in einem Wiener Palast
Auch Kurz und Spahn pflegen seit langem ihre politische Freundschaft: Der CDUler lobt Kurz als „frisch und jung“, als einen „Mann mit Haltung und klarem Profil“. Multimillionär Kurz steht wiederum dem Tech-Milliardär Angermayer nahe. Schon für seinen ersten Wahlkampf 2016 tauchten er und der PayPal-Milliardär Peter Thiel als potenzielle Spender und Duz-Freunde auf – das zeigen Dokumente in aktuellen Korruptions-Ermittlungen gegen Kurz.
Kurz, Spahn und Angermayer feierten zusammen Angermayers 40. Geburtstag – laut einem Bericht der Welt in einem Wiener Palast. Thiel – ein enger Freund und Geschäftspartner von Angermayer, etwa bei der Doping-Olympiade – macht Geschäfte mit Kurz. Angermayer bezeichnete ihn auf X als „außergewöhnlichen Politiker und Unternehmer“ und Freund.
Das Netzwerk aus US-Milliardären und Trump-Freunden wirkt zunächst wie ein undurchsichtiges Wimmelbild. Doch beim genaueren Hinsehen zeigt sich: Jens Spahn und sein fast ausschließlich männliches Umfeld schieben die deutsche Gesellschaft nach rechts. „Ich glaube, da entsteht ein neues Kraftzentrum“, sagt ein ehemaliger Spitzenpolitiker der CDU. „Hier formt sich die Post-Merz-Ära.“
Bestens im rechts-libertären Lager in den USA vernetzt
Manche am rechten Rand der Union träumen davon, die große Reichweite von Nius für sich zu nutzen. „In den konservativen Netzwerken der Union gibt es schon länger die Idee, über Social Media bis ins AfD-Lager zu dringen”, sagt ein früherer führender CDU-Politiker, „und im kleinen Kreis fragen sich einige, wie man das Publikum von Nius erreichen kann.”
Kaum jemand ist in der CDU so eng mit dem rechts-libertären US-Lager vernetzt wie der Christdemokrat Spahn. Das trifft auch auf Spahns Freund Kurz zu. Auch führte er in Österreich eine Koalition aus Konservativen und der rechtspopulistischen FPÖ an.
Unlautere Praktiken – sie prägen Trumps Wahlerfolg und Medien wie Nius. Das österreichische Pendant dazu ist die Tageszeitung Exxpress. Auch hier ist Spahns Freund Sebastian Kurz nah dran. Gemeinsam mit Nius befeuerte der Exxpress aus Wien die Kampagne gegen die Juristin Brosius-Gersdorf: CDU/CSU hätten den „totalen Sieg der linken Ideologie“ verhindert, kommentierte Nius-Chefredakteur Julian Reichelt in beiden Schmähseiten zeitgleich.
Angermayers Verbindungen nach Österreich
Neuerdings bezeichnen sich Nius und Exxpress als Partner-Portal. Und mit diesem Personenkreis ist Angermayer eng bekannt: Er teilt sich, so berichtet das Manager Magazin, eine 52-Meter-Yacht mit Kurz’ Geschäftspartner Alexander Schütz – und Miteigentümer vom Exxpress.
Spahn scheint sich nicht an dem scharf rechten, rabiaten Ton von Nius zu stören. Und er setzt auf die Nähe von Trump-nahen, ultrarechten Politikern in den USA: Zu Spahns amerikanischem Netzwerk zählen Hardliner wie der ehemalige Botschafter in Berlin, Richard Grenell – ebenso ein Freund von dem umstrittenen Milliardär Angermayer. Im Gespräch mit Forbes sagt Angermayer, Networking sei wie Geld – es zahle sich langfristig aus: „Es geht um die Macht der Verzinsung.“
In der Passage über Kurz kurz hieß es ursprünglich, dieser habe in Österreich eine erste Koalition aus Konservativen und der rechtspopulistischen FPÖ angeführt. Es war allerdings nicht die erste, bereits unter Bundeskanzler Wolfgang Schlüssel gab es Anfang der 2000er eine Koalition aus ÖVP und FPÖ. Wir haben den Fehler korrigiert.
Recherche und Text: Annika Joeres, Gabriela Keller, Markus Kater
Redigatur: Anette Dowideit, Justus von Daniels
Grafik: Mohamed Anwar
Faktencheck: Elena Kolb, Gesa Steeger
Kommunikation: Anna-Maria Wagner