Klöckner klickt rechts
Manche sehen in der Bundestagspräsidentin Julia Klöckner eine naive Weinkönigin, andere eine strategische Rechtstreiberin der CDU. CORRECTIV hat ihre Social-Media-Aktivitäten analysiert und ihre Wegbegleiter befragt. Mit erstaunlichem Ergebnis.
Die Social-Media-Beiträge von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner zeigen besonders häufig ein Wesen: ihren Hund Ella. Klöckner hat für ihren Labradoodle ein eigenes Profil angelegt. Zu sehen ist Ella, wie sie aufmerksam eine Sitzung des Parlaments verfolgt, Ella auf Klöckners Arm am Welthundetag, Leckerlis für Ella am nationalen Veteranentag. Manchmal trägt Klöckner sogar dieselben Haarschleifen wie ihr Hund. Das ist die verspielte Seite der ehemaligen Weinkönigin – oder besser: das Bild, das sie in Sozialen Netzwerken von sich zeichnet.
Doch Klöckners politische Seite wirkt weit weniger harmlos. CORRECTIV hat rund 3.100 ihrer Tweets, Retweets und Beiträge auf X, Instagram und Facebook seit der letzten Legislatur ab September 2021 analysiert. Das Ergebnis: Neben Hundebildern und unpolitischen Beiträgen teilt sie auffällig oft Inhalte von rechtspopulistischen Akteuren – vor allem während des letzten Bundestagswahlkampfes. So finden sich unter den rund 1.200 Posts, die Klöckner zwischen November 2024 und März 2025 verfasst oder verbreitet hat, mehr als 80 Beiträge von Medien wie Apollo News, von Nius-Reportern oder von anderen rechtskonservativen bis rechtspopulistischen Konten.
Was Menschen in Sozialen Netzwerken teilen, ob bewusst oder unbewusst, verrät viel über ihre Haltung zu brennenden politischen Fragen. Nach dem Credo: Zeige mir deinen Content, und ich sage dir, wie du denkst.
Was ist ein Repost und was kann er bedeuten?
Wie Julia Klöckner denkt, könnte wiederum entscheidend für die Zukunft der CDU sein; sogar für das gesamte politische System in Deutschland. Die Partei von Bundeskanzler Friedrich Merz steht vor einer Schicksalsfrage: Soll sie mit der AfD zusammenarbeiten? Sei es durch informelle Abstimmungen, Tolerierung oder gar Koalitionen. Oder bleibt sie bei der strikten Ablehnung jeder Zusammenarbeit? Dieser Richtungsstreit dominiert die internen Debatten.
Klöckner wird diesen Streit als mächtigste Frau im Land mitentscheiden. In der CDU, so berichten hochrangige Politiker, gilt sie als einflussreich. Sie prägt den Kurs der Partei gemeinsam mit Fraktionschef Jens Spahn und Generalsekretär Carsten Linnemann. Selbst die SPD zollt ihr Respekt: Sie sei professionell und habe großen Einfluss. In der Debatte um die Brandmauer werde sie eine Schlüsselrolle spielen: „Julia Klöckner denkt strategisch und wird oft unterschätzt“, sagt etwa die rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Sabine Bätzing-Lichtenthäler. Sie kennt Klöckner seit über 20 Jahren und erlebte sie als CDU-Landeschefin in Rheinland-Pfalz. Klöckner arbeite hart.
Was macht Klöckner also politisch aus? Die frühere Weinkönigin und Hundebesitzerin, die sich zu bemühen scheint, ihr Staatsamt nach bestem Wissen und Gewissen auszufüllen? Oder die konservative Hardlinerin, die Schlagzeilen machte, weil sie die Regenbogenfahne über dem Bundestag verbot und einen Kommentar verbreitete, nachdem Kanzler Merz angeblich die Moderatorin Dunja Hayali „fertigmachte“?
Exemplarisch für ihre Haltung sind erneut Klöckners Beiträge in den sozialen Medien. Was Klöckner teilt, lässt sie inhaltlich an den rechtskonservativen Rand der Union rücken. Und auch: WEN sie teilt. Neben sehr konservativen bis rechtspopulistischen Medien wie Cicero oder BILD lassen sich wiederholt Reposts von Redakteuren des Krawallmediums Nius finden.
