
Diese für Audio optimierte Kompaktfassung des täglichen Spotlight-Newsletters ist von einer KI-Stimme eingelesen und von Redakteuren erstellt und geprüft.
Liebe Leserinnen und Leser,
„Ka-tsching!“ – So klingt es, wenn in der Facharztpraxis die Kasse klingelt. Das passiert in Deutschland jeden Tag hunderttausende Mal: Patientinnen und Patienten gaben allein im vergangenen Jahr rund 2,4 Milliarden Euro für Selbstzahlerleistungen aus. Also für Behandlungen, die nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.
Die sogenannten IGeL-Leistungen stehen immer wieder in der Kritik, da sie teuer, oft unnötig, teils sogar schädlich sind. Nun hat der Verbraucherzentrale-Bundesverband (VZBV) eine neue Auswertung von Patientenerfahrungen erstellt und sie CORRECTIV vorab geschickt. Im Thema des Tages erklären wir, welchen neuen „Trend“ er dabei ausgemacht hat.
In der „Leserfrage der Woche“ geht es ebenfalls um die Frage, wie stark Patienten im deutschen Gesundheitssystem zur Kasse gebeten werden – und um eine neue Idee des CDU-Politikers Hendrik Streeck.
Außerdem im SPOTLIGHT: Auch unsere Reporterin Gesa Steeger spürt einem zweifelhaften Trend nach, und zwar dem, kritische Energie-Infrastruktur zu privatisieren. Und unsere Lokalredaktion in Gelsenkirchen analysiert: Wieso konnte es bei der Kommunalwahl am vergangenen Sonntag zu einem derart starken Ergebnis für die AfD kommen – und warum sollte ganz Deutschland jetzt nach Gelsenkirchen blicken?
Nun noch mal kurz zum Cancel-Thema von gestern. Viele von Ihnen haben mir geschrieben, viele kluge und differenzierte Gedanken waren wieder dabei. Und es kam immer wieder eine Frage: Wie denn wohl unsere Beziehung zum NDR-Mitarbeiter Daniel Bröckerhoff sei, der im Sender offenbar eine der lauteren Stimmen gegen die Sendung der konservativen Julia Ruhs war.
Wir mussten selbst erst einmal nachforschen, welche Verbindung damit wohl gemeint sein sollte – und stellten fest: Der Axel-Springer-Konzern hat die vermeintliche Verbindung zwischen uns und dem Fall Julia Ruhs hergestellt. Nun haben wir den Verlag damit konfrontiert. Dazu mehr in der heutigen „Werkbank“.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start ins Wochenende! Schreiben Sie mir gern mit allem, was Sie bewegt: anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: „Ka-tsching!“ in der Arztpraxis
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Leserfrage der Woche: Selbstbeteiligung bei Arztbesuchen als Lösung für „Vollkasko-Mentalität“?
CORRECTIV Events: Unsere Veranstaltungstipps
Faktencheck: Betrüger nutzen Werbeanzeigen auf Facebook, um mit Fake-Bahnkarten abzukassieren
CORRECTIV-Werkbank: Springer, CORRECTIV und der Fall Julia Ruhs
Grafik des Tages: AfD in einigen NRW-Intergrationsräten stärkste Kraft
Der Verbraucherzentrale-Bundesverband (VZBV) hat für seinen aktuellen Bericht Erfahrungen von 583 Patientinnen und Patienten in Arztpraxen ausgewertet. Das Ergebnis hat er uns vorab geschickt. Der Bericht – hier geht es zur Mitteilung des VZBV – zeigt: Es gibt einen recht neuen „Trend“ bei Selbstzahlerleistungen beim Arzt.
Dazu haben wir heute Morgen einen Artikel veröffentlicht.

