Politik

ZDF-Sommerinterview: Aussagen von Tino Chrupalla im Faktencheck

Im ZDF-Sommerinterview 2025 mit dem AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla fielen nur wenige prüfbare Behauptungen. An einigen Stellen äußerte er sich aber irreführend über die eigene Partei.

von Steffen Kutzner , Gabriele Scherndl

tino-chrupalla-Christoph Soeder : DPA : Picture Alliance
Der AfD-Co-Vorsitzende, hier auf einem Bild aus dem Februar, Tino Chrupalla war am 10. August 2025 im ZDF-Sommerinterview zu Gast (Quelle: Christoph Soeder / DPA / Picture Alliance)

Am 10. August 2025 war AfD-Co-Vorsitzender Tino Chrupalla zu Gast im ZDF-Sommerinterview – es ging unter anderem über Waffenlieferungen, Bürgergeld und Rechtsextremismus. Moderator Wulf Schmiese versuchte, den Politiker über weite Strecken zu einer außenpolitischen Positionierung zu bewegen. Entsprechend rar blieben klare Tatsachenbehauptungen, die sich für einen Faktencheck eignen.

Doch einige Aussagen von Chrupalla lassen sich prüfen. CORRECTIV.Faktencheck ordnet – wie auch schon bei vergangenen Sommerinterviews – ein, wo Kontext fehlte oder welche Angaben irreführend waren.

Wie konsequent ist die AfD mit Rechtsextremen in den eigenen Reihen?

„Ich kann nicht davon ausgehen […], dass jemand rechtsextrem ist. Wenn es diese Personen gibt, und da hat unsere Partei sich immer dagegen gewehrt, wird es auch […] Maßnahmen […] geben, die Landes- und Bundesschiedsgerichte [werden dem] nachgehen und diese Personen werden wir auch ausschließen. Wenn es Grenzüberschreitungen gibt […] gegen die freiheitlich demokratischen Grundregelungen und das Grundgesetz […], ist [das] die rote Linie.“

Etwa ab Minute 16:30 sagt Chrupalla einerseits, er gehe nicht davon aus, dass es Rechtsextreme in der AfD gebe. Andererseits sagt er: Sollte es diese geben, würden diese von den Landes- und Bundesschiedsgerichten ausgeschlossen.

Im Verfassungsschutzbericht wird das rechtsextreme Personenpotenzial in der AfD seit 2022 explizit erfasst. Der aktuelle Verfassungsschutzbericht sah Ende 2024 ein „Rechtsextremismuspotential“ von geschätzt 20.000 Personen in der AfD. Dabei sind auch Personen in der Jungen Alternative (JA) eingerechnet. Laut Medienberichten von Juni 2024 hatte die AfD rund 48.000 Mitglieder, die JA hat nach aktuellen Eigenangaben mehr als 3.000. Die AfD trennte sich Anfang 2025 von der JA, sie soll durch eine neue Jugendorganisation ersetzt werden. 

Auf Seite 102 schreibt der Verfassungsschutz über die Partei: „In den Verlautbarungen der AfD und ihrer Repräsentanten kommt vielfach ein ethnisch-abstammungsmäßig geprägtes Volksverständnis zum Ausdruck, das im Widerspruch zum Volksverständnis des Grundgesetzes steht.“ Das ist keine jüngere Entwicklung: Hier hat CORRECTIV 14 Zitate aus den vergangenen Jahren zusammengetragen, die das völkische und damit rechtsextreme Denken von AfD-Vertretenden verdeutlichen. 

Im Mai 2025 stufte der Verfassungsschutz die AfD als „rechtsextremistisch“ ein, wegen eines laufenden Rechtsstreits kommuniziert er jedoch nur, dass die AfD ein derartiger Verdachtsfall sei. Über den innerparteilichen Streit um den „ethnisch-kulturellen Volksbegriff“, der von Gerichten als maßgeblich für die Verfassungsfeindlichkeit der Partei bewertet wurde, berichtete CORRECTIV im Juli 2025.

