Nein, die Jusos haben keine Regelung für Schwangerschaftsabbrüche bis zum neunten Monat beschlossen
Das AfD-nahe Jugendmagazin Arcadi behauptet, die Jusos wollen Schwangerschaftsabbrüche bis zum neunten Monat ermöglichen. Das ist falsch.
Schwangerschaftsabbrüche sind laut dem deutschen Strafgesetzbuch illegal und nur unter Einhaltung bestimmter Bedingungen straffrei. Die Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD (Jusos) forderten auf ihrem Bundeskongress vom 30. November bis 2. Dezember 2018 mehrheitlich die vollständige Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen – durch die Streichung der Paragrafen 218 bis 219b aus dem Strafgesetzbuch. Die Jusos verlangen damit auch die Streichung des Paragrafen 281a. Dieser besagt unter anderem, dass ein Abbruch nur bis zur zwölften Schwangerschaftswoche straffrei durchgeführt werden kann.
Die derzeitige Drei-Monats-Frist bei Schwangerschaftsabbrüchen wird im Beschluss der Jusos kritisiert – sie sei „willkürlich und durch nichts zu begründen“. Werde eine ungewollte Schwangerschaft erst spät entdeckt, sei eine Frist von drei Monaten für eine durchdachte Entscheidung zu kurz. „Die Festlegung einer Frist, nach deren Ablauf eine Abtreibung verboten ist, unterstellt, dass Frauen nicht dazu in der Lage sind, selbstständig die für sie richtige Entscheidung zu treffen“, heißt es im Beschluss.
Das neurechte Jugendmagazin Arcadi behauptet nun, es hätte „aufgedeckt“, dass „die Jugendorganisation der SPD Abtreibung bis zum Ende des neunten Monats erlauben will“. Dazu teilt es ein Video, das drei Rednerinnen auf dem diesjährigen Jusos-Bundeskongress zeigt. Eine der Rednerinnen spricht sich darin für die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruches bis zum neunten Monat aus, zwei weitere dagegen. Chefredakteur des Magazins ist laut Impressum der Vorstandsvorsitzende des AfD-Kreisverbands Leverkusen, Yannick Noé.
Informationen zum Beschluss auf Webseite der Jusos frei einsehbar
Aufgedeckt hat das Jugendmagazin diese Forderungen nicht – der Beschluss ist auf der Webseite der Jusos frei einsehbar. Die Videoaufnahme war auf dem YouTube-Account der Jusos zu sehen, bis sie wegen Mord-und Vergewaltigungsdrohungen gegen die Redner und Rednerinnen gelöscht wurde. Das teilte ein Pressesprecher des SPD-Jugendverbandes auf Anfrage von CORRECTIV mit.
In einem Artikel im Handelsblatt äußerte sich der Bundesvorsitzende der Jusos, Kevin Kühnert, zu den Vorwürfen. Auch die Vize-Vorsitzende Katharina Andres sprach in einem Interview mit der Welt über den Beschluss.
Beschlossen die Jusos eine Regelung zur Abtreibung bis zum neunten Schwangerschaftsmonat?
„Wer das behauptet verdreht mutwillig die Tatsachen“, antwortete der Pressesprecher der Jusos auf Nachfrage von CORRECTIV. Die Jusos würden lediglich erreichen wollen, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr als Straftatbestand gelten.
Damit würde zwar zunächst die aktuell geltende Drei-Monats-Frist wegfallen – was danach bezüglich der Fristen von Schwangerschaftsabbrüchen geregelt würde, stehe hingegen auf einem anderen Blatt. „Zu keinem Zeitpunkt haben wir gefordert, Beendigungen müssten im letzten Monat stattfinden.“
Kevin Kühnert, der Vorsitzende der Jusos, äußerte sich im Handelsblatt ähnlich: „Rechtsradikale jedweder Couleur tragen (…) die Lüge in die Welt, die Jusos wollten Abbrüche bis in den neunten Schwangerschaftsmonat ermöglichen. Nichts dergleichen wollen wir, nichts dergleichen haben wir beschlossen.“ Kühnert gab aber zu: es sei naiv gewesen, keinen konkreten Vorschlag zu einer Neuregelung zu unterbreiten.
Wie könnte eine Neuregelung aussehen, und wo soll sie festgeschrieben werden?
Im Beschluss zur Legalisierung der Schwangerschaftsabbrüche fordern die Jusos eine Neufassung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes. Darin sollten sich nach einer Streichung der Paragrafen 218 und 219 im Strafgesetzbuch auch die Regelungen für Schwangerschaftsabbrüche wiederfinden. „Dort wäre auch Raum für eine neue Fristenlösung“, teilte der Pressesprecher der Jusos CORRECTIV mit. Es werde dafür Vorschläge von den Jusos geben.
Juso-Vize-Vorsitzende Katharina Andres beispielsweise sprach sich im Interview mit der Welt für eine Frist aus – diese solle jedoch deutlich länger sein als aktuell. „Denkbar wäre etwa die 22. Schwangerschaftswoche. Ab diesem Zeitpunkt ist der Fötus außerhalb des Mutterleibs lebensfähig.“ Die 22. Schwangerschaftswoche liegt im sechsten Monat.