Die AfD, der Verfassungsschutz und der Abgeordnete mit den Nazibildern
Vor der Presse wehren sich die AfD-Chefs gegen eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Sie wollen sogar ein externes Gremium einrichten. Ihr Bundestagsabgeordneter Stefan Keuter soll sich morgen vor der Fraktion äußern
Es sind Tage der AfD, mal wieder, aber diesmal nicht so, wie die Partei es sich vorstellt. Vergangene Woche berichteten WDR, NDR und „Süddeutsche Zeitung“ über das Gutachten eines emeritierten Rechtsprofessors für die Partei. Dietrich Murswiek setzt sich akribisch damit auseinander, welche Äußerungen und Taten Verfassungsschützer auf den Plan rufen und gibt der AfD auch Handlungsempfehlungen. Die Partei lud daraufhin zur Pressekonferenz mit ihren beiden Vorsitzenden Jörg Meuthen und Alexander Gauland. Im Hintergrund grollen vernehmbar vor allem Vertreter des rechten Flügels der rechten Partei, dass sich manch einer als Inquisitor aufspiele und die Meinungsfreiheit innerhalb der AfD bedroht sei.
Über all den grundsätzlichen Betrachtungen muss sich die AfD allerdings auch noch mit einem konkreten Fall auseinander setzen, den CORRECTIV und stern vergangene Woche enthüllt haben: Stefan Keuter, Bundestagsabgeordneter aus Essen, hat Nazibilder verschickt.
Es sind Fotos von einer Dusche mit eingekacheltem Hakenkreuz, von Adolf Hitler in Wien (versendet zu Halloween mit der Aufschrift „Hallo Wien“) und von Wehrmachtssoldaten, die Keuter versandte. Der Abgeordnete ist nun bemüht, der Sache keine große Bedeutung beizumessen. Von CORRECTIV und stern mit dem Versenden der Bilder konfrontiert, antwortete er zuerst, das sei ihm „nicht erinnerlich“. Dann ging er davon aus, dass die Bilder nicht authentisch seien. Schließlich gab er zu, die Fotos geschickt zu haben. Keuter fand aber eine interessante Verteidigungslinie, und es lohnt sich, diese genauer zu betrachten und mit den vorliegenden Quellen abzugleichen.
Wer die Bilder mit Bezug zum Nationalsozialismus verschickte
Zuerst einmal fallen bei Keuter Formulierungen auf, die die Tatsache, dass Nazibilder verschickt wurden, von ihm selbst wegrücken. „Diese Bilder sind inzwischen zweifelsfrei einem ehemaligen Mitarbeiter zuzurechnen“, gab Keuter am Tag nach der Veröffentligung via Facebook bekannt. Ach so, halb so wild, ein Mitarbeiter ist schuld, konnte denken, wer den langen Post nicht zu Ende las. Etliche Sätze später stellte Keuter zum Thema „Bilder mit ‚Wehrmachtssoldaten, Adolf Hitler und Hakenkreuz’“ fest, „dass ich diese niemals verbreitet habe“. Er gab aber doch zu, dass „mein Büroleiter (…) diese im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeiten erhalten“ habe. Dass der Büroleiter die Nazibilder von Keuter selbst erhielt, behielt Keuter an dieser Stelle für sich.
Immerhin, man kann es so verstehen, und Keuter streitet nicht ab, der Versender der teilweise menschenverachten Bilddokumente zu sein. Am Ende seiner Einlassung schreibt er: „Tatsächlich erfolgte ja auch ein Versand.“ Ein Versand durch ihn selbst.
Warum aber versandte der AfD-Abgeordnete immer wieder und über Monate Fotos mit NS-Bezug? Weil sie ihn faszinieren? Weil er es lustig findet, wenn man etwa einen Soldaten mit Stahlhelm und automatischen Gewehr sieht und dazu liest: „Das schnellste Asylverfahren, lehnt bis zu 1400 Anträge in der Minute ab!“? Weil Keuter ein Anhänger Hitlers und der Nationalsozialisten ist?
Ohne Datum zur Archivierung
Folgt man Keuters Äußerungen, ist es ganz anders. Er schrieb CORRECTIV und dem stern über seinen ehemaligen Mitarbeiter: „Im Rahmen seiner politischen Tätigkeit hat er von mir regelmäßig Arbeitsaufträge, Unterlagen zur Archivierung, Beurteilung und politischen Einordnung erhalten.“ Darum also geht es laut Keuter beim Versenden von Nazibildchen: Sein Mitarbeiter sollte sie archivieren. Sie beurteilen. Sie politisch einordnen.