Unter Fachleuten gehen die Bezeichnungen für die AfD auseinander. Rechtsextremismus-Forscher Matthias Quent nannte im Mai 2025 die Partei im Gespräch mit der ARD ein „Gravitationszentrum des Rechtsextremismus“. Hendrik Cremer, Jurist beim Deutschen Institut für Menschenrechte, schreibt: „Die Partei ist nicht nur rechtspopulistisch oder in Teilen rechtsextrem, die AfD ist in ihrer Programmatik insgesamt rechtsextrem und verfassungsfeindlich.“

Auch Einzelpersonen stehen immer wieder im Fokus. Etwa Björn Höcke, Vorsitzender des AfD-Landesverbandes in Thüringen. 2019 entschied ein Gericht, dass die Äußerung, er sei ein „Faschist“ in dem Kontext, in dem sie gefallen ist, zulässig war. Die Begriffe „Faschismus“ und „Rechtsextremismus“ sind nicht deckungsgleich, weisen aber inhaltliche Überschneidungen auf. Kürzlich stufte der Verfassungsschutz Brandenburg fünf der dortigen Abgeordneten als „rechtsextremistisch“ ein, wie eine Pressesprecherin auf Anfrage bestätigt. 

Es ist unklar, wie viele Personen aus der AfD ausgeschlossen wurden

CORRECTIV.Faktencheck wollte von den einzelnen AfD-Landesschiedsgerichten und dem AfD-Bundesschiedsgericht wissen, wie viele Personen aus der AfD aus der Partei ausgeschlossen wurde, weil sie rechtsextrem sind oder gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstoßen. Und auch, wie die Schiedsgerichte Einordnungen definieren. 

Einzig das Landesschiedsgericht Mecklenburg-Vorpommern antwortete inhaltlich: In Bezug auf Extremismus würden Aspekte wie eine Delegitimierung des Staates und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit betrachtet. Der Präsident des Landesschiedsgerichts, Horst Förster, schrieb: In diesem Jahr habe er drei Parteiausschlussverfahren wegen verfassungsfeindlichen Verhaltens behandelt, zwei davon hätten zum Parteiausschluss geführt. 

Aus Brandenburg kam keine Antwort auf die Frage, ob das dortige Landesschiedsgericht sich derzeit mit den fünf als „rechtsextremistisch“ eingestuften Abgeordneten beschäftigt. Mit Höcke befasste sich das Schiedsgericht zwar, er blieb jedoch in der Partei. In Nordrhein-Westfalen entschied das Landesschiedsgericht laut Medienberichten im Juli 2025 den Ausschluss des Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich, der Verfahrensstand ist jedoch unklar.

Parteiposition der AfD zu Waffenlieferungen nicht so eindeutig, wie Chrupalla behauptet

„Wir haben uns erstens in der Vergangenheit dazu reichlich geäußert, auch im deutschen Bundestag [zu Gaza, Anm. d. Red.]. Auch unsere Position, was zum Beispiel Waffenlieferungen in Krisen- und Kriegsgebiete angeht, ist klar, die haben wir von Anfang an auch im Wahlprogramm immer abgelehnt und dazu stehen wir auch.“

Moderator Schmiese sagt ab Minute 2:52, dass es von der AfD in den vergangenen Wochen keine Pressemitteilungen zu Israel und Gaza gegeben habe, obwohl dieses Thema „Deutschland und die Welt“ umtreibe. Chrupalla entgegnet, die Position der AfD sei klar: Man habe Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete „von Anfang auch im Wahlprogramm immer abgelehnt“.

Redebeiträge im Bundestag zum Thema Gaza und Israel gab es tatsächlich, doch so eindeutig, wie von Chrupalla dargestellt, ist die Position der AfD zu Waffenlieferungen nicht. 

Zwar kritisierte die AfD in den Wahlprogrammen zur Europawahl 2019 und zur Europawahl 2024 Waffenlieferungen in Kriegsgebiete allgemein. In den Wahlprogrammen zu den Bundestagswahlen 2017 und 2021 kam das nicht vor. Im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2025 kritisiert die AfD lediglich Waffenlieferungen an die Ukraine. 

Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und den darauf folgenden Angriffen Israels auf den Gazastreifen gibt es in der AfD unterschiedliche Positionen. Im Dezember 2024 schrieb die Abgeordnete Beatrix von Storch, die AfD habe „allgemeine Bedenken und eine Diskussion bezüglich der Lieferung von Waffen in Krisenregionen. Zwischen Deutschland und Israel gibt es aber seit Jahrzehnten eine intensive Rüstungskooperation, die weiter fortgesetzt werden soll und die durch die aktuelle Situation in Gaza nicht berührt wird.“ 

Das zeigt sich auch im Bundestag: Während der Abgeordnete Alexander Gauland in einem Redebeitrag im Juni 2025 Israels Vorgehen im Nahost-Krieg unterstützte, lobte Markus Frohnmaier im selben Monat Trump dafür, dass er Druck auf Israel ausübte. 

Das Center für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas) hat recherchiert, dass Vertreterinnen und Vertreter der Partei im Nahost-Krieg teils eine vermeintlich Israel-solidarische Haltung einnehmen, andere hingegen antisemitische Stereotype bedienen. Das Internetportal der Amadeu Antonio Stiftung, Belltower News, schrieb im Juni 2025: Die AfD verabschiede sich zunehmend von einer „strategisch-solidarischen Position gegenüber Israel“ – doch dieser Kurs sei bislang kein Konsens.

Parteiposition zu Bürgergeld für Menschen aus der Ukraine gab Chrupalla richtig wieder

„Im Übrigen auch ein Punkt, wo ich wirklich ein Stück weit schmunzeln musste, als er [CSU-Chef Markus Söder im Sommerinterview, Anm. d. Red.] kritisiert hat, dass Ukrainer Bürgergeld beziehen. Eine Position, die wir von Anfang an vertreten haben.“

Beim Thema Bürgergeld für Ukrainer (ab Minute 15:25) gibt Chrupalla die damalige Parteiposition richtig wieder. Es geht um einen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 7. April 2022. Er sah vor, dass ukrainische Kriegsflüchtlinge ab dem 1. Juni 2022 Sozialleistungen nicht mehr nach dem Asylbewerbergesetz erhalten sollen, sondern nach dem Sozialgesetzbuch. Damit können sie Bürgergeld erhalten. Die AfD stimmte damals zwar nicht gegen diesen sogenannten Rechtskreiswechsel, sondern enthielt sich, wie aus dem Plenarprotokoll hervorgeht. Das heißt aber nicht, dass sie für die Umstellung war.

Auf Nachfrage erklärt die AfD-Bundestagsfraktion, man habe sich bei der Abstimmung enthalten, um einen anderen Teil des Gesetzänderungsantrags nicht zu blockieren: einen Sofortzuschlag für Kinder in Mindestsicherungssystemen aus Anlass der Covid-19-Pandemie. Im Plenarprotokoll auf Seite 103 ist auch nachzulesen, dass sich die AfD-Abgeordnete Gerrit Huy für den Zuschlag aussprach.

Am 18. Oktober 2022 stellt die AfD-Fraktion einen Antrag, den Rechtskreiswechsel rückgängig zu machen, also ukrainische Flüchtlinge wie andere Flüchtlinge auch nach dem Asylbewerbergesetz zu behandeln. Der zuständige Ausschuss empfahl die Ablehnung des Antrags. 

Das fordern auch Parteivertreter der CDU und CSU, wie zum Beispiel unser Faktencheck zum ZDF-Sommerinterview mit Markus Söder zeigt.

Chrupallas Verständnis von Meinungsfreiheit deckt sich mit bekannter AfD-Strategie

Bei einigen anderen Aussagen im Sommerinterview blieb Chrupalla vage. So sagte er etwa recht unkonkret, die „freie Meinungsäußerung“ in Deutschland sei in Gefahr. Die Meinungsfreiheit umzudeuten ist eine bekannte Strategie, die Vertretende der AfD und ihre Unterstützer anwenden, wie wir hier in einer Hintergrundrecherche berichten.

Diese Strategie lässt außer Acht, dass das grundrechtlich verankerte Recht auf Meinungsfreiheit vom Strafrecht beschränkt wird. Das Grundrecht sieht also vor, dass die Meinungsfreiheit nicht allumfassend ist. Es endet dort, wo Delikte wie Volksverhetzung oder das Verwenden verfassungswidriger Kennzeichen beginnen. 

Auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck antwortete Chrupalla nicht.

Weitere Faktenchecks zu den Sommerinterviews 2025 finden sich hier.

Redigatur: Matthias Bau, Sarah Thust