
Diese für Audio optimierte Kompaktfassung des täglichen Spotlight-Newsletters ist von einer KI-Stimme eingelesen und von Redakteuren erstellt und geprüft.
Liebe Leserinnen und Leser,
sie bringen unser Essen und unsere Kleidung, sie fahren uns von A nach B: die Fahrer, die für Lieferdienste wie Lieferando, für Fahrdienste wie Uber oder für den Großhändler Amazon arbeiten. Sie sind die kleinen Rädchen in unserem Wirtschaftssystem, die für uns Kunden das Leben angenehm machen. Man nennt sie Klick-Arbeiter – weil sie in vielen Fällen nur dann Geld verdienen, wenn ein Kunde in einer App auf „Jetzt bestellen“ klickt.
In Hamburg ist vor einigen Tagen ein Arbeitskampf bei Lieferando ausgebrochen – weil sich die Arbeitsbedingungen für die Fahrerinnen und Fahrer noch einmal deutlich verschlechtern sollen. Auch in Berlin deutet sich jetzt Ähnliches an. Im Thema des Tages nehmen wir deshalb unter die Lupe: Kümmert sich in der Politik eigentlich jemand um die vergessene Kaste der Lieferfahrer?
Ein anderes Thema, das der SPOTLIGHT heute in den Fokus nimmt, sind die fast unwirklichen Entwicklungen in den USA: Präsident Donald Trump hat 800 Soldaten der Nationalgarde in die Hauptstadt Washington D.C. beordert. Sie sollen dort für Ordnung sorgen, weil angeblich sonst die ausufernde Kriminalität nicht mehr in den Griff zu bekommen sei. Jetzt sprechen viele schon von einem faschistisch-autoritären Vorgehen Trumps.
Was bewegt Sie? Schreiben Sie mir: anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: Die vergessene Kaste: Lieferfahrer
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
CORRECTIV-Werkbank: Wird die USA gerade zum faschistischen Staat?
Grafik des Tages: Willkommensklassen helfen offenbar nicht beim Spracherwerb
Schätzungsweise 2 bis 2,7 Millionen Menschen in Deutschland arbeiten in der sogenannten „Gig Economy“ – also in Jobs, in denen sie abhängig davon bezahlt werden, wie viele Menschen ihre Dienstleistung per App bestellen.
Eine der großen Firmen im Land, für die Klickworker arbeiten, ist Lieferando. Dessen Fahrer holen Essen bei Restaurants ab und liefern es den Kundinnen und Kunden meist per Fahrrad nach Hause. In Hamburg streiken nun die Fahrer, weil das Unternehmen kürzlich angekündigt hatte: 2.000 Fahrer (500 davon in Hamburg) sollen nun nicht mehr direkt bei Lieferando angedockt sein, sondern bei Subunternehmern. Das würde ihre Arbeitsbedingungen noch einmal deutlich verschlechtern.

Was das Problem mit dieser Branche ist:
Vor etwa fünf Jahren habe ich als Reporterin mal zwei Tage lang testweise selbst in einem solchen Job gearbeitet – und zwar als Fahrradkurierin für zwei Essens-Lieferdienste, die es heute nicht mehr gibt.
Was ich damals am eigenen Leib spürte: Sobald es „Ping“ auf dem Handy machte und ich zu einem Job losgeschickt wurde, trat ich in die Pedale, als gäbe es kein Morgen mehr. Und ich missachtete auch so manche Verkehrsregel – weil klar war, dass ich nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn käme, wenn ich mich nicht gehörig beeile.
Was dahinter steht:
Ich habe damals ein Buch darüber geschrieben, warum es mit den Bedingungen am deutschen Arbeitsmarkt immer weiter bergab geht. Die neue Kaste der Klickworker spielt dabei eine wichtige Rolle: Es gibt bisher kaum Gesetze oder andere Lösungen aus der Politik, wie man diese Leute schützen kann – vor allem vor Altersarmut.
Die meisten Klickworker zahlen nämlich nicht (oder kaum) ins gesetzliche Rentensystem ein. Und privat können sie auch kaum fürs Alter vorsorgen. Das wiederum bedeutet: Viele von ihnen rutschen in Altersarmut – und dann muss unser soziales Sicherungssystem sie im Alter versorgen.