Keuters Antwort wirft die Frage auf, was es bei solchen Bildern politisch einzuordnen gibt. Ein Hakenkreuz und Hitler mit erhobenem Arm in Wien – die Botschaft solcher Motive müsste sich eigentlich von selbst erklären. Interessant ist außerdem, wer Keuter die Nazibilder geschickt hat, die er archivieren ließ. Ist zum Beispiel ein AfD-Kreisvorsitzender der Absender, mit dem man sich deswegen auseinandersetzen wollte? Oder ein anderer Parteifreund, der sich vielleicht mal als Mitarbeiter bei Keuter bewerben könnte und über den man dann gleich ein paar Infos zur Hand hätte? Beides könnte der Fall sein, nur: Keuter gibt bei seinen Versendungen keinerlei Quelle an.
Die Nazibilder versandte Stefan Keuter ansatz- und fast immer kommentarlos. Er nannte dem Mitarbeiter, der sie angeblich archivieren und einordnen sollte, in dem Whatsapp-Chat also nicht den ursprünglichen Verschicker. Er schreibt auch nicht, ob die Bilder aus einem Gruppenchat stammen und wenn ja, aus welchem. Keuter sendete die NS-Bilder einfach. Und manchmal flankierte er sie auch mit einem Foto oder einem Video, das er aufgrund des Inhalts nur in privater Mission und nicht als Mitglied des deutschen Bundestages verschickt haben kann.
„Der Deutsche rutscht nicht. Er marschiert ins neue Jahr“
Keuters Argumentation wirkt wie eine Hilfskonstruktion, mit der er versucht, die von ihm versendeten Bilder zu rechtfertigen. Wenn er seinem Mitarbeiter zum Beispiel an Silvester 2017 ein Wehrmachtsfoto mit der Aufschrift: „Der Deutsche rutscht nicht. Er marschiert ins neue Jahr“ verschickte, war das laut Keuter-Argumentation ein dienstlicher Vorgang. Keuter nannte in dem Chat mit dem Mitarbeiter zwar die Quelle nicht, tat das aber nach eigener Bewertung trotzdem, um das Bild zu archivieren und es politisch bewerten zu lassen.
Am Dienstag hat Stefan Keuter Gelegenheit, sich gegenüber der Führung der AfD-Bundestagsfraktion zu erklären. Gut möglich, dass er seinen Chefs und auch den anderen Fraktionskollegen mit seinem Archiv-Argument kommt. Vielleicht zeigt er Alexander Gauland und der Ko-Fraktionschefin Alice Weidel dann auch die teils unappetitlichen Auszüge des entsprechenden Whatsapp-Chats.
Wie es für den Abgeordneten Keuter weiter geht
Gauland und Weidel müssen dann entscheiden, ob sie Keuter seine Version abnehmen. Weitere Fragen von stern und CORRECTIV ließ Keuter unbeantwortet. Auf einer Pressekonferenz der AfD am Montag erklärte Gauland auf Nachfrage, mit Meinungsfreiheit habe das Versenden von Hitlerbildern nichts zu tun. Er ließ durchblicken, dass er bereits mit Stefan Keuter gesprochen habe. Wie Keuter sich erklärte, sagte Gauland nicht, nur: „Wenn nicht stimmt, was er mir gesagt hat, haben wir ein Problem.“
Auf der Pressekonferenz bemühten sich Gauland und der Co-Parteichef Jörg Meuthen, die Diskussion um eine Beobachtung ihrer Partei durch den Verfassungsschutz als politisch motiviert darzustellen. Beide AfD-Chefs hielten eine Beobachtung für unnötig. Gleichwohl sah Meuthen eine „Pflicht, bei uns selbst sehr genau hinzuschauen“.
Das tut seit einigen Wochen die fünfköpfige Arbeitsgruppe Verfassungsschutz, der Meuthen auch selbst angehört. Geleitet wird das Gremium vom Bundestagsabgeordneten Roland Hartwig, einem früheren Juristen des Chemiekonzerns Bayer. Hartwig kündigte an, dass die Arbeitsgruppe sich nun mit einem weiteren Gremium verstärken werde. Es soll sich aus externen Experten zusammensetzen und der AfD bei Parteiordnungsverfahren helfen. Mit Maßnahmen gegen Mitglieder hängt die Partei zuweilen tatsächlich weit hinterher. Gegen den AfD-Landesvorsitzenden im Saarland läuft seit zwei Jahren ein Parteiausschlussverfahren.