Was ist dieser neue „Trend“?
Es geht um eine spezielle Form der Selbstzahlerleistungen beim Arzt: um solche, die eigentlich bei gesetzlich Versicherten von der Krankenkasse bezahlt würden – jedoch nur dann, wenn die Ärztinnen und Ärzte eine Zertifizierung für die jeweilige Behandlung haben. Und die Zertifizierung gibt es nur nach einer Fortbildung.
Betroffen sind zum Beispiel Hautkrebsscreenings und Mammosonografien.
Nun ist es aber laut Gesetz so: Wenn die Ärzte keine Lust auf oder Zeit für diese Fortbildungen haben, dürfen sie diese IGeL trotzdem anbieten. Dann zahlt sie aber der Patient selbst.
Was das bedeutet:
Die gesetzlich Versicherten werden in diesen Fällen unnötig finanziell zusätzlich belastet. Sie müssen zahlen, was eigentlich die Kasse übernehmen könnte.
„Müssen“ ist natürlich relativ, Patientinnen sind ja nicht gezwungen, die Leistungen in Anspruch zu nehmen. Aber: Es geht vielfach – wie generell bei Selbstzahlerleistungen – um diese typischen Angstthemen. Mammografie zur Brustkrebsvorsorge ist ein Beispiel. Muss man nicht machen als Frau, aber lässt man es sein, schlummert da immer die Sorge: Was, wenn ich nicht alles getan habe, um einer Krebserkrankung vorzubeugen?
Hinzu kommt, dass es zum Teil dann eben doch um notwendige medizinische Maßnahmen geht. Zum Beispiel, wenn bereits ein Krankheitsverdacht besteht.
Wenn aber die Gesundheitsvorsorge immer mehr zum Geschäft wird, wenn sich Menschen mit mehr Einkommen besseren Schutz vor schweren Krankheiten leisten können als ärmere Leute – dann ist das Sprengstoff für den Zusammenhalt in der Gesellschaft.
Was könnte dagegen getan werden?
Wichtigste Maßnahme laut VZBV: mehr Transparenz, was wirklich sinnvolle und notwendige Leistungen in der Arztpraxis sind – und was nicht.
Konkret schlägt der Verband unter anderem vor, dass Arztpraxen Selbstzahlerleistungen nicht mehr während der normalen Sprechstunden anbieten dürfen. Sondern nur noch in zusätzlichen „IGeL-Sprechstunden“.
Hamas droht mit Tod aller Geiseln
Aufgrund der israelischen Bodenoffensive in Gaza-Stadt will die Hamas „keine Rücksicht“ auf das Leben der verschleppten Geiseln nehmen. Die Terrororganisation hat eigenen Angaben zufolge die aus Israel entführten Geiseln auf mehrere Viertel der Stadt verteilt.
zeit.de
US-Demokraten wollen Meinungsfreiheit per Gesetz stärken
Nachdem die Late Night-Shows der Trump-Kritiker Stephen Colbert und Jimmy Kimmel abgesetzt wurden, sehen die Demokraten die Meinungsfreiheit in den USA in Gefahr. Jetzt wollen sie diese per Gesetz schützen. Die Erfolgsaussichten sind allerdings gering.
tagesschau.de
Lokal: Ermittlungen gegen Fallschirmjäger in Zweibrücken wegen Treffen in Nazi-Uniform
Mitglieder der Fallschirmjäger in Zweibrücken (Rheinland-Pfalz) sollen bei einer Zusammenkunft in „Nazi-Uniformen“ aufgetreten sein, den Hitlergruß gezeigt und sich dabei gefilmt haben. Es soll dabei auch zu Drogenmissbrauch und sexuellen Übergriffen gekommen sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
saarbruecker-zeitung.de / swr.de
Recherche: Deutsche Bahn lässt offenbar gezielt Züge ausfallen, um Statistik zu verbessern
Interne Vermerke der Deutschen Bahn verweisen auf neue Methoden, um die Verspätungsstatistik zu verbessern. Nach Informationen des Spiegel lässt die DB offenbar gezielt Züge ausfallen, um ihre schlechte Bilanz aufzupolieren.
spiegel.de

