
So richtig aufgeregt hat sich kaum jemand. Dabei hatte der Spiegel vor ein paar Tagen berichtet, dass ein Mitarbeiter der AfD-Fraktion im Bundestag letztes Jahr verurteilt worden war. Nicht weil er mehrfach ohne Fahrschein unterwegs war, sondern weil er Menschen in einer Asylunterkunft rassistisch beschimpft und mit einer Schreckschusswaffe bedroht hatte.
Ein rechtsradikaler, verurteilter Straftäter Mitarbeiter in der AfD-Fraktion? Und dazu noch aus dem Wahlkreis von Alice Weidel. Na und? Es gab kaum Reaktionen, höchstens ein kurzes öffentliches Schulterzucken.
Um welche Gefahren geht es?
Genau das ist ein Problem. Denn im Bundestag tummeln sich zunehmend Rechtsradikale, die im Windschatten von Abgeordneten als Mitarbeiter versuchen, den Diskurs innerhalb der AfD und durch vorbereitete Reden oder Anträge sogar das Parlament zu beeinflussen. In ihren Funktionen haben sie teilweise auch Zugänge zu sensiblen Parlaments-Informationen.
Ein Beispiel ist Mario Müller. Er war einer der Teilnehmer des Potsdam-Treffens im letzten Jahr. Auch er ist vorbestraft, zudem gut vernetzt in der rechtsextremistischen Szene und er war einer der führenden Köpfe der Identitären Bewegung.
Warum wir für Transparenz im Bundestag kämpfen
Wir haben vor einiger Zeit ein Projekt begonnen, um mehr Transparenz im Bundestag herzustellen. Mit unserem Sunlight-Team haben wir dazu eine große Anfrage zu Mitarbeitenden im Bundestag gestartet.
Bisher gibt sich die Verwaltung des Bundestages zugeknöpft. Auskunft über Mitarbeiter gibt sie nicht. Das liegt auch daran, dass es bisher in der Regel nicht gerade brisant war, wer die Reden schreibt, die Termine organisiert oder die Ausschüsse für die Abgeordneten vorbereitet. Aber jetzt zieht ein politisches Vorfeld ganz systematisch in den Bundestag. Offenbar auch Straftäter, die Menschen mit Waffen bedrohen. Wir hatten schon vor einiger Zeit die Verwaltung konkret nach Straftätern unter Mitarbeitenden von Abgeordneten gefragt. Selbst dazu wollte die Verwaltung nichts sagen.
Wir finden, dass es relevant ist, mehr Informationen über Mitarbeiter im Maschinenraum des Bundestages zu erhalten, wenn es um ein öffentliches Interesse geht.
Die Potsdam-Recherche von Anfang 2024 wirkt auch bei diesem Thema bis heute nach. Gestern ging es im SPOTLIGHT um Ulrich Siegmund, den AfD-Chef von Sachsen-Anhalt, der einer der Teilnehmer war. Ein zentrales Anliegen damals war ja, das „Remigrationskonzept“ Sellners in die Partei zu tragen und zu etablieren. Genau hier verbindet sich das radikale Vorfeld mit der Partei. Mit Mario Müller war ein Mitarbeiter eines AfD-Abgeordneten einer der aktiven Teilnehmer damals.
Wir halten Sie auf dem Laufenden, wie sich unser Anliegen für mehr Transparenz im Bundestag entwickelt. Und bleiben Sie gespannt auf Mittwoch, wenn wir Neues zu dem Geheimtreffen in Potsdam veröffentlichen.
Empfehlen möchte ich Ihnen besonders den Denkanstoß am Ende dieses SPOTLIGHT des Digital-Experten Markus Beckedahl. Unser Gastautor schreibt, wie der Handelskrieg mit Trump droht, die wenigen klugen EU-Regulierungen für soziale Netzwerke zu schreddern. Und was es jetzt braucht.
Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende, auch und gerade mit unseren Empfehlungen der Woche – dabei spannende Stücke aus unserer Redaktion, etwa über einen grenzüberschreitenden Müllskandal und einen schillernden Russland-Berater.
Herzlich,
Ihr Justus von Daniels
Entwürdigende Rituale bei der Bundeswehr
Die Bundeswehr wirbt um Nachwuchs. Sie soll zu einer der stärksten Armeen Europas ausgebaut werden und braucht dafür vor allem Rekruten. Eine Recherche der Zeit verdeutlicht: Noch immer gibt es dort normalisierte Formen der Gewalt. Betroffene berichten von entwürdigenden Aufnahmeritualen und gefährlichen Mutproben.
Angefasst, angepinkelt, ausgepeitscht – willkommen bei der Bundeswehr (zeit.de) (€) / kostenfreier Podcast zur Recherche: podcasts.apple.com
Das Netzwerk der Frauenhasser
Aggressive Vertreter von Männlichkeits-Ideologien erreichen auf Youtube und Tik Tok Millionen. Doch wie geraten junge Menschen in ihren Bann? Diese Dokumentation begleitet zwei betroffene User und taucht in das Netzwerk der Frauenfeinde ein.