Mit anderen Worten: Wir leisten uns heute billige Lieferungen von Essen oder Klamotten – und nehmen dafür in Kauf, dass wir in Zukunft mit unseren Sozialversicherungsbeiträgen die Zeche dafür zahlen müssen.
Was tut der Staat dagegen?
Die EU hat 2024 eine Richtlinie erlassen (hier im Original nachzulesen), um die Arbeitsbedingungen der Klickworker in den Mitgliedstaaten zu verbessern. Darin heißt es unter anderem, Scheinselbstständigkeit solle bekämpft werden und Mindeststandards für Beschäftigte sollten gesichert werden.
Das klingt gut. Bloß: In Deutschland ist die Richtlinie noch nicht in nationales Recht umgesetzt worden – und das wird auch noch eine Weile dauern. Unsere Reporterin Samira Joy Frauwallner hat beim zuständigen Bundesarbeitsministerium (BMAS) nachgefragt: Wann kommt das Gesetz zum Schutz der Klickworker? Und woran hakt es?
Die Antwort:
„Das BMAS hat die Arbeiten am Umsetzungsgesetz aufgenommen. (…) Ein Datum für die Veröffentlichung des Referentenentwurfs steht noch nicht fest.“
Sprecherin
Bundesarbeitsministerium
Das heißt: Die Mühlen des Gesetzgebers mahlen hier langsam. Dabei hat auch das Bundesarbeitsministerium festgestellt, dass die Lage drängt:
Man beobachte dort schon seit Jahren, dass Plattformunternehmen zunehmend auf Vermittler und Subunternehmen setzen. So wie jetzt Lieferando. In diesen Konstruktionen können gesetzliche Vorgaben und Arbeitsschutzregelungen leichter umgangen werden.
Was können wir als Kundinnen und Kunden tun?
Solange es keine wirksame Gesetzgebung zum Schutz der Klickworker gibt, kann man vor allem eines tun: großzügiges Trinkgeld geben.
Abgesehen davon sind aber auch die Betreiber der Plattformen gefragt. Sie könnten zum Beispiel dafür sorgen, dass ein paar Cent von jeder Bestellung automatisch in ein Altersvorsorgekonto des jeweiligen Fahrers fließt. Auf diese Weise könnten sie zumindest ein wenig dagegen tun, dass die Fahrer später in Altersarmut rutschen.
Washington, D.C.: Trump fordert Nationalgarde an
Der US-Präsident Donald Trump fordert 800 Nationalgardisten zu einem Einsatz in Washington, D.C. an. Die US-Regierung unter Trump wolle so einen angeblichen Sicherheitsnotstand in der Hauptstadt in den Griff bekommen. Dabei ist die Gewaltkriminalität laut Washingtons Bürgermeisterin so niedrig wie schon lange nicht mehr.
zeit.de
Hoffnung nach Online-Konferenz mit Selenskyj, Trump und europäischen Spitzenpolitikern
Kurz vor dem Treffen von US-Präsident Trump und dem russischen Machthaber Putin hatte der deutsche Kanzler eine Online-Konferenz anberaumt. Danach sprach er von konstruktiven Gesprächen. Der US-Präsident teile die europäischen Positionen „weitgehend“.
zeit.de
Regional: Drei Bundesländer klagen gegen Klinikvorgaben
Krankenhäuser müssen seit 2024 Mindestfallzahlen von Patienten vorweisen, um bestimmte Behandlungen anbieten zu können – etwa die Versorgung von Frühchen. Dagegen klagen nun drei Bundesländer beim Bundesverfassungsgericht.
tagesschau.de / ka-news.de
Recherche: Wie retten wir unsere Städte vor dem Hitzekollaps?
Eine Recherche des SWR ergibt, dass deutsche Städte zu wenig Grünflächen besitzen und oftmals zubetoniert sind. Gerade für die Abkühlung der Städte im Sommer sind diese Umstände verheerend. Laut SWR fehle es an Kontrollen, ob bestehende Regeln eingehalten werden, und am politischen Willen.
swr.de

Im Sommerinterview mit Bärbel Bas ging es zumeist um ihre Pläne für die Rente und das Bürgergeld. Dabei unterlief der Ministerin zumindest eine Ungenauigkeit beim Thema Sanktionen. Auch eine Behauptung zu der Anzahl Geiseln, die die Hamas noch gefangen hält, ist nicht korrekt.