Leserfrage der Woche

SPOTLIGHT-Leserin Dagmar G. fragt: „MdB Hendrik Streeck will eine Selbstbeteiligung einführen, um Bagatellbesuche beim Arzt einzudämmen. Doch was heißt Bagatelle – muss ich künftig auch zahlen, wenn ich nur ein Rezept abhole? Oder wenn mein Arbeitgeber ab dem ersten Krankheitstag eine Krankmeldung verlangt – selbst bei einer Erkältung?“
Zum Kontext: Hendrick Streeck (CDU-Gesundheitspolitiker, Bundestagsabgeordneter und Mediziner) sprach kürzlich von einer „Selbstbeteiligung“ von Patienten – als Lösung gegen die steigenden Kosten im Gesundheitswesen.
Sein Büro sagt auf Nachfrage von CORRECTIV, Streeck sei offensichtlich missverstanden worden. Es gehe dabei nicht um eine neue „Praxisgebühr oder pauschalen Selbstbehalt.“ Der angestoßene Diskurs sei vielmehr ein kultureller: Viele Menschen würden das System „wie ein All-Inclusive-Angebot“ nutzen. Das Gesundheitssystem sei aber keine „Selbstbedienungs-Dienstleistung“, sondern eine Solidargemeinschaft. Vermeidbar seien etwa „Ärztehopping“ oder „Notaufnahme statt Hausarztpraxis“.
Der Lösungsansatz aus Streecks Büro: Menschen sollten mehr Eigenverantwortung für ihre Gesundheit übernehmen, Vorsorge-Angebote ernst nehmen und präventiv handeln. Bevor es in die Notaufnahme geht, sollten Ersteinschätzungen über 112 und 116/117 eingeholt werden. Außerdem könnten Telemedizin oder auch der KV-Notdienst genutzt werden. (Dafür brauche es die notwendige Infrastruktur.)
Wer aber mit einer Erkältung in die Notaufnahme geht, könne dort zwar behandelt werden, dann sei aber eine „sanfte und sozialverträgliche Beteiligung fair und solidarisch – aus Rücksicht vor denen, die Notfallversorgung brauchen“. Nicht beantwortet wurde, wie diese Mechanismen und Beiträge aussehen könnten, ab wenn etwas als Bagatelle gilt und ob Streeck „Distriktspflegekräfte“ (also Gesundheitsfachkräfte mit spezifischer Erstversorgungsfunktion, wie in Schweden) auch in Deutschland für praktikabel hält.

CORRECTIV Events

Geolocation oder: Faktenchecken wie Sherlock Holmes, online
Oft geht es beim Faktenchecken darum, herauszufinden, wann und wo ein Bild entstanden ist oder ein Video aufgenommen wurde – das lässt sich schlecht googlen. Beim Online-Workshop des CORRECTIV.Faktenforum am 23. September gibt CORRECTIV-Faktenchecker Steffen Kutzner Einblicke in die ersten Schritte beim Geolocating.
Zum Event
CORRECTIV auf Tour: Was passiert, wenn Hass regiert?, Wiesbaden
Am 23. September spricht unser CORRECTIV-Reporter Marcus Bensmann beim nächsten Event von „CORRECTIV auf Tour“ in Wiesbaden über seine Recherchen zu Rechtsextremismus und Desinformationskampagnen – und die damit verbundenen Gefahren für unsere Demokratie.
Zu den Tickets
Know Lunch: Mit erfolgreichem Newsletter zum starken Geschäftsmodell, online
Wie entwickelt man als Medienhaus einen erfolgreichen Newsletter? Beim Know Lunch des CORRECTIV.StartHub am 25. September um 13 Uhr dreht sich alles um Strategien, Inhalte und Geschäftsmodelle erfolgreicher Newsletter.
Zur kostenlosen Anmeldung