Shut Up, Bitch! Der Kampf um Männlichkeit (wdr.de)
Automatisches Verschwinden von Nachrichten bei von der Leyen
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen kann auf Anfrage Nachrichtenverläufe zwischen ihr und dem französischen Präsidenten nicht herausgeben. Der Grund: Beim Messenger-Dienst Signal hat sie das automatische Löschen solcher Nachrichten aktiviert. Für die Transparenz von EU-Politik ist das problematisch, aber – entgegen vorheriger Aussagen der Kommission – offenbar üblich. Das berichtet die Plattform Follow the Money.
Von der Leyen sets messages on auto-delete (ftm.eu) / (kostenfreier Bericht auf Deutsch: heise.de)
Wie chinesische Firmen den russischen Krieg ermöglichen
China ist offiziell nicht am russischen Krieg in der Ukraine beteiligt. Recherchen des britischen Telegraph zeigen jedoch, dass fast 100 Firmen Teile für den russischen Drohnenkrieg liefern.
How China is secretly arming Russia (telegraph.co.uk)

Ein Kurier des Zaren
Bertrand Malmendier ist der deutsche Anwalt der Wahl, wenn es um russische Staatsinteressen geht. Viele Jahre hat er in der Politik lobbyiert und genetzwerkt. Heute trifft er sich mit Vertretern von Ministerien und dem Kanzleramt – und soll Nachrichten mit Putin austauschen.
correctiv.org
Wo Deutschland seinen Problemmüll versenkt
In Tschechien hat die Atomindustrie strahlende Uranschlammteiche hinterlassen. Unternehmen verdienen gut daran: Sie stopfen die kontaminierten Löcher mit Müll, darunter Altreifen aus Deutschland und andere, teils giftige Abfälle.
correctiv.org
CompuGroup erhielt Millionen-Euro-Auftrag von der Bundeswehr – weshalb das kaum jemand mitbekam
Ein sicherheitsrelevanter Auftrag über bis zu 75 Millionen Euro: Die Bundeswehr schloss im Juli 2025 einen Deal mit der CompuGroup ab. CGM soll die medizinische Infrastruktur der Bundeswehr modernisieren. Der Vertrag hat eine Laufzeit von bis zu sieben Jahren. Bisher berichteten darüber aber wenige Medien – und das hat einen Grund.
correctiv.org
Rechtslage unklar: Wie lange dürfen die deutschen Grenzen kontrolliert werden?
Innenminister Dobrindt hat die Grenzkontrollen bis März 2026 verlängert. Eigentlich ist das nur befristet möglich – wie lange genau, ist rechtlich bislang unklar. Es wäre aber nicht das erste Mal, dass Deutschland die Höchstdauer ignoriert.
correctiv.org
In diesem Denkanstoß beleuchtet Markus Beckedahl, warum Europa mit seinen digitalen Regeln für die großen US-Tech-Konzerne eigentlich auf einem guten Weg war – nun aber droht, durch das eigene Zögern zu scheitern.
Es hätte alles so schön sein können. Ursula von der Leyen sprach als EU-Kommissionspräsidentin beim Beschluss des Digital Services Act (DSA) vom „Grundgesetz fürs Internet“. Das war zwar hoch gegriffen, aber die Hoffnung war da: Mit DSA und Digital Markets Act (DMA) hatte die EU wirksame Regeln zur Plattformregulierung geschaffen – und vielleicht auch den Mut, sie gegen die dominierenden Big-Tech-Unternehmen durchzusetzen.
Zugegeben: Die Regeln kamen zu spät, um Monopole rechtzeitig zu verhindern. Aber immerhin rechtzeitig genug, um noch Wirkung entfalten zu können.
Die Macht der Tech-Oligarchen
Es war die Zeit, als Elon Musk Twitter übernahm und zu X umbaute. Plötzlich wurde deutlich, wie abhängig unsere digitalen Öffentlichkeiten von wenigen Privatakteuren sind – die über Nacht die Spielregeln ändern, wenn es ihren ideologischen oder wirtschaftlichen Interessen dient. Musk nutzte seine neue Macht, um rechtsradikale Akteure und Positionen zu verstärken. Ermittlungen der EU-Kommission folgten. Und dann kam Trump zurück ins Amt.
Seitdem ist es still geworden um die Plattformregulierung. Trump demonstrierte seine Macht, indem er bei seiner Amtseinführung die Tech-Oligarchen hinter sich aufreihte. Diese dankten es ihm mit Tributzahlungen und öffentlichen Unterwerfungsszenen – ein Signal, dass sie künftig gemeinsame Sache machen würden.
Stillhalten aus Angst vor Zöllen
Die Öffentlichkeit nahm die Macht dieser Oligarchen nun deutlicher wahr. Nur die Politik wurde leiser. Man versprach zwar immer wieder, die europäischen Regeln würden selbstverständlich durchgesetzt. Doch abseits der Rhetorik geschah wenig. Spätestens als Trump mit Zöllen drohte und damit die Autoindustrie ins Visier nahm, wurden Verfahren gegen US-Konzerne auf die lange Bank geschoben. Lebenszeichen der Regulierung gab es nur noch gegen Porno-Plattformen und TikTok.
… Das ist die Vorschauversion. Den kompletten Denkanstoß finden Sie hier auf der Webseite.
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Sebastian Haupt.
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