Abgeordnete widersprechen: Petition zum Migrationspakt nicht gelöscht
Im Internet kursiert die Behauptung, der Petitionsausschuss des Bundestages habe eine Petition gegen den Migrationspakt der UN gelöscht. Was steckt dahinter?
Am Dienstag veröffentlichte der Autor David Berger auf seinem Blog Philosophia Perennis die Meldung „Petitionsausschuss des Bundestages löscht Petition zum Migrationspakt”. Der Artikel wirft dem Ausschuss vor, vermeiden zu wollen, dass es „überhaupt zu einer Petition kommt”. David Bergers Beitrag wurde auf Facebook bisher mehr als 5.900 Mal geteilt.
Der Migrationspakt der Vereinten Nationen soll internationale Migration regeln und besser zwischen den Mitgliedsstaaten koordinieren. Im Dezember soll der Pakt auf einer Gipfelkonferenz formell angenommen werden. Das will die Petition verhindern.
Wurde die Petition tatsächlich gelöscht?
David Berger verweist in seinem Artikel darauf, dass die Petition auf der Seite des Petitionsausschusses nicht zu finden sei. Allerdings sind Petitionen dort nicht ab ihrer Einreichung einsehbar, sondern erst wenn über ihre Veröffentlichung entschieden wurde.
Eine neu eingereicht Petition bekommt eine Petitions-Nummer. Bevor sich der Ausschuss inhaltlich mit der Forderung der Petition auseinandersetzt, wird über die Veröffentlichung entschiedenen. Die Verwaltung orientiert sich an Richtlinien und gibt eine Empfehlung ab, ob die Petition veröffentlicht werden sollte oder nicht. Die endgültige Entscheidung über die Veröffentlichung treffen die Obleute des Petitionsausschusses. Das ist je ein Abgeordneter pro im Bundestag vertretener Partei.
Diese Entscheidung der Obleute hat im Fall der Petition zum Migrationspakt jedoch nach Aussagen mehrerer Obleute noch gar nicht stattgefunden.
Die Bundestagsverwaltung hat eine Anfrage von CORRECTIV zu der Petition und der angeblichen Löschung mit Verweis auf den Datenschutz nicht beantwortet. „Zu solchen Angelegenheiten müssen Sie allerdings wissen, daß sich die Bundestagsverwaltung mit Blick auf den Datenschutz zu einzelnen Petitionen öffentlich nicht äußern kann”, schreibt die Verwaltung.
Wir haben verschiedene Obleute und Abgeordnete des Petitionsausschusses aller Parteien gefragt, ob die Behauptung „Petitionsausschuss des Bundestages löscht Petition zum Migrationspakt“ den Tatsachen entspricht.
Das sagen die Mitglieder des Petitionsausschusses:
„Diese Darstellung entspricht nicht den Tatsachen. Bisher gibt es im konkreten Fall keine Entscheidung der zuständigen Abgeordneten über die Veröffentlichung oder Nicht-Veröffentlichung. Eine Löschung fand ebenfalls nicht statt.“ Martina Stamm-Fibich (SPD), Stellvertretende Ausschussvorsitzende des Petitionsausschusses.
„Diese Darstellung entspricht nicht den Tatsachen. Die Petition wurde nicht gelöscht. Die weitere Behandlung der Petition erfolgt im Rahmen des allgemeinen (und üblichen) Petitionsverfahrens.“ Corinna Rüffer (Grüne), Obfrau im Petitionsausschuss.
„Diese Darstellung entspricht nicht den Fakten. Es wurde lediglich eine Nichtveröffentlichung der Petition von der Verwaltung empfohlen.” Kerstin Kassner (Die Linke), Obfrau im Petitionsausschuss.
„Der Deutsche Bundestag löscht keine Petitionen. Alle Eingaben werden behandelt.” Manfred Todtenhausen (FDP), Obmann im Petitionsausschuss.
„Nein, eine Petition zum Migrationspakt ist nicht gelöscht.“ Johannes Huber (AfD), Obmann im Petitionsausschuss.
Restdatei als angeblicher Beleg
Als angeblichen Beweis für die Löschung der Petition führt David Berger in seinem Text an, dass man eine „Restdatei” der Petition auf den Seiten des Ausschusses finde. Doch auf für diesen Link und den angezeigten Eintrag „Diese Petition ist derzeit nicht einsehbar” gibt es eine plausible Erklärung.
„Jede eingereichte Petition wird zunächst in einem nicht-öffentlichen Verzeichnis des Portals gespeichert”, schreibt Martina Stamm-Fibich (SPD), Stellvertretende Ausschussvorsitzende.
David Berger selbst, rudert nach seiner Überschrift übrigens schon im ersten Absatz des Artikeltextes etwas zurück und relativiert, dass der Ausschuss die Petition „von seinen Internetseiten gelöscht bzw. nicht frei geschaltet” habe. Letzteres trifft laut Aussagen mehrere Abgeordneter zu: Bisher wurde die Petition nicht veröffentlicht.
Petition soll nicht verhindert werden
Kommen wir zur nächsten Behauptung von David Berger. Demnach will der Petitionsausschuss vermeiden, dass die Petition zustande kommt. Stimmt das?
Die Aussagen von Mitgliedern des Petitionsausschusses dazu:
„Auch diese Darstellung entspricht nicht den Tatsachen. Das Petitionsverfahren läuft. Der Termin für die Beratung im Ausschuss selbst steht noch nicht fest.“ Martina Stamm-Fibich (SPD), Stellvertretende Ausschussvorsitzende
„Nein, die Petition wurde eingereicht und angenommen. Nun wird sie im Rahmen des üblichen Petitionsverfahrens behandelt.” Corinna Rüffer (Grüne), Obfrau im Petitionsausschuss.
„Der Deutsche Bundestag kann keine Petition verhindern, da der Rechtsanspruch hierzu in Artikel 17 Grundgesetz geregelt ist.” Kerstin Kassner (Die Linke), Obfrau im Petitionsausschuss.
„Richtig ist, dass nicht alle Petitionen veröffentlicht werden. Unabhängig davon, ob eine Petition veröffentlicht wird oder nicht, wird sie aber von den Mitgliedern des Petitionsausschusses beraten. Der Ausschuss kann und will nicht vermeiden, dass es zu Petitionen kommt.” Manfred Todtenhausen (FDP), Obmann im Petitionsausschuss.
„Jede Petition wird unabhängig von ihrer Veröffentlichung vom Petitionsausschuss im Rahmen seiner Zuständigkeit geprüft und beschieden. Eine politische Vorauswahl findet nicht statt.” Büro des Abgeordneten Marian Wendt (CDU), Vorsitzender des Petitionsausschusses.
„Jede Petition, die beim Deutschen Bundestag eingeht, muss bearbeitet werden.“ Johannes Huber (AfD), Obmann im Petitionsausschuss.
Dass eine Petition unabhängig von ihrer Veröffentlichung inhaltlich behandelt wird, legt auch die Richtlinie für die Behandlung von öffentlichen Petitionen fest. Dort steht:
„Öffentliche Petitionen werden ebenso wie nicht öffentliche Petitionen entsprechend den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen für Petitionen behandelt. Aus einer Ablehnung der Veröffentlichung entstehen dem Petenten im parlamentarischen Prüfverfahren keine Nachteile.”
David Bergers Artikel erschien ebenfalls auf den Webseiten Jürgen Fritz Blog, Journalistenwatch und Politikversagen.
Update 28. Oktober 2018: Die Antworten des Obmannes Johannes Huber sind nach Redaktionsschluss eingegangen. Wir haben sie eingefügt.