Faktencheck

Weltweit locken hunderte Facebook-Seiten mit Angeboten für billige Bahnkarten – dahinter steckt Betrug. Das Beispiel zeigt: Der Facebook-Mutterkonzern Meta hinkt beim Löschen von Fake-Profilen hinterher und verdient gleichzeitig durch Werbeanzeigen an dem Betrug mit.
correctiv.org
Endlich verständlich
In Gelsenkirchen hat es die AfD in die Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters geschafft. Bei der Bundestagswahl im Februar war die Partei schon stärkste Kraft geworden, bei der Kommunalwahl lag sie jetzt bei rund 30 Prozent nur ganz knapp hinter der SPD. Unsere Gelsenkirchener Lokalredaktion versucht, die Gründe zu erklären – und warum es wichtig ist, dass jetzt ganz Deutschland nach Gelsenkirchen schaut.
correctiv.org
So geht’s auch
Am Samstag, dem 20. September, ist der Welt-Saubermach-Tag. In ganz Deutschland und an vielen Orten der Welt schließen sich Menschen zusammen, um die Straßen, Parks und Flüsse vom Müll zu befreien. Mitmachen ist für alle möglich.
watson.de
Fundstück
Der sächsische Dialekt wird heute oft belächelt. Das war nicht immer so. Einst galt die Mundart als so vorbildlich, dass auch Goethe sie unbedingt in Leipzig lernen sollte. Warum Sächsisch entscheidend für die Entwicklung der deutschen Sprache war, erklärt der MDR.
mdr.de
Noch mal zur Erinnerung: Gestern ging es im Thema des Tages unter anderem um die umstrittene, konservative junge NDR-Moderatorin Julia Ruhs. Der Sender hat entschieden, dass sie die Sendung KLAR nicht mehr unter seiner Verantwortung moderieren soll. Unter anderem hatten sich einige NDR-Mitarbeiter von ihrer Arbeit distanziert. Einer davon war der NDR-Mitarbeiter Daniel Bröckerhoff, der unter anderem für die Mediensendung Zapp arbeitet.
Vor zwei Tagen nun berichtete die Medienmarke WELT aus dem Axel Springer-Verlag ausführlich über diesen Vorgang (hier nachzulesen, allerdings hinter der Bezahlschranke). In dem Bericht schrieb der Autor Lars Petersen (Leiter National Investigation Premium-Gruppe):
„Ganz oben auf der Liste der Unterzeichner steht Daniel Bröckerhoff, freier Journalist, Moderator der NDR-Nachrichtensendung NDR Info und Trainer an der Webakademie des Medienportals ‘Correctiv’.“
Lars Petersen
WELT-Autor
Ok, spannend, dachten wir, denn: Gemeint ist, dass Daniel Bröckerhoff mal, 2019, einen Workshop für die Reporterfabrik aufgenommen hat – unsere Medienbildungssparte für Journalistinnen und Journalisten, die sich weiterbilden wollen. Übrigens hat das zum Beispiel auch Robin Alexander von der WELT schon mal gemacht. Ein sehr, sehr weit hergeholter Zusammenhang also. Aber: Das offensichtliche Kalkül funktionierte.
Auf dem Kurznachrichtendienst X regte sich die rechte Blase gleich ordentlich auf, einer schrieb zum Beispiel: Ach so, CORRECTIV steht hinter dem Canceln von Julia Ruhs.
Warum wir das hier aufgreifen? Weil es in einem größeren Zusammenhang steht: Was der Springer-Journalist gemacht hat, ist, mehrere Feindbilder zusammen zu rühren, nämlich den vermeintlich links-woken öffentlich-rechtlichen Rundfunk und das vermeintlich links-woke CORRECTIV. Es soll offenbar so aussehen, als sei das alles eins – es ist das Springer-Narrativ von einem „Deep State“ aus Progressiven, der alle Konservativen mundtot machen wolle. Das ist Quatsch, Sie wissen das.
Dem Springer-Verlag (für den ich früher selbst gearbeitet habe) dürfte klar sein, dass er damit Populisten in ihrer Argumentation hilft. Indem er daran mitarbeitet, ganze Medienmarken gezielt zu delegitimieren. Und das ausgerechnet in der Woche, in der in den USA die Trump-Regierung Medienmarken derart unter Druck setzt, dass dort die Meinungsfreiheit langsam stirbt.
Ist es Instinktlosigkeit oder absichtliches Zündeln an der Demokratie? Ich habe heute den Autor selbst und die Pressestelle des Verlags gebeten, uns zu erklären, weshalb sie den Scheinzusammenhang hergestellt haben. Wir sind gespannt auf die Antworten.

Bei den Kommunalwahlen in NRW hat die AfD es in zahlreiche Integrationsräte geschafft, teils als stärkste oder zweitstärkste Kraft. Diese Gremien werden von Menschen gewählt, die selbst einen Migrationshintergrund oder noch keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Was bedeutet das für die Arbeit der Räte, wenn die rechtsextreme Partei dort 20 oder 30 Prozent der Sitze hält? Gegenüber CORRECTIV äußert der Vorsitzende des Integrationsrates Paderborn, Recep Alpan: Die Stärke der AfD sei zwar keine Überraschung, aber doch widersprüchlich – weil sie das gesetzlich vorgeschriebene Gremium eigentlich abschaffen wollen. Nun komme es darauf an, dass der Rest der Gewählten vertrauensvoll zusammenarbeite.
Welche Strategie die AfD mit den Integrationsräten verfolgt, erläutert der Focus in diesem Text:
focus.de
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Samira Joy Frauwallner, Leonie Georg und Sebastian Haupt.
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