correctiv.org
Endlich verständlich
Belohnungen für den Verzicht auf das Smartphone? Eine Studie aus Texas zeigt, dass es Studierenden leichter fällt, auf das Nutzen ihres Handys zu verzichten, wenn es dafür eine Art Belohnung gibt – beispielsweise mit Gutscheinen. Die Nutzer können in einer App ihre Handynutzung selbst festlegen und ihr Handy sperren. Je länger sie ohne Smartphone auskommen, desto größer ist die Belohnung. Die Studie legt nahe: Anreize könnten effektiver sein als Verbote.
wdr.de
So geht’s auch
Online heiraten, E-Ausweise und offiziell gültige digitale Unterschriften: Wer in deutschen Bürgeramts-Wartezimmern sitzt, für den klingt das vielleicht wie eine utopische Sci-Fi-Show. Aber Estland macht vor, wie eine digitale Verwaltung in der Realität aussehen kann. Was die Esten alles ganz ohne persönlichen Behördengang erledigen können, erklärt unsere Jugendredaktion Salon5 in ihrem neuen Instagram-Post.
Instagram
Fundstück
Das neue KI-Tool „Lizzy“ soll Femiziden vorbeugen und Betroffenen helfen, Risikosituationen besser und schneller zu erkennen. Die lernende Software erstellt einen detaillierten Fragenkatalog, um herauszufiltern, wie hoch das Risiko einer Gewaltsituation ist.
watson.de
In der vergangenen Woche habe ich Sie an dieser Stelle gefragt, was Sie bezüglich der USA gerade umtreibt. Ich bin derzeit in New York City und arbeite als Gast-Reporter bei ProPublica (im Grunde die US-amerikanische Version von CORRECTIV). Widmen wir uns der womöglich größten Frage zuerst. Ein SPOTLIGHT-Leser fragte: „Wird die USA gerade zum faschistischen Staat?“ Ich wünschte, es wäre anders, aber: Es sieht ganz danach aus.
Die Bewegung hinter Präsident Donald Trump agiert stark nationalistisch, verachtet Menschenrechte, sieht Immigration – und damit hauptsächlich Menschen, die nicht weiß sind – als Bedrohung für die nationale Sicherheit. Trump schafft derzeit ein brutales System der Angst für eben diese Menschen. Abschiebe-Agenten der Einwanderungsbehörde ICE agieren unberechenbar: Sie kommen unangekündigt und maskiert, weisen sich nicht aus, zerren Personen in ihre Fahrzeuge. Das passiert täglich, systematisch und betrifft teils sogar Minderjährige. Die Abschiebegefängnisse, „detention center“ genannt, wecken unschöne Assoziationen; einige nennen sie hier hinter vorgehaltener Hand dementsprechend auch Konzentrationslager.
Weiterhin droht die Regierung, Universitäten wie der Harvard-Universität Fördergelder zu entziehen, wenn sie nicht spuren; und gewisse Lehrinhalte zu verbieten. Jetzt sollen auch die renommierten Smithsonian-Museen überprüft werden: Sie sollen keine „spaltenden oder parteiischen“ Narrative verbreiten.
Trump setzt nebenher alles daran, Macht bei sich zu zentrieren. Erst kürzlich aktivierte er die Nationalgarde für einen Einsatz in der Hauptstadt Washington D.C. und stellte die städtische Polizei unter seine Kontrolle, um gegen „Kriminalität und Obdachlose“ vorzugehen. Ein Feigenblatt, denn die Kriminalität in der Stadt ist auf einem historischen Tiefststand.
Es sieht nicht gut aus für das Land.

Sprache ist ein Kernelement für gelingende Integration. Eine neue Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zeigt: Anders als erwartet helfen Willkommensklassen nicht dabei. Junge Geflüchtete verbessern ihre Sprachkenntnisse stattdessen am ehesten, wenn sie möglichst schnell in reguläre Schulklassen kommen. Negativ auf den Spracherwerb wirkt sich außerdem ein unsicherer Aufenthaltsstatus der Familie aus. Bis die jungen Geflüchteten eine Schule überhaupt besuchen dürfen, müssen sie zudem häufig warten, bis der finale Aufenthaltsort geklärt ist – auch das führt zu Verzögerungen beim Spracherwerb, die noch viele Jahre später spürbar sind.
uni-halle.de / mdr.de
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Samira Joy Frauwallner, Sebastian Haupt und Jule Scharun.
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