Gesundheit

Privat zahlen beim Arzt – weil der sich die Fortbildung gespart hat

Selbstzahlerleistungen beim Arzt (IGeL) sind oft teuer und nicht immer wirksam für die Patienten. Ein Bericht der Verbraucherzentrale zeigt nun: Patienten zahlen häufig auch dann selbst, wenn es sich eigentlich um eine Kassenleistung handelt – nur, weil die Ärzte sich keine Genehmigungen einholen.

von Leonie Georg

Kosten für Krankenkasse und medizinische Versorgung
Ein Stethoskop liegt auf vielen Euro Geldscheinen als Symbol für hohe Kosten im Gesundheitswesen, Foto: picture alliance / SZ Photo | Wolfgang Filser

Hyaluronspritzen bei Knieschmerzen, Akupunktur bei Migräne, Ultraschall der Brust zur Krebsfrüherkennung – das alles sind Leistungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden. Sprich: Der Patient muss selbst zahlen. Diese „Individuellen Gesundheitsleistungen“, kurz „IGeL“ sind für Arztpraxen verlässliche Umsatzbringer. Allein im Jahr 2024 haben Verbraucherinnen und Verbraucher laut Bundesverband der Medizinischen Dienste mindestens 2,4 Milliarden Euro für IGeL ausgegeben. Die Privatzahlerleistungen stehen immer wieder öffentlich in der Kritik, da sie teuer, oft unnötig, teils sogar schädlich sind

Ein Bericht des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), der CORRECTIV vorab vorliegt, zeigt nun ein neues Problem auf: Patienten müssen häufig für Kassenleistungen privat zahlen – weil Ärzte Fortbildungen umgehen. Die betroffenen Leistungen verkaufen sie dann einfach als IGeL. 

Ärzte dürfen genehmigungspflichtige Kassenleistungen als IGeL verkaufen

Der Hintergrund: Es gibt unterschiedliche Gründe, warum die gesetzlichen Krankenkassen manche Leistungen nicht zahlen. Beispielsweise, weil keine medizinische Notwendigkeit besteht oder weil die Wirksamkeit dieser Leistungen nicht ausreichend wissenschaftlich belegt ist, wie der IGeL Monitor des Bundesverband der Medizinischen Dienste zeigt.

Es gibt jedoch auch Leistungen, die von den Krankenkassen grundsätzlich übernommen werden – aber nur, wenn die jeweiligen Fachärzte dafür eine Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) haben. Um diese Genehmigung zu bekommen, müssen die Ärztinnen und Ärzte unter anderem an entsprechenden Fortbildungen teilnehmen. Nur mit der Fortbildung darf die Leistung über die Gesetzliche Krankenkasse abgerechnet werden. Die Facharztpraxen können sie aber trotzdem als IGeL anbieten. Dies betrifft zum Beispiel Hautkrebsscreenings und Mammosonografien.

Der vzbv hat für seinen aktuellen Bericht 583 Erfahrungen von Verbrauchern und Verbraucherinnen gesammelt und ausgewertet. Sie beziehen sich auf diverse Facharztrichtungen, am häufigsten auf Dermatologie, Augenheilkunde sowie Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Verbraucher berichten von unterschiedlichen ärztlichen Leistungen, für die sie selbst aufkommen mussten – darunter Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen, aber auch diagnostische Maßnahmen sowie Behandlungen im Krankheitsfall. 

Ein Arzt untersucht in der Praxis die Hautpartie eines Patienten. Bild: picture alliance/dpa | Peter Kneffel

So berichteten Verbraucher beispielsweise, dass sie die Kosten für Hautkrebsscreenings selbst übernommen hatten, da die Praxis keine Genehmigung für eine Kassenabrechnung hatte. Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt das Screening jedoch eigentlich ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre als Regelleistung. Einige Krankenkassen übernehmen die Untersuchung sogar bereits ab einem früheren Alter. 

Patienten zahlen selbst trotz medizinischer Notwendigkeit

Aber auch bei konkreten Krankheitsfällen gibt es Leistungen, bei denen eine nicht vorhandene Genehmigung die Patienten zu einer Privatzahlung zwingen kann. So berichteten Verbraucher auch im diagnostischen Bereich von Fällen, in denen sie für medizinisch notwendige Maßnahmen selbst aufkommen mussten – etwa für eine Mammasonografie oder für eine andere Ultraschalluntersuchung bei konkretem Krankheitsverdacht. 

Eine Person schilderte etwa gegenüber dem Verbraucherverband, ihre Gynäkologin habe sie für eine Mammasonografie an einen Facharzt überwiesen. Die Ultraschalluntersuchung musste sie jedoch selbst zahlen, weil der Fachpraxis keine Genehmigung zur Abrechnung mit der gesetzlichen Krankenkasse vorlag. In diesen Fällen sind Patienten gezwungen, entweder die Kosten trotz bestehender medizinischer Notwendigkeit privat zu tragen, auf die Leistung zu verzichten oder sich eine andere Praxis zu suchen, die diese Leistung als Kassenleistung anbietet.

Facharztwechsel nicht immer möglich

Zwar kann eine Beschwerde bei der jeweils zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung eingereicht werden. Die Verfahren sind jedoch oftmals mit großen bürokratischen Hürden verbunden. Ein Arztwechsel ist zudem insbesondere in ländlichen Regionen oder bei Fachärzten nicht immer möglich. 

Grundsätzlich ist gemäß Paragraf 18 des Bundesmantelvertrags der Ärzte geregelt, dass Vertragsärzte gegen ihre Pflichten verstoßen, wenn sie Versicherte beeinflussen, eine privatärztliche Versorgung in Anspruch zu nehmen, obwohl eine kassenärztliche Versorgung möglich wäre. In diesem Fall verstoßen Ärzte jedoch nicht gegen das Gesetz, wenn sie Leistungen privat anbieten, weil ihnen keine Genehmigung zur Abrechnung vorliegt. Sie verstoßen erst dann, wenn sie trotz Genehmigung die Leistung als reine Selbstzahlerleistung anbieten.