Während des Bundestagswahlkampfes tauchen Dutzende Rechtsaußen-Profile auf Klöckners Konten auf. Ihre persönlichen Social-Media-Profile verwaltet sie selbst – das bestätigt ihr Pressesprecher auf CORRECTIV-Anfrage. Lediglich den Instagram-Account „Bundestagspräsidentin“ betreue ihr Presseteam. Den feixenden Hayali-Post hat Klöckner demnach also eigenhändig geteilt.
CORRECTIV fragte Klöckner auch nach ihrem Einfluss in der CDU, ihrer Haltung zur Brandmauer und zur Ausrichtung ihrer Social-Media-Posts. All diese Fragen wollte die Christdemokratin nicht beantworten – auch ein persönliches Gespräch lehnte sie ab.
Klöckner und die Brandmauer
Im Januar, kurz vor der Bundestagswahl, zerriss es die CDU fast: Damals noch in der Opposition, fand sie unter den demokratischen Parteien keine Mehrheit für ihren Gesetzentwurf zum Zustrombegrenzungsgesetz – und ließ sich von der AfD helfen.
Julia Klöckner teilte damals öffentlich einen Beitrag von Armin Petschner-Multari: Der CSU-Politiker schrieb darin über illegale Migration; SPD und Grüne sollten sich ihm zufolge nicht um eine Brandmauer, sondern um die illegale Migration im Land kümmern.
Petschner-Multari zählt zu den Akteuren, die CORRECTIV in einer Recherche als „Rechtstreiber“ in der Union identifizierte. Er gründete die selbsternannte „Kampagnen-Plattform“ „The Republic“, um sich gegen den angeblichen „Linksdrift” zu wehren. Gemeinsam mit Trump-nahen Stiftungen organisierte sie kürzlich ein Treffen von internationalen Rechtskonservativen in Berlin. Petschner-Multari sieht die Hauptgegner der CDU eher bei den Grünen oder der SPD als in der rechtsextremen AfD.
An der Verteufelung der demokratischen Konkurrenten nimmt auch Klöckner teil – dies zeigen etwa Aussagen, die sie in den Sozialen Netzwerken weiterverbreitet. Sie teilte am 27. Januar auf X einen Post des Nius-Redakteurs Ben Brechtken, der die Grünen als „Sekte“ beschimpfte. Vier Tage später teilte sie einen Beitrag des Profils „MerzHQ“, das darin dem damaligen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) – ähnlich wie Donald Trump den Demokraten – einen „Antifa-Wahlkampf“ unterstellte.
Auch ein weiterer Vertreter des rechtspopulistischen Flügels der Partei, Baha Jamous, erhielt Klöckners Zustimmung. Er forderte, die CDU solle lieber eine Minderheitsregierung anstreben, als mit SPD und Grünen zu koalieren. Und er lobte Merz’ Entscheidung, seinen Migrationsplan mit der AfD abzustimmen – ein Tweet, den Klöckner weiterverbreitete.
Hochrangige CDUler sagen CORRECTIV: Klöckner habe nicht nur in Sozialen Netzwerken für die umstrittene Aktion geworben, sondern auch in einem Gespräch mit Jens Spahn, Carsten Linnemann und Friedrich Merz darauf gedrängt. „Sie hat Merz maßgeblich überzeugt, den Migrationsplan kurz vor der Bundestagswahl mit der AfD durchzusetzen“, Klöckner wollte dies weder bestätigen noch dementieren.
Wen Klöckner sonst noch retweetet
Besonders häufig kritisierte Klöckner den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk. So stellte sie den Rundfunkbeitrag in Frage, nachdem das ZDF Friedrich Merz in satirischem Unterton mit dem Vampir Nosferatu verglichen hatte. Ende Januar schrieb sie dazu auf X: „Diffamierend, abschätzig, unanständig. Weshalb zahlt man für so etwas Gebühren? Dafür soll der ÖRR schützenswert sein?“
Mehrfach zitiert sie den Anwalt Carsten Brennecke, der nicht nur die AfD in zentralen Prozessen vertritt, sondern online mit markigen Worten gegen Medienschaffende schießt. Etwa, weil das ZDF in seiner Berichterstattung über einen CDU-Parteitag Applaus an einer Stelle vermeintlich nicht richtig ins Bild setzt. „Manipuliertes Merz-Video“ nennt es Brennecke in seinem Beitrag, den Klöckner teilte. (Anm.: Die Kanzlei, für die Brennecke arbeitet, befindet sich derzeit in mehreren rechtlichen Auseinandersetzungen mit CORRECTIV.)
