Alle Zyto-Apotheken in NRW mangelhaft
In jeder Apotheke, die in Nordrhein-Westfalen Krebsmittel anmischen darf, wurden Mängel festgestellt. Auf Nachfrage von Correctiv.ruhr hat das Landesgesundheitsministerium weitere Details der NRW-weiten Kontrollaktion bekannt gegeben. Das Ergebnis, das NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) vergangene Woche als Erfolg feierte, wirft bei genauerer Betrachtung Fragen auf.
„In allen kontrollierten Apotheken wurden nach derzeitigem Kenntnisstand Mängel festgestellt“, schreibt das Gesundheitsministerium auf eine Presseanfrage von Correctiv.ruhr. Zuvor hatte das Ministerium am vergangenen Freitag die Ergebnisse einer großangelegten Kontrolle von Apotheken veröffentlicht, die Krebsmedikamente herstellen.
116 sogenannte Zyto-Apotheken in NRW wurden kontrolliert. Sie sollten nach dem Fall der Alten Apotheke in Bottrop schärfer überwacht werden. Seit August vergangenen Jahres wurden von ihnen Proben entnommen und auf ihren Wirkstoffgehalt untersucht. Auch die Apotheken selbst wurden dabei kontrolliert. Die Überprüfungen fanden unangekündigt statt, die Kontrollaktion wurde jedoch vorher öffentlich angekündigt. Nach der Antwort des Ministeriums lassen sich die Ergebnisse der Kontrolle nun besser einordnen.
Insgesamt 897 Mängel in 116 Apotheken
Insgesamt wurden während der Kontrollen 761 Dokumentationsmängel und 136 organisatorische Mängel festgestellt.
Die organisatorischen Mängel werden dabei in zwei Kategorien unterteilt: In schwere Mängel, die „über die Mängelbeseitigung hinausgehende Maßnahmen erfordern“ und in Mängel mit geringerer Schwere.
128 der insgesamt 136 organisatorischen Mängel waren laut Ministerium geringe Mängel.
Acht Beanstandungen fielen jedoch in die Kategorie schwere Mängel. Sie wurden alle in derselben Apotheke festgestellt. Den Namen dieser Apotheke will das Ministerium aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht mitteilen. Der Apotheke wurde am 1. Juni 2018 die weitere Produktion von Krebsmedikamenten untersagt. Offenbar konnte die Apotheke die Mängel erst Wochen später beheben. Am 12. Juli hoben die Aufsichtsbehörden die Untersagung wieder auf. Das Ministerium betont, dass es sich bei dieser Apotheke nicht um diejenige handelt, bei der eine Unterdosierung festgestellt wurde. „Die festgestellten Mängel hatten offensichtlich keinen Einfluss auf die inhaltliche Zusammensetzung“, sagt ein Ministeriumssprecher.
Unterdosierte Probe nur durch Zufall nicht verabreicht
Eine Probe von insgesamt 123 Proben war unterdosiert. Zu dieser Probe veröffentlichte das Ministerium in seiner Pressemitteilung vergangene Woche keine näheren Informationen. Auf Nachfrage erklärt es nun, dass die unterdosierte Probe ein „Rückläufer mit dem Wirkstoff Gemcitabin-Hydrochlorid“ war. Das heißt, die Probe wurde nur durch Zufall keinem Patienten verabreicht. „Bei der in Rede stehenden Probe wurde eine Unterdosierung von -17,8 Prozent beanstandet. Aus arzneimittelrechtlicher Sicht war die Probe damit nicht erheblich in ihrer Qualität gemindert“, schreibt das Ministerium. Im Fall der Alten Apotheke hatte die Staatsanwaltschaft Essen nur Zubereitungen in der Anklage berücksichtigt, die -20 Prozent oder noch weniger Wirkstoff enthielten.
Sogenannte Rückläufer haben die Apotheke schon verlassen und werden von Ärzten oder Krankenhäusern zurückgeschickt, wenn sie nicht verabreicht werden können. Zum Beispiel, weil es dem Patienten plötzlich schlechter geht.
Gesundheitsminister Laumann sieht in den Ergebnissen der Kontrollen laut einer Pressemitteilung den Nachweis, „dass die Herstellung von patienten-individuellen Zytostatika-Zubereitungen im Land qualitativ hochwertig und entsprechend den ärztlichen Verordnungen erfolgt“. Es gebe keine Hinweise auf „systematische Unterdosierungen, wie im Fall des „Bottroper Apothekerskandals“.