Auch der Kommentar der Schwäbischen Zeitung mit der Schlagzeile „Dieser Öffentlich-Rechtliche Rundfunk ist am Ende“ wird von Klöckner mit einem Repost belohnt. Die Zeitung selbst geriet kürzlich als „rechtspopulistisch“ in die Kritik.
Klöckner und der ÖRR-Blog
Klöckners Retweets sind kein einmaliger Ausrutscher nach Rechtsaußen: So teilte sie drei Beiträge, die – unbelegt – tägliche Massenvergewaltigungen durch Migranten behaupten.
Mehrfach verbreitete Klöckner auch Inhalte des sogenannten ÖRR-Blogs. Das ist ein Account, der sich als medienkritisch präsentiert und offenbar mit politischer Agenda gegen Journalistinnen und Journalisten des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks vorgeht. Die Hauptkritik des Blogs: Die Berichterstattung sei zu links. Der ÖRR-Blog reißt dabei Beiträge oft aus dem Zusammenhang oder stellt sie verkürzt dar. So verbreitete der Kanal beispielsweise im Zuge der „Stadtbild“-Debatte einen Auszug des MDR-Formats „mit reden“. Der Clip ließ den Eindruck entstehen, ein Anrufer sei wegen seiner kritischen Haltung von den Moderatoren abgewürgt worden. Tatsächlich zeigte der Clip jedoch nur eine gekürzte Version des Gesprächs; mehrere Minuten fehlten.
Christian Schwarzenegger, Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität Bremen, beschreibt den Account als fest verankert im Kosmos der alternativen Medien. Dort werde er verlinkt und geteilt. Der Account sei „Stichwortgeber mit Schnipseln und Inhalten, die vorwiegend empörte und wütende Reaktionen hervorrufen sollen“. Denn: „Wut klickt gut“, so Schwarzenegger. Und bei Wut gegen den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk gebe es eine große Schnittmenge zum rechtspopulistischen Spektrum. Der ÖRR-Blog nehme damit bewusst in Kauf, „Impulsbeschleuniger“ für diese Gruppe zu sein.
Scharfe Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen Sendern ist inzwischen zu einem Lieblingsthema von Rechtspopulisten in ganz Europa geworden. Auch die AfD greift die Sender regelmäßig scharf an und nennt sie etwa ein „Propaganda-Organ“.
DIE CDU und ihre Unterschiede zur AfD
Es geht um die Trennlinie zwischen einer bürgerlich-konservativen und einer in weiten Teilen rechtsextremen Partei. In der Außenpolitik verläuft sie klar: Union und AfD stimmen weder in der Bewertung der EU noch beim Umgang mit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine überein.
In der Migrationspolitik haben das Oberverwaltungsgericht Münster und das Bundesverwaltungsgericht Leipzig eine eindeutige Grenze gezogen, was verfassungskonform ist – und was nicht. Eine völkische Ideologie, die ethnische Homogenität anstrebt und Staatsbürger mit Migrationshintergrund diskriminiert oder aus dem Land drängen will, verstößt gegen die Verfassung und verletzt die Menschenwürde. Zwar steht dies nicht explizit im Programm der AfD, doch viele Äußerungen ihrer Mitglieder, bis hin zu Parteichefin Alice Weidel, lehnen sich an diese völkische Ideologie an. Im Gegensatz dazu argumentiert die CDU nicht völkisch.
Klöckners Weggefährten bei der Denkfabrik R21
Interessant ist auch, wer hinter dem ÖRR-Blog steht. Der Blog kooperiert mit der Denkfabrik R21, die von dem Historiker und CDU-Mitglied Andreas Rödder geleitet wird. Rödder ist ein langjähriger Weggefährte von Klöckner. Der Historiker machte erst vor kurzem Schlagzeilen, weil der einstige Vorsitzende der CDU-Grundwertekommission erneut eine Abkehr von der Brandmauer gegen die AfD forderte. Es sei einen Versuch wert, das Gespräch zu suchen:, wenn „die AfD rote Linien einhält und sich klar von rechtsextremen Positionen und Figuren abgrenzt.“
Rödder ist ein erfahrener Strippenzieher – und, was viele vergessen haben: Der Historiker gehörte zweimal zum Schattenkabinett von Julia Klöckner, als sie 2011 und 2016 versuchte, rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin zu werden. Rödder wurde als Bildungs- und Forschungsminister gehandelt. Auch heute, bestätigen ranghohe CDU-Mitglieder, pflegt Klöckner ein enges Verhältnis zu ihm. Auf Nachfrage wollte sie sich dazu jedoch nicht äußern.
Kristina Schröder, die stellvertretende Leiterin von R21 und frühere Familienministerin, zählt ebenfalls zu Klöckners Vertrauten: Klöckner besucht Schröders Geburtstagsfeiern, war eine der wenigen Christdemokratinnen auf ihrer Hochzeit – und sie teilt gerne Schröders Beiträge.
Und generell steht R21 in der CDU gerade wieder hoch im Kurs: Die Denkfabrik erhielt Ende September eine überraschend hohe Förderung von 250.000 Euro aus dem Bundeshaushalt. Eingefädelt in den sogenannten Haushalt-Einzelplan 04 hatte dies unter anderem der Klöckner-Vertraute Christian Haase. Und erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass dieser Beitrag auf eine halbe Millionen Euro verdoppelt werden soll.
Ähnlich wie R21 verteufeln Klöckner und ihre einflussreichen Mitstreiter Spahn und Linnemann die Grünen so stark, dass eine Koalition mit ihnen unmöglich erscheint. „Wer will dieser Partei noch etwas glauben?“, steht in einem von ihr weiterverbreiten Post über die Grünen von Mitte Januar 2025. Kurz darauf in derselben Woche repostet sie auch die Verschmähung der Grünen als „Sekte“. Obwohl ihr eigener Parteifreund Hendrik Wüst in Nordrhein-Westfalen mit den Grünen zusammen regiert.

Klöckner und die konservativen Tonangeber
Für die rechtskonservative Ausrichtung der CDU stehen zurzeit vor allem Jens Spahn sowie Generalsekretär Linnemann. Ersterem hat CORRECTIV eine enge Verbindung zu rechtskonservativen Netzwerken und Trump-nahen Milliardären in den USA nachgewiesen.
Alle drei pflegen enge Verbindungen zu marktradikalen Denkfabriken wie der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM), einem Lobbyverband der Metallarbeitgeber. Klöckner trat dort einst als Patin für Bürokratieabbau auf. Sie verbreitete deren Botschaften von einer angeblich „verzweifelten Wirtschaft“ elf Mal prominent.
Spahn, Linnemann und Klöckner – damals stellvertretende Bundesvorsitzende – waren es auch, die 2022 gemeinsam ein sogenanntes Islamgesetz forderten, das die Pflichten von Muslimen und Moscheen klar regeln sollte – als einziger Religion. Und schon 2016 forderte Klöckner einen Plan „A2“, der vorsah, Flüchtlinge an den deutschen Grenzen abzufangen und in Lagern unterzubringen. Damit stellte sie sich gegen Merkels Kurs, eine europäische Lösung zu suchen. Klöckner kandidierte zu dieser Zeit als Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz – und scheiterte.
„Die Gruppe, die jahrelang gegen Angela Merkel und ihren Kurs der Mitte wetterte, wähnt nun ihre Stunde gekommen“, sagt ein führender CDU-Politiker. Obwohl sie nur einen Teil der Partei hinter sich habe, dominiere sie die öffentliche Wahrnehmung weit stärker als jene Christdemokraten, die entschieden gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD eintreten. Tatsächlich erhielt die kürzlich gegründete Plattform „Compass Mitte“, die jede politische Zusammenarbeit der CDU mit der „rechtsextremistischen AfD“ ablehnt, keine öffentliche Unterstützung aus der Parteispitze.
Unsere Gesprächspartner sind sich einig: Der innerparteiliche Konflikt wird sich in den kommenden Monaten zuspitzen. Denn in Ostdeutschland stehen 2026 Landtagswahlen an, bei denen die AfD zur stärksten Kraft aufsteigen könnte. Hardliner wie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer fordern, dass die CDU weder mit den Linken noch den Grünen koaliert; und können sich eine Zusammenarbeit mit der SPD nur widerwillig vorstellen. Dann blieben nur zwei Möglichkeiten: eine AfD-Regierung tolerieren oder sich gar als Juniorpartner der völkischen Partei anbieten.
Eine mögliche Kooperation mit der AfD, so sind verschiedene CDU-Bundespolitiker überzeugt, schwäche auch die deutsche Sicherheits-und Außenpolitik. „Eine Zusammenarbeit mit der AfD ist undenkbar, das wäre selbstzerstörerisch“, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete und Sicherheitsexperte Roderich Kiesewetter gegenüber CORRECTIV. Die AfD sei gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet und wolle die Union zerstören. „Die AfD wirkt als verlängerter Arm des Kremls und macht sich zum Werkzeug Putins in Russlands Krieg gegen Deutschland.“
Julia Klöckner: Sind ihre Wegbereiter Professionalität und Fleiß?
Aber wie wird Klöckner entscheiden, wenn es zur Nagelprobe in den östlichen Bundesländern kommt? Klar ist: Nur als Strategin hat sie sich in der männerdominierten CDU durchsetzen können. Langjährige Weggefährten aus Rheinland-Pfalz und Berlin glauben nicht an einzelne, rechtspopulistische Ausrutscher – sondern an eine rechtskonservative Agenda, die Klöckner heute verfolgt.
Dafür sprechen nicht nur ihre Social Media-Profile, sondern auch ihre von allen beschriebene professionelle, geplante Art. Sie habe es geschafft, den zerstrittenen Landesverband zu befrieden – auch dank ihrer verbindlichen Art. Und trotz einer männerdominierten CDU. Viele ihrer rheinland-pfälzischen Wegbegleiter erinnern sich an sexistische Sprüche wie „Da kommt der Shitstorm auf Pumps“. Als sie 2001 erstmals in Bad Kreuznach kandidierte, zog die junge, zuweilen schrille Frau alle Blicke auf sich. Die Regionalzeitungen sprachen nur noch von „der Julia“. Sie ließ keinen Frühschoppen, keinen Fastnachtumzug und kein Kartoffelschälen aus.
Das gefiel nicht jedem in der Partei, trotzdem stieg sie auf. Heute ist Klöckner bestens vernetzt. In Berlin fand sie ihre stärksten Unterstützer bei jenen, die Angela Merkels angeblich zu linken Kurs kritisierten. Und die nun überzeugt sind, langfristig auf der rechtspopulistischen Seite mehr Einfluss zu gewinnen.
„Alles an ihren Auftritten ist geplant, auch ihre oft populistischen Worte“, sagt die rheinland-pfälzische SPD-Vorsitzende Bätzing-Lichtenthäler CORRECTIV. In der CDU habe sie sich mit gezielten Provokationen ein spezielles Netzwerk stetig ausgebaut. „Taktisch spielt sie mit zwei Facetten: ihrem Image als Weinkönigin, das konservative Kreise anspricht. Gleichzeitig zeigt sie sich als rigide Machtpolitikerin.“
Als Bundestagspräsidentin verbreitet Klöckner auf ihren privaten Kanälen in Sozialen Netzwerken deutlich seltener rechtspopulistische Accounts und Narrative. Der Post zu Friedrich Merz, der Dunja Hayali fertig machen sollte, wirkt dort inzwischen fast wie ein Ausrutscher – oder ein Überbleibsel alter Gewohnheiten. Konstante Präsenz hingegen zeigt jemand anderes: ihr Labradoodle Ella.
Text: Sebastian Haupt, Stella Hesch, Annika Joeres, Isabel Knippel
Recherche: Martin Böhmer, Sebastian Haupt, Stella Hesch, Annika Joeres, Isabel Knippel
Redaktion: Anette Dowideit
Redigat und Faktencheck: Samira Joy Frauwallner
Design: Anwar Mohammed
Collagen und Grafik: Ivo Mayr